Dieser Mai wird anders (EuramS)An der Börse ist er auf Minus-Monat programmiert. Auch dieses Mal ist die Nervosität der Aktionäre groß. Dabei gibt es gute Gründe, dass die Kursrally im Mai erst so richtig los geht.
www.finanzen.net/nachricht/...r_Mai_wird_anders_EuramS__714209
von Sven Parplies
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Aktionäre sollten eigentlich nicht abergläubisch sein. Schließlich geht es an der Börse um harte Fakten. Um Unternehmensgewinne, Margenentwicklung, Konjunkturdaten. Und doch gibt es Grenzbereiche. Das Mai-Mysterium gehört dazu. Überzeugend erklären kann es niemand, und doch können es selbst Profis nicht komplett beiseiteschieben.
Unbestreitbar: Der Mai ist der zweitschlechteste Börsenmonat des Jahres. Im Schnitt hat er Aktionären ein Kursverlust von 0,3 Prozent gebracht. Schlimmer noch – der Mai leitet die schwachen Sommermonate ein, die mit Horrormonat September enden, der im Schnitt sogar 2,0 Prozent des DAX-Werts vernichtet. Droht Anlegern auch dieses Jahr ein qualvoller Sommer?
Die Vorzeichen sind auf den ersten Blick wenig ermutigend: Die Finanzkrise hält die Banken noch immer in Atem. Eine Rezession in den Vereinigten Staaten ist zwar durch volkswirtschaftliche Daten noch nicht offiziell bestätigt, aber wohl schon jetzt Realität. Konjunkturdaten wie der schwache Geschäftsklimaindex des Ifo-Instituts, der die Stimmung unter den Unternehmen abfragt, schüren zudem Befürchtungen, dass die Konjunkturkrise auch auf Europa übergreift.
Und doch mehren sich die Anzeichen, dass der Mai entgegen der unheilvollen Tradition in diesem Jahr für Börsianer Kursgewinne bringen wird. Selbst die psychologisch wichtige Barriere von 7000 Punkten ist für den DAX inzwischen wieder in Reichweite. €uro am Sonntag nennt die wichtigsten Gründe, warum sich Anleger in diesem Jahr auf den Tanz in den Mai freuen können.
Gute Quartalszahlen: Die Unternehmen trotzen der Krise!
Schlechte Zahlen von Schwergewichten wie General Electric und Nokia haben Ängste geschürt, die Finanzkrise habe sich auf andere Branchen ausgeweitet. Die Masse der Unternehmen aber liefert weiter überzeugende Gewinne.
Im breit aufgestellten amerikanischen S&P-500-Index, aus dem bislang von 260 Unternehmen die Zahlen für das erste Quartal vorliegen, haben laut Finanzdatendienst Thomson Reuters 63 Prozent die Erwartungen übertroffen. Nur jedes vierte Unternehmen schnitt schlechter ab als erwartet. Laut Finanzdienst Bloomberg konnten acht der zehn Branchen des Index die Gewinne ausweiten, dramatische Verluste waren nur bei den Finanzwerten zu verzeichnen. "Die schlimmsten Befürchtungen sind nicht eingetroffen, auch nicht bei den Banken. Vor allem Unternehmen mit hohem Umsatzanteil im Ausland haben gute Ergebnisse geliefert", urteilt Michael Pohn, Aktienstratege der DZ Bank.
Besser noch ist die Quartalssaison im DAX angelaufen. BASF, Bayer und Merck schnitten besser ab, als es Analysten vorausgesagt hatten. Herausragend auch das Ergebnis der Lufthansa, die trotz der Belastungen durch den hohen Ölpreis das Ergebnis von 36 Millionen auf 188 Millionen verbessern konnte. VW lag im Rahmen der Erwartungen, und auch die schlechten Ergebnisse von Infineon waren keine Überraschung. "Die Berichtssaison ist gemischt gestartet mit einigen positiven Lichtblicken. In Europa und Deutschland verläuft sie erwartungsgemäß positiver als in den USA", lautet die erste Zwischenbilanz der Unicredit.
