Dax sackt ab - EZB pumpt erneut Milliarden in den Markt
Die Krise ist unübersehbar: Zum zweiten Mal binnen 24 Stunden muss die EZB eine riesige Finanzspritze bereitstellen, um Geldengpässe zu vermeiden. Die Anleger fliehen aus Angst vor einer globalen Kreditklemme aus dem Aktienmarkt.
Frankfurt am Main - Seit den Terroranschlägen vom 11. September sind es die ersten Finanzspritzen der EZB - und die erfolgen gleich im 24-Stunden-Takt. Heute bot die Notenbank den europäischen Geldhäusern erneut Geld an, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Insgesamt 61,05 Milliarden Euro. Das Geld wurde für eine Laufzeit von drei Tagen bei einem Mindestsatz von vier Prozent angeboten. Gestern hatten die Währungshüter den Banken schon einmal 94,8 Milliarden Euro zusätzliche Liquidität in Form eines sogenannten Schnelltenders bereitgestellt. Grund war ein Geldengpass infolge der Turbulenzen an den Finanzmärkten und der US-Immobilienkrise.
DPA
Makler an der Frankfurter Börse: Extrem nervöser Handel
Zuvor hatte schon die US-Notenbank den Märkten eine Finanzspritze von 24 Milliarden Dollar zugeführt. Die Bank of Japan stellte heute dann umgerechnet rund 6,2 Milliarden Euro bereit. "Wenn sich Notenbanken rund um den Globus zu so etwas veranlasst sehen, dann ist Feuer unter dem Dach", kommentierte Händler Dirk Müller vom Brokerhaus IFC Kursmakler das Geschehen. Auch Aktienhändler Fidel Helmer von Hauck & Aufhäuser sagte: "Die Situation ist derzeit sehr brisant." Dass die EZB einen weiteren Schnelltender angekündigt habe, zeige die fehlende Liquidität im Markt. "Da werden sich gerade institutionelle Anleger als Käufer zurückhalten und sich vor dem Wochenende noch stärker absichern, was im Tagesverlauf noch deutlichere Verluste bringen könnte."
Schon am Vormittag sprachen Händler in Frankfurt von einem extrem nervösen Handel. Die Umsätze waren wie am Vortag ungewöhnlich hoch - in den ersten zwei Handelsstunden wechselten mehr als 65 Millionen Aktien den Besitzer. Das entspricht fast der Hälfte eines normalen Tagesumsatzes. Die Angst vor einer globalen Kreditklemme lässt die Anleger aus dem Aktienmarkt fliehen. Bei den Finanzwerten beschleunigte sich der Ausverkauf. Der Dax fiel gleich in den ersten Minuten des Handelstags um mehr als zwei Prozent auf 7293 Punkte, erholte sich bis zum späteren Vormittag aber auf 7346 Punkte. Die Aktien der Finanzhäuser gingen in den ersten Handelsminuten um bis zu fünf Prozent die Knie. Die Papiere von Branchenprimus Deutsche Bank notierten am späten Vormittag vier Prozent im Minus, Commerzbank verloren zeitweise fünf Prozent. Allianz büßten über zwei Prozent ein. Die Aktien des Immobilienfinanziers Hypo Real Estate fielen mehr als fünf Prozent auf ein Jahrestief. Im Vergleich zu ihren Jahreshöchstkursen haben die Finanzwerte damit zwölf bis 25 Prozent abgegeben.
"Alle bauen ihr Risiko ab", fasste IFC-Händler Müller die Lage zusammen. "Viele glauben, dass es bis zu 7000 Dax-Punkten kein Halten mehr gibt", fügte ein anderer Händler hinzu. Vereinzelt halten Börsianer auch Kursrückschläge unter den Vorjahresschluss von knapp 6600 für möglich. "Langfristig betrachtet wäre das sogar noch eine normale Korrektur", erklärte einer. Der Dax notiert derzeit zwar gut acht Prozent unter dem vor vier Wochen aufgestellten Rekordhoch von 8151 Punkten, aber immer noch 13 Prozent über Vorjahresschluss.
"FAZ": Landesbank Sachsen hat Probleme mit US-Krediten
Die Auswirkungen der Krise am US-Hypothekenmarkt sind inzwischen in ganz Europa zu spüren. Die britische Man Group verschiebt nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters ihre Pläne, erstmals einen Hedge-Fonds an die New Yorker Börse zu bringen, auf unbestimmte Zeit. In Deutschland nimmt die Finanzaufsicht Bafin im Zuge der US-Hypothekenkrise eine Fondsgesellschaft der SachsenLB unter die Lupe, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet. In Finanzkreisen heiße es, die Bafin führe mit der Landesbank derzeit Gespräche wegen deren Zweckgesellschaft Ormand Quay, für deren Liquidität die Landesbank laut Analyse der Kreditbewertungsagentur Standard & Poor's mit 17,5 Milliarden Dollar geradestehe. Ormand Quay investiert nach Angaben der Zeitung in langfristige Kreditanlagen und refinanziert sich durch kurzfristige Anleihen. Im Juni hätten 82 Prozent der Kredite aus Hypotheken bestanden. Nach Angaben der Landesbank investiere Ormand Quay allerdings nicht in die besonders risikoreichen Ausleihungen an Kunden mit geringer Kreditwürdigkeit - die eigentlichen Auslöser für die Krise. Ormand Quay sei vielmehr eine der größten Zweckgesellschaften der Welt. Dabei handelt es sich um Tochterfirmen, die eigens für bestimmte Geldgeschäfte gegründet werden.
