Offshore-Windkraft
Das schwierige Geschäft mit dem Ökostrom aus Seeluft
Die Premiere hat geklappt. Ende August wurde rund 20 Kilometer vor der schottischen Ostküste, nördlich von Aberdeen, das bisher leistungsstärkste Offshore-Windrad installiert. Doch das ist nur eine von drei Besonderheiten, mit der die von der Hamburger Repower AG gebaute Fünf-Megawatt-Anlage (5M) von sich reden macht. Nie zuvor hat man ein Windrad in so tiefem Wasser gegründet.
Dort, wo man die Anlage auf eine 900 Tonnen schwere, vierbeinige Stahlgitterkonstruktion stellte, ist das Wasser 43 Meter tief. Und nie zuvor hat man ein Offshore-Windrad an Land vollständig zusammengebaut, um es dann „am Stück“ mit einem Schwimmkran aufs Meer hinaus zu transportieren und mit hydraulischen Winden auf den vormontierten Sockel zu setzen.
Windstrom wird über Plattform an Land weitergeleitet
Diese „Komplettmontage“ verspricht Kostenvorteile, sind doch Arbeiten auf See rund fünfmal teurer als an Land. Doch wie das schottische Offshore-Projekt Beatrice zeigt, bei dem man den gewonnenen Windstrom über die in Sichtweite stehende, in die Jahre gekommene Ölförderplattform Beatrice Alpha an Land leiten will, birgt sie auch Risiken. Denn der Schwimmkran kann nur bei ruhiger See eingesetzt werden.
Anfang September, als das zweite vormontierte Beatrice-Windrad aufgestellt werden sollte, war es zu stürmisch. Das Wetter beruhigte sich zwar wieder, aber da war der Kran dann anderswo unter Vertrag. Daher wird die zweite Anlage aller Voraussicht nach erst nach den kommenden Frühjahrsstürmen aufgestellt und ans Netz gehen können. Tausende Kilowattstunden, für die der Betreiber (Talisman Energy) je 13 Cent und damit deutlich mehr als in Deutschland bekommen würde, können nicht eingefahren werden.
Offshore-Windparks rechnen sich nur bei Sturmtagen
Ob die schottische Sparmethode bei der „Bestückung“ deutscher Offshore-Windparks eine Chance erhält, ist fraglich. Die Gründungsexperten der Baukonzerne Bilfinger Berger, Hochtief und Züblin rechnen damit, daß man bei den deutlich größeren Entfernungen zur Küste Hunderte Windräder (wie geplant) zu überschaubaren Kosten nur wird aufstellen können, wenn - bis auf extreme Sturmtage - das ganze Jahr gearbeitet werden kann. Dazu braucht man große, schwimmfähige Hubinseln, die auf dem Meeresboden abgestellt werden. Darauf werden die zum Gründen und Montieren notwendigen Geräte installiert. Und hier werden die Montagetrupps für einige Zeit leben, so daß sie nicht tagtäglich hin- und hergebracht werden müssen.
Um wieviel einfacher man es sich in anderen Ländern macht, zeigen die momentan laufenden Gründungsarbeiten des schwedischen Offshore-Windparks Lillgrund im Öresund, unmittelbar vor der Küste von Malmö. Hier werden 48 Windräder und eine Trafostation auf Schwergewichtsfundamente gestellt, die in das an dieser Stelle elf Meter tiefe Wasser absenkt werden. Was dabei zählt, ist schiere Masse. Jeder der von Hochtief in Polen direkt auf einem Schwimmponton gefertigten massigen Stahlbetonstempel wiegt 1400 Tonnen. Das Absetzen übernimmt ein für diese Aufgabe eigens gebauter Spezialkran.
Meßplattformen ermitteln Daten über Windangebot
Vergleichbare Projekte sucht man in Deutschland vergeblich. Aus den hoch angesetzten Offshore-Windradträumen ist bisher nichts geworden. Das liegt wesentlich daran, daß sich bei den küstenfernen deutschen Standorten - wenn überhaupt - nur leistungsstarke Windräder bezahlt machen. Davon gibt es erst Prototypen und erste Testanlagen. Bis auf die von Repower in der schottischen See aufgestellte 5M-Anlage dreht sich keine dieser Windmühlen unter realitätsnahen Bedingungen.
In den für den Bau von Windparks ausgemachten Zonen vor der deutschen Küste wurden bisher lediglich ein halbes Dutzend Meßplattformen errichtet, die, vollgepackt mit elektronischem Gerät, möglichst genaue Daten über das Windangebot auf See ermitteln sollen. Auch über die Beanspruchung der Masten durch ständig aufprallende Wellen ist noch mehr in Erfahrung zu bringen. Seit Frühjahr 2005 sammelt nordwestlich von Helgoland der Meßpfahl „Amrumbank West“ Daten, nicht weit davon sind zwölf Windräder in Deutschlands erstem (vor einigen Tagen für 2008 in Aussicht gestellten) Forschungs-Offshore-Windpark „Borkum West“ geplant.