Die Zahlen bestätigen die Zuversicht der Vorstände, die in den Geschäftsausblicken zwar inzwischen vorsichtiger formulieren als noch vor einem Jahr, aber dennoch Zeichen gesetzt haben. Vor allem über die Dividende: 25 der 30 DAX-Firmen haben ihre Ausschüttung erhöht, die Dividendenrendite im DAX liegt bei attraktiven 3,5 Prozent. "Da Dividendenkontinuität ein hohes Gut ist und die Börse auf eine Senkung der Ausschüttung in aller Regel verschnupft reagiert, signalisieren die Unternehmensverantwortlichen mit dieser großzügigen Dividendenpolitik ein gehöriges Maß Optimismus", erläutert die Landesbank Baden-Württemberg die Dynamik.
Auch die massiven Insiderkäufe sprechen für die gute Verfassung der Unternehmen. 38 Vorstandsmitglieder aus DAX-Unternehmen, darunter neun Vorstandschefs, haben seit Jahresbeginn Aktien ihrer Unternehmen gekauft. Allen voran Siemens-Chef Peter Löscher, der Mitte März 3,3 Millionen Euro investierte.
Bleibt die Sorge, dass die Gewinnschätzungen noch immer zu optimistisch sind. Für den S&P 500 erwarten die Analysten im ersten Quartal trotz des guten Auftakts einen Gewinnrückgang von zwölf Prozent. Grund sind aber fast ausschließlich die schlechten Zahlen bei den Finanzdienstleistern. Im vierten Quartal 2008 sollen dann die Überschüsse um gut 50 Prozent zulegen. "Vor allem für das zweite Halbjahr dürften die Prognosen zu optimistisch sein", mahnt Carsten Klude von der Privatbank M.M. Warburg.
Sehr viel realitätsnaher erscheinen die Erwartungen an den DAX. Für 2008 haben die Börsenprofis die Schätzungen seit Jahresbeginn auf zuletzt ein halbes Prozent Gewinnplus gesenkt. Eine Hürde, die die Konzerne überspringen sollten, vorausgesetzt die Weltkonjunktur wird nicht zu tief in den Strudel der US-Krise gezogen. Denn der DAX bewegt sich mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von elf am unteren Rand seines langjährigen Durchschnitts (siehe Grafik Seite 18). "Selbst weitere Gewinnrevisionen nach unten würden an der günstigen Bewertung nichts ändern", urteilt die Landesbank Baden-Württemberg.
Milliarden im Mai: Bush-Konjunkturprogramm stützt Wirtschaft!
Amerikanische Haushalte dürfen sich in den kommenden Wochen über eine stattliche Extrazahlung vom Staat freuen. Möglich macht es das Konjunkturprogramm der Regierung. Über Steuerrabatte werden ab Mai mehr als 100 Milliarden Dollar an die US-Haushalte ausgeschüttet, in der ersten Tranche 46 Milliarden. Einzelpersonen sollen im Schnitt rund 600 Dollar bekommen, Ehepaare 1200 Dollar. Profiteure sind vor allem untere und mittlere Einkommensschichten. Die Extrazahlungen sollen die Konsumausgaben stützen und verschuldeten Amerikanern bei der Rückzahlung ihrer Kredite unterstützen.
Skeptiker warnen, dass angesichts der Immobilienkrise die Masse der US-Bürger die Sonderzahlung nicht investiert, sondern spart und damit das Geld der Wirtschaft entzieht. Zudem kommen Hilfsprogramme in vielen Fällen zu spät, da die politischen Entscheidungsprozesse zu langwierig sind. Der Einmaleffekt eines Konjunkturprogramms könne daher leicht wirkungslos verpuffen, sagen Kritiker. Die letzte große Hilfsaktion der US-Regierung nach dem Terrorschock im September 2001 aber machte sich bezahlt: Entgegen der Befürchtung haben die Amerikaner die Extrazahlungen in großem Umfang investiert – rund 30 Prozent innerhalb des ersten Quartals, 67 Prozent innerhalb der ersten sechs Monate, haben Experten errechnet. Eine längere Rezession blieb der US-Wirtschaft damals erspart. Profiteure des Konsumschubs waren damals vor allem Billigketten wie Wal-Mart und Costco
. Auch jetzt setzen Volkswirte auf einen positiven Effekt. "Wenn 50 bis 60 Prozent der Steuererstattungen in den Konsum investiert werden, wären das etwa 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Es geht also nicht um Peanuts", sagt Patrick Franke, US-Experte der Commerzbank.