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21 Beiträge
Neuester: Heute 13:40 Uhr
von Triakel
Neben der Frankfurter Börse starteten derweil heute auch die anderen europäischen Börsen schwach in den Handel. Der europäische Leitindex EuroStoxx 50 fiel um 1,48 Prozent auf 4.211,72 Zähler. Der Stoxx 50 , der auch Schweizer und britische Werte umfasst, sank um 1,61 Prozent auf 3.691,06 Punkte. Der Euronext 100 stand mit 1,48 Prozent auf 979,53 Zähler im Minus. In Paris verlor der CAC 40 unterdessen 1,44 Prozent auf 5.543,57 Punkte. Für den FTSE 100 ging es um 1,37 Prozent auf 6185,10 Punkte nach unten.
Finanztitel zählten vor dem Hintergrund der Kreditkrise auch außerhalb Deutschlands zu den größten Verlierern. Im Mittelpunkt standen erneut Aktien von ABN Amro Holding, die um 5,9 Prozent auf 33 Euro nachgaben. Zwischenzeitlich waren die Titel um mehr als elf Prozent auf 31,20 Euro eingebrochen. Händler begründeten die Kursverluste mit Befürchtungen, wonach die geplante Übernahme der niederländischen Bank an Problemen bei der Finanzierung von Krediten scheitern könnte. So könnte Fortis die zur Finanzierung geplante Ausgabe von Anleihen im Wert von zwei Milliarden Euro "etwas verschieben", sagte Finanzvorstand Gilbert Mittler der Wirtschaftszeitung "Financieele Dagblad". Die belgische Bank plant zusammen mit der schottischen Royal Bank of Scotland (RBoS) und der spanischen Banco Santander (BSCH) die Übernahme von ABN Amro. Ein anderer Börsianer verwies auf vage Spekulationen, wonach auch Barclays sein Übernahmeangebot für ABN Amro wegen Finanzierungsschwierigkeiten zurückzieht. Die britische Bank hat aber derartige Gerüchte derweil dementiert.
ase/AFP/dpa-AFX/dpa/Reuters
Die Krise ist unübersehbar: Zum zweiten Mal binnen 24 Stunden muss die EZB eine riesige Finanzspritze bereitstellen, um Geldengpässe zu vermeiden. Die Anleger fliehen aus Angst vor einer globalen Kreditklemme aus dem Aktienmarkt.
Frankfurt am Main - Seit den Terroranschlägen vom 11. September sind es die ersten Finanzspritzen der EZB - und die erfolgen gleich im 24-Stunden-Takt. Heute bot die Notenbank den europäischen Geldhäusern erneut Geld an, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Insgesamt 61,05 Milliarden Euro. Das Geld wurde für eine Laufzeit von drei Tagen bei einem Mindestsatz von vier Prozent angeboten. Gestern hatten die Währungshüter den Banken schon einmal 94,8 Milliarden Euro zusätzliche Liquidität in Form eines sogenannten Schnelltenders bereitgestellt. Grund war ein Geldengpass infolge der Turbulenzen an den Finanzmärkten und der US-Immobilienkrise.
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Makler an der Frankfurter Börse: Extrem nervöser Handel
Zuvor hatte schon die US-Notenbank den Märkten eine Finanzspritze von 24 Milliarden Dollar zugeführt. Die Bank of Japan stellte heute dann umgerechnet rund 6,2 Milliarden Euro bereit. "Wenn sich Notenbanken rund um den Globus zu so etwas veranlasst sehen, dann ist Feuer unter dem Dach", kommentierte Händler Dirk Müller vom Brokerhaus IFC Kursmakler das Geschehen. Auch Aktienhändler Fidel Helmer von Hauck & Aufhäuser sagte: "Die Situation ist derzeit sehr brisant." Dass die EZB einen weiteren Schnelltender angekündigt habe, zeige die fehlende Liquidität im Markt. "Da werden sich gerade institutionelle Anleger als Käufer zurückhalten und sich vor dem Wochenende noch stärker absichern, was im Tagesverlauf noch deutlichere Verluste bringen könnte."