Präzisere Berechnung der Gründungskonstruktion
Mit Hilfe der vom Meßpfahl gesammelten Daten sollen die Dimensionierung der Gründungskonstruktionen noch präziser berechnet werden. Der knapp 300 Tonnen schwere Meßmast ragt 90 Meter über die Wasseroberfläche hinaus. Er steht auf einem Rammpfahl, der oben zwei und am unteren Ende 3,5 Meter stark ist. Auch die für „Borkum West“ vorgesehenen Windräder der Fünf-Megawatt-Klasse lassen sich auf Rammpfähle setzen. Deren Durchmesser lägen dann bei sieben Meter.
Noch dicker geht nicht, denn größere „Rammbären“ (Schlaggeräte, mit denen Pfähle in den Boden getrieben werden) gibt es nicht. Werden noch mächtigere Fundamente benötigt, heißt es, die Strukturen aufzulösen und Jacketkonstruktionen wie bei der Gründung der Fünf-Megawatt-Anlage vor Schottland einzusetzen. Oder man wählt Schwergewichtslösungen, für die es so gut wie keine Größenbegrenzung gibt. Beispiele dafür sind die Pfeiler der größten Brücken der Welt. Sie ruhen auf gigantischen, auf den Meeresboden gestellen Betonquadern.
Windräder größer als der Kölner Dom
Techniker trauen sich zu, die enormen Herausforderungen beim Aufstellen von 160 Meter hohen Windrädern (Kölner Dom: 157 Meter) weit vor der Küste, deren Flügel die Fläche von zwei Fußballfeldern überstreichen, in den Griff zu bekommen. Doch ob sich das ökonomisch und ökologisch lohnt, wird sehr unterschiedlich bewertet. Die Meinungen gehen wild durcheinander. So hat das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) ermittelt, daß es durch den Betrieb der deutschen Windräder derzeit zu Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro kommt.
Begründet wird das mit sinkenden Großhandelspreisen an der Leipziger Strombörse aufgrund eines steigenden Windstromangebots. Zu einem anderen Schluß kommt eine Studie aus dem vergangenen Jahr, an dem Wissenschaftler der Universität Hamburg maßgeblich mitgearbeitet haben. Sie errechneten Kohlendioxyd-Vermeidungskosten durch die geplanten Offshore-Windkraftnutzung von rund 400 Euro je Tonne. Das könne man deutlich billiger haben, wenn man das in der konventionellen Kraftwerkstechnik steckende Effizenzpotential nutzen würde. Die Vermeidungskosten lägen dann zwischen 15 und 42 Euro je Tonne Kohlendioxyd.
Quelle: faz.net
Euer
Einsamer Samariter
Das schwierige Geschäft mit dem Ökostrom aus Seeluft
Die Premiere hat geklappt. Ende August wurde rund 20 Kilometer vor der schottischen Ostküste, nördlich von Aberdeen, das bisher leistungsstärkste Offshore-Windrad installiert. Doch das ist nur eine von drei Besonderheiten, mit der die von der Hamburger Repower AG gebaute Fünf-Megawatt-Anlage (5M) von sich reden macht. Nie zuvor hat man ein Windrad in so tiefem Wasser gegründet.
Dort, wo man die Anlage auf eine 900 Tonnen schwere, vierbeinige Stahlgitterkonstruktion stellte, ist das Wasser 43 Meter tief. Und nie zuvor hat man ein Offshore-Windrad an Land vollständig zusammengebaut, um es dann „am Stück“ mit einem Schwimmkran aufs Meer hinaus zu transportieren und mit hydraulischen Winden auf den vormontierten Sockel zu setzen.
Windstrom wird über Plattform an Land weitergeleitet
Diese „Komplettmontage“ verspricht Kostenvorteile, sind doch Arbeiten auf See rund fünfmal teurer als an Land. Doch wie das schottische Offshore-Projekt Beatrice zeigt, bei dem man den gewonnenen Windstrom über die in Sichtweite stehende, in die Jahre gekommene Ölförderplattform Beatrice Alpha an Land leiten will, birgt sie auch Risiken. Denn der Schwimmkran kann nur bei ruhiger See eingesetzt werden.
Anfang September, als das zweite vormontierte Beatrice-Windrad aufgestellt werden sollte, war es zu stürmisch. Das Wetter beruhigte sich zwar wieder, aber da war der Kran dann anderswo unter Vertrag. Daher wird die zweite Anlage aller Voraussicht nach erst nach den kommenden Frühjahrsstürmen aufgestellt und ans Netz gehen können. Tausende Kilowattstunden, für die der Betreiber (Talisman Energy) je 13 Cent und damit deutlich mehr als in Deutschland bekommen würde, können nicht eingefahren werden.
Offshore-Windparks rechnen sich nur bei Sturmtagen
Ob die schottische Sparmethode bei der „Bestückung“ deutscher Offshore-Windparks eine Chance erhält, ist fraglich. Die Gründungsexperten der Baukonzerne Bilfinger Berger, Hochtief und Züblin rechnen damit, daß man bei den deutlich größeren Entfernungen zur Küste Hunderte Windräder (wie geplant) zu überschaubaren Kosten nur wird aufstellen können, wenn - bis auf extreme Sturmtage - das ganze Jahr gearbeitet werden kann. Dazu braucht man große, schwimmfähige Hubinseln, die auf dem Meeresboden abgestellt werden. Darauf werden die zum Gründen und Montieren notwendigen Geräte installiert. Und hier werden die Montagetrupps für einige Zeit leben, so daß sie nicht tagtäglich hin- und hergebracht werden müssen.
