Saftige Abfindung
Im laufenden Jahr dürften 15 bis 20 Firmen durch Übernahmen vom Neuen Markt verschwinden.
Auch wenn der Neue Markt derzeit kaum zum Jubeln einlädt, so gibt es dennoch einige sehr interessante Entwicklungen, die wir uns einmal etwas genauer anschauen sollten:
So gab vor einigen Tagen der Leiter des Bereichs Fusionen und Übernahmen Deutschland bei der Commerzbank, Gerrit Raupach, in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung an, dass seiner Einschätzung nach ein Drittel der Unternehmen, die am Neuen Markt notieren, offen für Übernahmen sei und zumindest "lockere Gespräche" führe. Gerade im Mittelstand sei die Bereitschaft gewachsen, Firmen zu verkaufen.
Während viele Manager vor einem Jahr noch an einen Aufschwung geglaubt hätten, wären viele nun so weit zermürbt, dass sie Kaufangebote nicht mehr abwehren würden.
Doch leider gerät nicht jede Firma automatisch ins Visier der Aufkäufer, nur weil sie am Neuen Markt gelistet ist. Im Fokus stehen vor allem Unternehmen, die profitabel arbeiten, eine glaubhafte Geschäftsstrategie vertreten und zukunftsfähige, attraktive Produkte im Angebot haben.
Träume, Wünsche, Absichten zählen hier wenig, gefragt ist eine gesunde Bilanz und ein fähiges Betriebsmanagement. Dies trifft auch auf Unternehmen zu, die im Nemax 50 notieren.
Allein die Zugehörigkeit zum "Edelsegment" bietet also nach Überzeugung der Aufkäufer noch keinen hinreichenden Vertrauensvorschuss.
Nach meiner Schätzung dürften im laufenden Jahr 15 bis 20 Firmen durch Übernahmen vom Neuen Markt verschwinden. Ihre Aussichten als eigenständige Gesellschaften zu existieren sind einfach zu gering. Auf besonderes Interesse dürften dabei die Biotechnologieunternehmen stoßen. Sie geraten mehr und mehr ins Visier großer Pharmagesellschaften, die den Einstieg in das Zeitalter der Biotechnologie schlichtweg verschlafen haben; und davon gibt es eine ganze Reihe.
Auch der zunehmende Druck auf die Pharmabranche, immer effektivere Medikamente in immer kürzeren Zeitabständen auf den Markt zu bringen, spielt den Biotechnologieunternehmen in die Hände. Dabei sind für die Pharmafirmen die Biotechgesellschaften wahre Schnäppchen.
Viele Biotechs notieren an der Börse nämlich mittlerweile unter ihren Liquiditätsreserven, haben hochinteressante Produkte in der Pipeline und sind hervorragend in der Forschungsszene vernetzt. Im Gegensatz zu uns Aktionären, die sich stets über fallende Aktienkurse beschweren, denken Pharmaunternehmen nämlich strategisch - sie freuen sich über die niedrigen Kurse und nutzen diese zu Übernahmen.
Und auf noch einen Punkt möchte ich zum Schluss hinweisen. Der Trend bei den Übernahmen geht eindeutig in die Richtung, dass große bekannte und etablierte Gesellschaften aus der so genannten Old Economy die Aufkäufer sind.
Dagegen kann man nur selten eine Fusion zwischen Unternehmen beobachten, die beide aus dem noch jungen Wachstumssegment stammen. Ausnahmen gibt es hier zwar - so zum Beispiel die Fusion zwischen Tomorrow Internet und Focus Digital oder die zwischen Kontron und Jumptec - doch sie sind eindeutig in der Minderheit. Für uns Aktionäre bleibt also der Trost, dass wir uns nach den katastrophalen Kursverlusten wenigsten auf eine saftige Abfindung freuen können.
Ihr
Bernd Förtsch