Den Analysten auf der Spur
- wer weiß was?
Immer wieder geraten sie ins finanzielle Kreuzfeuer: die Analysten. Erst kürzlich entließ die amerikanische Investmentbank Merrill Lynch einen ihrer Top-Analysten, der eine Rating-Änderung bereits vor deren Veröffentlichung an Kunden weitergegeben hatte.Einzelhandelsspezialist Peter Caruso hatte im Juli die Aktie des Baumarktriesen Home Depot von "Strong Buy" auf "Neutral Buy" herabgestuft. Daraufhin fiel das Papier um runde sieben Prozent. Das Problem war nur: Am Vortag hatte Caruso bei einem Mittagessen mit Kunden bereits auf die Rückstufung hingedeutet. Die Führungsetage bei Merrill Lynch war nicht so erbaut.
Buy-Side und Sell-Side
Interessenskonflikte von Analysten sind immer wieder ein Thema. Die Experten, die auf der sogenannten "Sell-Side" arbeiten, also für Banken, die mit den besprochenen Unternehmen geschäftliche Beziehungen unterhalten, stehen natürlich oft unter Druck, Kaufempfehlungen auszusprechen. Doch der Trend zu mehr Offenheit wird immer stärker. So versieht Merrill Lynch Analysen von Unternehmen, mit denen die Bank eine Geschäftsbeziehung unterhält, jetzt mit einem entsprechenden Hinweis.Analysten auf der "Buy-Side", also Experten, die Aktien etwa für Fondsgesellschaften beobachten, unterliegen solchen Interessenskonflikten normalerweise nicht. Die Auftraggeber sind hier überwiegend institutionelle Anleger, die in großem Rahmen in eine Aktie investieren wollen.
Natürlich sollten Objektivität und Unparteilichkeit immer im Vordergrund stehen und so ist denn auch in den Richtlinien der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) zu lesen, dass die Analysten "ausschließlich im Kundeninteresse" schreiben. Das ist sicher meist auch der Fall, nur müssen Kunden auch die Insider-Sprache interpretieren können.
Kaufen ist nicht gleich kaufen
Kaufempfehlungen waren über lange Zeit an der Tagesordnung. Mit dem Rückgang an den internationalen Aktienmärkten und den Bilanzskandalen in den USA aber sind viele Analysten zurückhaltender geworden. Ein "Strong Buy" kommt heute weit seltener vor als noch vor etwa zwei Jahren. Meist wird geraten, einen Wert zu halten. Verkaufsempfehlung sind dagegen immer noch eher selten.Analysen können eine wichtige Informationsquelle sein, wenn Investoren sie richtig zu interpretieren wissen. Für Bewertungen gibt es zwei Systeme: ein absolutes und ein relatives. Bei der ersten Methode richtet sich die Empfehlung auf das absolute Kurspotenzial einer Aktie. Beim zweiten Verfahren wird ein Titel in Relation zum jeweiligen Index bewertet. Also, beispielsweise DaimlerChrysler im Verhältnis zum DAX. So kann etwa die Empfehlung "Übergewichten" ganz unterschiedliche Interpretationen haben, die für den Privatanleger nicht immer transparent sind. Es ist daher auch wichtig zu wissen, ob es sich um einen "Buy-Side" oder "Sell-Side" Analysten handelt.
Wer weiß was am besten?
Das Stichwort in Bezug auf Research heißt letztlich "Informationsquelle". Analysen können nicht als die letzte Wahrheit betrachtet werden. Investoren müssen ihre Entscheidung am Ende selbst treffen. Analysten verfügen lediglich über ein höheres Informationsniveau, können aber auch nicht in die Zukunft sehen. Oft kommt es auf die richtige Interpretation der gesammelten Fakten und wohl auch auf den "richtigen Riecher" an.Beispiel WorldCom-Skandal: Hier schnitt die Credit Suisse First Boston mit ihren Ratings am besten ab. Die Bank hatte schon lange vorher gewarnt, dass die Aktie ein unsicherer Kandidat sei. Doch auch andere Researchhäuser wie Alpha Equity Research, AG Edwards und Jefferies (auf Platz zwei bis vier der WorldCom-Ratingliste) hatten vor der Gefahr gewarnt. Die Investmentbanker von Merrill Lynch lagen auf Platz fünf.
Die richtige Konstanz zählt
Was natürlich auch zählt ist Konstanz bei einer Empfehlung. Analysten sollten nicht jeder Veränderung des Marktsentiments nachrennen. Wenn sich allerdings ein Gewitter anbahnt, wie seinerzeit bei EM.TV, dann ist vielleicht Vorsicht geboten. Die Analysten von HSBC aber hielten bis November 2000 an ihrer Kaufempfehlung für die Medien-Aktie fest. Erst nach der Vorlage der katastrophalen Jahreszahlen stuften sie den Wert auf "Reduzieren" herab. Seitdem ist ihr Rating auf "Verkaufen" abgerutscht.Dass Konstanz sich aber bewähren kann, hat die WestLB Panmure im Falle des Versicherers MLP gezeigt. Über die letzten 12 Monate behielten die Analysten ihre Kaufempfehlung bei. MLP hatte am 2. August 45 Prozent seines Wertes verloren. Grund waren Anschuldigungen, dass Provisionen vorab verbucht worden waren. Die Unhaltbarkeit dieser Vorwürfe hat sich mittlerweile erwiesen; Bei MLP war alles korrekt zugegangen. Die WestLB war von diesem Umstand von Beginn an überzeugt gewesen und änderte ihr Rating nicht. Die Analysten sahen aufgrund der fundamentalen Situation bei MLP keinen Grund für den Kursrückgang. Und die harten Zahlen sprechen - anders als damals bei EM.TV - weiter für das Unternehmen.
Wer sich aber nicht allein auf ein Resarchhaus verlassen will, der sollte sich an Konsensschätzungen halten - also Berichte, in denen mehrere Empfehlungen zusammengetragen werden. Standard & Poor's bietet solche Analysen an, und in den Multex Global Estimates werden Empfehlungen von Banken und unabhängigen Anbietern übersichtlich und leicht verständlich dargeboten. Der Vorteil: Auf einen Blick erhält der Anleger einen Rundumschlag und muss sich nicht mit kompliziertem "zwischen den Zeilen lesen" herumschlagen.