Um wieviel einfacher man es sich in anderen Ländern macht, zeigen die momentan laufenden Gründungsarbeiten des schwedischen Offshore-Windparks Lillgrund im Öresund, unmittelbar vor der Küste von Malmö. Hier werden 48 Windräder und eine Trafostation auf Schwergewichtsfundamente gestellt, die in das an dieser Stelle elf Meter tiefe Wasser absenkt werden. Was dabei zählt, ist schiere Masse. Jeder der von Hochtief in Polen direkt auf einem Schwimmponton gefertigten massigen Stahlbetonstempel wiegt 1400 Tonnen. Das Absetzen übernimmt ein für diese Aufgabe eigens gebauter Spezialkran.
Meßplattformen ermitteln Daten über Windangebot
Vergleichbare Projekte sucht man in Deutschland vergeblich. Aus den hoch angesetzten Offshore-Windradträumen ist bisher nichts geworden. Das liegt wesentlich daran, daß sich bei den küstenfernen deutschen Standorten - wenn überhaupt - nur leistungsstarke Windräder bezahlt machen. Davon gibt es erst Prototypen und erste Testanlagen. Bis auf die von Repower in der schottischen See aufgestellte 5M-Anlage dreht sich keine dieser Windmühlen unter realitätsnahen Bedingungen.
In den für den Bau von Windparks ausgemachten Zonen vor der deutschen Küste wurden bisher lediglich ein halbes Dutzend Meßplattformen errichtet, die, vollgepackt mit elektronischem Gerät, möglichst genaue Daten über das Windangebot auf See ermitteln sollen. Auch über die Beanspruchung der Masten durch ständig aufprallende Wellen ist noch mehr in Erfahrung zu bringen. Seit Frühjahr 2005 sammelt nordwestlich von Helgoland der Meßpfahl „Amrumbank West“ Daten, nicht weit davon sind zwölf Windräder in Deutschlands erstem (vor einigen Tagen für 2008 in Aussicht gestellten) Forschungs-Offshore-Windpark „Borkum West“ geplant.
Präzisere Berechnung der Gründungskonstruktion
Mit Hilfe der vom Meßpfahl gesammelten Daten sollen die Dimensionierung der Gründungskonstruktionen noch präziser berechnet werden. Der knapp 300 Tonnen schwere Meßmast ragt 90 Meter über die Wasseroberfläche hinaus. Er steht auf einem Rammpfahl, der oben zwei und am unteren Ende 3,5 Meter stark ist. Auch die für „Borkum West“ vorgesehenen Windräder der Fünf-Megawatt-Klasse lassen sich auf Rammpfähle setzen. Deren Durchmesser lägen dann bei sieben Meter.
Noch dicker geht nicht, denn größere „Rammbären“ (Schlaggeräte, mit denen Pfähle in den Boden getrieben werden) gibt es nicht. Werden noch mächtigere Fundamente benötigt, heißt es, die Strukturen aufzulösen und Jacketkonstruktionen wie bei der Gründung der Fünf-Megawatt-Anlage vor Schottland einzusetzen. Oder man wählt Schwergewichtslösungen, für die es so gut wie keine Größenbegrenzung gibt. Beispiele dafür sind die Pfeiler der größten Brücken der Welt. Sie ruhen auf gigantischen, auf den Meeresboden gestellen Betonquadern.
Windräder größer als der Kölner Dom
Techniker trauen sich zu, die enormen Herausforderungen beim Aufstellen von 160 Meter hohen Windrädern (Kölner Dom: 157 Meter) weit vor der Küste, deren Flügel die Fläche von zwei Fußballfeldern überstreichen, in den Griff zu bekommen. Doch ob sich das ökonomisch und ökologisch lohnt, wird sehr unterschiedlich bewertet. Die Meinungen gehen wild durcheinander. So hat das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) ermittelt, daß es durch den Betrieb der deutschen Windräder derzeit zu Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro kommt.
Begründet wird das mit sinkenden Großhandelspreisen an der Leipziger Strombörse aufgrund eines steigenden Windstromangebots. Zu einem anderen Schluß kommt eine Studie aus dem vergangenen Jahr, an dem Wissenschaftler der Universität Hamburg maßgeblich mitgearbeitet haben. Sie errechneten Kohlendioxyd-Vermeidungskosten durch die geplanten Offshore-Windkraftnutzung von rund 400 Euro je Tonne. Das könne man deutlich billiger haben, wenn man das in der konventionellen Kraftwerkstechnik steckende Effizenzpotential nutzen würde. Die Vermeidungskosten lägen dann zwischen 15 und 42 Euro je Tonne Kohlendioxyd.
Quelle: faz.net
Euer
Einsamer Samariter