Das klägliche Ende des Hamburger Turbo-Nemax

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Slater:

Das klägliche Ende des Hamburger Turbo-Nemax

 
28.11.02 09:39
Von Thomas Hillenbrand

Nicht nur am Frankfurter Neuen Markt gab es während der Börsenhausse unappetitliche Deals. Die Hamburger Wertpapierbörse ließ sich auf dem Höhepunkt des Booms von einer dubiosen Investor-Relations-Firma einspannen und bot Privatanlegern Papiere von höchst zweifelhafter Qualität an.


Hamburg - An einige seiner Aktienkäufe erinnert sich Frank Gagel nur ungern. Auf Chatboards im Internet hatte er vor gut zweieinhalb Jahren Aktienanalysen der Analysten von stockreporter.de gelesen. Die priesen hochspekulative Werte als erstklassige Investments an. "Ich habe damals einen Haufen Geld in den Sand gesetzt", meint Gagel heute, "und viel Lehrgeld bezahlt.
Klingt wie ein typisches Neuer-Markt-Histörchen. Ist es aber nicht. Gagel und viele andere Anleger haben ihr Geld nicht an der Frankfurter Börse oder an der New Yorker Nasdaq verloren. Sondern an der altehrwürdigen Hanseatischen Wertpapierbörse zu Hamburg

Die Geschichte beginnt irgendwann während des größten Börsenbooms, den Deutschland je erlebt hat. Neidisch schielten die Manager der kleinen Hamburger Börse Richtung Main, wo die ungleich größere Deutsche Börse mit ihrem Wachstumssegment Neuer Markt richtig Geld scheffelte. So etwas wollte man in Hamburg auch. Etwas richtig Heißes.

Am 10. März 2000, dem Tag, als der Nemax seinen Zenit von 8583,34 erreichte, eröffnete die Hamburger Börse ihr neues Segment, den High Risk Market (HRM). Der HRM sollte so eine Art Turbo-Nemax sein - eine Nische für alle jene, denen der Neue Markt zu dröge war, mit seinen aus Sicht echter Zocker läppischen Renditen von um die 100 Prozent.

maxperforma.:

hier der ganze Artikel

 
28.11.02 09:48
BÖRSENSÜNDEN

Das klägliche Ende des Hamburger Turbo-Nemax

Von Thomas Hillenbrand

Nicht nur am Frankfurter Neuen Markt gab es während der Börsenhausse unappetitliche Deals. Die Hamburger Wertpapierbörse ließ sich auf dem Höhepunkt des Booms von einer dubiosen Investor-Relations-Firma einspannen und bot Privatanlegern Papiere von höchst zweifelhafter Qualität an.

 
Webseite des High Risk Markets: Dubiose Vermischung von Interessen


Hamburg - An einige seiner Aktienkäufe erinnert sich Frank Gagel nur ungern. Auf Chatboards im Internet hatte er vor gut zweieinhalb Jahren Aktienanalysen der Analysten von stockreporter.de gelesen. Die priesen hochspekulative Werte als erstklassige Investments an. "Ich habe damals einen Haufen Geld in den Sand gesetzt", meint Gagel heute, "und viel Lehrgeld bezahlt.
Klingt wie ein typisches Neuer-Markt-Histörchen. Ist es aber nicht. Gagel und viele andere Anleger haben ihr Geld nicht an der Frankfurter Börse oder an der New Yorker Nasdaq verloren. Sondern an der altehrwürdigen Hanseatischen Wertpapierbörse zu Hamburg

Die Geschichte beginnt irgendwann während des größten Börsenbooms, den Deutschland je erlebt hat. Neidisch schielten die Manager der kleinen Hamburger Börse Richtung Main, wo die ungleich größere Deutsche Börse mit ihrem Wachstumssegment Neuer Markt richtig Geld scheffelte. So etwas wollte man in Hamburg auch. Etwas richtig Heißes.

Am 10. März 2000, dem Tag, als der Nemax seinen Zenit von 8583,34 erreichte, eröffnete die Hamburger Börse ihr neues Segment, den High Risk Market (HRM). Der HRM sollte so eine Art Turbo-Nemax sein - eine Nische für alle jene, denen der Neue Markt zu dröge war, mit seinen aus Sicht echter Zocker läppischen Renditen von um die 100 Prozent.