Schon am Vormittag sprachen Händler in Frankfurt von einem extrem nervösen Handel. Die Umsätze waren wie am Vortag ungewöhnlich hoch - in den ersten zwei Handelsstunden wechselten mehr als 65 Millionen Aktien den Besitzer. Das entspricht fast der Hälfte eines normalen Tagesumsatzes. Die Angst vor einer globalen Kreditklemme lässt die Anleger aus dem Aktienmarkt fliehen. Bei den Finanzwerten beschleunigte sich der Ausverkauf. Der Dax fiel gleich in den ersten Minuten des Handelstags um mehr als zwei Prozent auf 7293 Punkte, erholte sich bis zum späteren Vormittag aber auf 7346 Punkte. Die Aktien der Finanzhäuser gingen in den ersten Handelsminuten um bis zu fünf Prozent die Knie. Die Papiere von Branchenprimus Deutsche Bank notierten am späten Vormittag vier Prozent im Minus, Commerzbank verloren zeitweise fünf Prozent. Allianz büßten über zwei Prozent ein. Die Aktien des Immobilienfinanziers Hypo Real Estate fielen mehr als fünf Prozent auf ein Jahrestief. Im Vergleich zu ihren Jahreshöchstkursen haben die Finanzwerte damit zwölf bis 25 Prozent abgegeben.
"Alle bauen ihr Risiko ab", fasste IFC-Händler Müller die Lage zusammen. "Viele glauben, dass es bis zu 7000 Dax-Punkten kein Halten mehr gibt", fügte ein anderer Händler hinzu. Vereinzelt halten Börsianer auch Kursrückschläge unter den Vorjahresschluss von knapp 6600 für möglich. "Langfristig betrachtet wäre das sogar noch eine normale Korrektur", erklärte einer. Der Dax notiert derzeit zwar gut acht Prozent unter dem vor vier Wochen aufgestellten Rekordhoch von 8151 Punkten, aber immer noch 13 Prozent über Vorjahresschluss.
"FAZ": Landesbank Sachsen hat Probleme mit US-Krediten
Die Auswirkungen der Krise am US-Hypothekenmarkt sind inzwischen in ganz Europa zu spüren. Die britische Man Group verschiebt nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters ihre Pläne, erstmals einen Hedge-Fonds an die New Yorker Börse zu bringen, auf unbestimmte Zeit. In Deutschland nimmt die Finanzaufsicht Bafin im Zuge der US-Hypothekenkrise eine Fondsgesellschaft der SachsenLB unter die Lupe, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet. In Finanzkreisen heiße es, die Bafin führe mit der Landesbank derzeit Gespräche wegen deren Zweckgesellschaft Ormand Quay, für deren Liquidität die Landesbank laut Analyse der Kreditbewertungsagentur Standard & Poor's mit 17,5 Milliarden Dollar geradestehe. Ormand Quay investiert nach Angaben der Zeitung in langfristige Kreditanlagen und refinanziert sich durch kurzfristige Anleihen. Im Juni hätten 82 Prozent der Kredite aus Hypotheken bestanden. Nach Angaben der Landesbank investiere Ormand Quay allerdings nicht in die besonders risikoreichen Ausleihungen an Kunden mit geringer Kreditwürdigkeit - die eigentlichen Auslöser für die Krise. Ormand Quay sei vielmehr eine der größten Zweckgesellschaften der Welt. Dabei handelt es sich um Tochterfirmen, die eigens für bestimmte Geldgeschäfte gegründet werden.
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von Triakel
Neben der Frankfurter Börse starteten derweil heute auch die anderen europäischen Börsen schwach in den Handel. Der europäische Leitindex EuroStoxx 50 fiel um 1,48 Prozent auf 4.211,72 Zähler. Der Stoxx 50 , der auch Schweizer und britische Werte umfasst, sank um 1,61 Prozent auf 3.691,06 Punkte. Der Euronext 100 stand mit 1,48 Prozent auf 979,53 Zähler im Minus. In Paris verlor der CAC 40 unterdessen 1,44 Prozent auf 5.543,57 Punkte. Für den FTSE 100 ging es um 1,37 Prozent auf 6185,10 Punkte nach unten.
Finanztitel zählten vor dem Hintergrund der Kreditkrise auch außerhalb Deutschlands zu den größten Verlierern. Im Mittelpunkt standen erneut Aktien von ABN Amro Holding, die um 5,9 Prozent auf 33 Euro nachgaben. Zwischenzeitlich waren die Titel um mehr als elf Prozent auf 31,20 Euro eingebrochen. Händler begründeten die Kursverluste mit Befürchtungen, wonach die geplante Übernahme der niederländischen Bank an Problemen bei der Finanzierung von Krediten scheitern könnte. So könnte Fortis die zur Finanzierung geplante Ausgabe von Anleihen im Wert von zwei Milliarden Euro "etwas verschieben", sagte Finanzvorstand Gilbert Mittler der Wirtschaftszeitung "Financieele Dagblad". Die belgische Bank plant zusammen mit der schottischen Royal Bank of Scotland (RBoS) und der spanischen Banco Santander (BSCH) die Übernahme von ABN Amro. Ein anderer Börsianer verwies auf vage Spekulationen, wonach auch Barclays sein Übernahmeangebot für ABN Amro wegen Finanzierungsschwierigkeiten zurückzieht. Die britische Bank hat aber derartige Gerüchte derweil dementiert.
ase/AFP/dpa-AFX/dpa/Reuters