Die Investmentbank Morgan Stanley rechnet damit, dass die amerikanische Wirtschaft im dritten Quartal dank der Finanzspritze um drei Prozent zulegen wird. Damit wäre die Rezessionsangst zumindest vorübergehend gebannt. Allerdings kann das Konjunkturprogramm nur zeitlich begrenzt stützen: "Ein nachhaltiger Aufschwung nur auf Basis eines Konjunkturprogramms ist sehr unwahrscheinlich", so US-Experte Franke. "Die Probleme des Finanzsektors, die fallenden Häuserpreise und hohe Energiekosten werden die Konjunktur in den USA weiter belasten. Kurzfristig aber stehen die Chancen gut, dass die Abwärtsspirale aufgehalten wird."
Mittelfristig ruhen die Hoffnungen darauf, dass die Zinssenkungen der amerikanischen Notenbank Wirkung zeigen. Nachdem die US-Währungshüter den Leit- zins bereits auf 2,25 Prozent gesenkt haben, wird für kommenden Mittwoch ein weiterer Zinsschnitt erwartet. Die Konsenserwartung geht von einer Senkung um nochmals 0,25 Prozent aus. Damit sollen Kredite weiter verbilligt und neues Geld in die Wirtschaft gepumpt werden.
Besser als sein Ruf: bis zu 9,0 Prozent Kursplus im Mai!
Der Mai hat unter Börsianern einen schlechten Ruf. Die gängigste Erklärung für die schwache Kursentwicklung in den Sommermonaten besagt, dass Investoren zum Jahresende Teile von Weihnachtsgeld oder Jahresbonus investieren. Im März und April locken dann die Dividendenausschüttungen an die Börse. Nach dem Auslaufen dieser Sondereffekte steigt dann die Bereitschaft, Gewinne mitzunehmen. Hinzu kommt die menschliche Neigung, mit überdurchschnittlichem Optimismus in das neue Jahr zu gehen, der dann allmählich verfliegt. Einer Tendenz, der sich offenbar auch Analysten nicht entziehen können: Eine Untersuchung von Helaba Trust zeigt, dass Gewinnschätzungen in den Sommermonaten überdurchschnittlich oft nach unten korrigiert werden, ehe dann zum Herbst die ersten Anleger auf die Jahresendrally spekulieren und die Kurse nach oben treiben.
Solche Theorien sind nachvollziehbar, aber nicht wirklich befriedigend. Bei genauerer Betrachtung der Daten fällt auf, dass die Monatswerte durch Extremwerte beeinträchtigt werden. So blieben Anlegern, die im Mai ihre Depots räumten, die Kurseinbrüche aus dem September 1998 (minus sieben Prozent in der Russland-Krise), September 2001 (minus 17 Prozent nach den Terroranschlägen auf New York und Washington) und September 2002 (minus 25 Prozent) erspart. Alle drei Ereignisse hätten sich genauso gut in einem anderen Monat ereignen können. "Die markante Outperformance der Saisonstrategie beim DAX ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass man während der gerade hierzulande dramatischen Kursverluste zwischen 2000 und 2002 nur teilweise in Aktien investiert war", heißt es bei Helaba Trust. Zudem hat der Mai auch seine guten Seiten: Seit 1965 erzielte der DAX beziehungsweise seine Vorgängerindizes in dem vermeintlichen Angstmonat in 22 von 43 Fällen eine positive Kursentwicklung. In seinem besten Jahr sogar ein Plus von neun Prozentpunkten. Sechsmal legte der deutsche Leitindex in einem Mai um mehr als fünf Prozent zu, zuletzt im vergangenen Jahr. Der Mai ist also deutlich besser als sein Ruf!
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