Willkommen in der Holzklasse

Am HRM wurden nur US-Aktien von Kleinstunternehmen, so genannten Microcaps, zweitgelistet. Die sind in den Vereinigten Staaten am Bulletin Board der Nasdaq notiert. Das Bulletin Board ist eine Art Holzklasse der Börse. Das Handelsvolumen ist Glückssache, Anforderungen an die notierten Unternehmen, durch die unsaubere Geschäftspraktiken oder Bilanzbetrügereien verhindert werden könnten, gibt es so gut wie keine.

Von entsprechender Qualität waren denn auch viele der Papiere, die in Hamburg gelistet wurden. "Dagegen sind viele Neue-Markt-Werte Standardaktien" meint Christian Kalischer, der als so genannter Skontroführer des Börsenmaklers Fairtrade Finance den HRM betreut.

Da ist zum Beispiel das texanische Energieunternehmen Adair International. Die Firma hatte nach eigenen Angaben Anfang 2000 zahlreiche Gas- und Ölprojekte mit einem Gesamtvolumen von 500 Millionen Dollar in Planung - bei einem Kassenbetrag von damals etwa 80.000 Dollar. Weitere bescheidene Finanzmittel erhielt das Unternehmen laut Pressemitteilungen nur von mysteriösen Instituten wie der MFG Ltd. Commercial Bancorp, auf die sich nirgendwo, nicht mal in der riesigen Finanzdatenbank Bloomberg, Hinweise finden lassen.

Inzwischen sind Gründer John Adair und sein Finanzchef Jalal Alghani mit sämtlichen Unterlagen und Aufzeichnungen durchgebrannt. Der neue Vorstand besaß bei Amtsantritt nicht einmal einen Schlüssel zu den Firmenräumen. "Das Unternehmen", heißt es trocken im jüngsten Bericht des Managements an die US Börsenaufsicht SEC, "verfügt derzeit nur über nominale Cash-Reserven und hat keinen Cashflow aus laufenden Geschäften".

Ähnlich verhält es sich mit den meisten HRM-Aktien. Viele Werte, so Kalischer von Fairtrade, seien "tote Schafe".

Ohne Netz und Leine

Die Hamburger Börse schaute bei der Auswahl der Werte seinerzeit wohl nicht so genau hin. Nicht einmal die einzeiligen Beschreibungen der gelisteten Unternehmen auf der HRM-Webseite sind korrekt. So wird etwa die International Fast Food Corporation als "Lizenznehmer für Burger King" in Polen beschrieben. Tatsächlich hat das Unternehmen seine Verträge mit Burger King bereits vor längerer Zeit gelöst. Auch die Bezeichnung "Restaurantkette" für das Unternehmen Eat at Joe's Ltd. ist eher irreführend, schließlich besaß die Minifirma im dritten Quartal 2002 gerade mal ein Restaurant.

Kay Homann, stellvertretender Geschäftsführer der Hamburger Börse und Mitinitiator des HRM, sieht da kein größeres Problem. Schließlich könne jeder interessierte Anleger die Finanzberichte der Unternehmen auf der Webseite der SEC einsehen.

Das stimmt. Nur hat die Hamburger Börse den Anlegern seinerzeit eine wichtige Information vorenthalten: Dass es bei der Auswahl der 24 HRM-Werte eklatante Interessenkonflikte gab.

Die Pusher von der Waterkant

"Zusammen mit den Analysten der World of Internet.com AG, und der Börsenmakler Schnigge AG, Niederlassung Berlin, hat die Hamburger Börse die geeigneten Unternehmen ausgewählt", schrieb das "Handelsblatt" im März 2000 über den HRM.

Bei den "Analysten" von World of Internet.com (WoI) handelte es sich jedoch nicht um unabhängige Berater. WoI war ein von zwei jungen Norddeutschen gegründetes PR-Unternehmen, das ein lukratives Geschäftsmodell entwickelt hatte: WoI rührte in Europa, wo den Anlegern während des Booms keine Aktie zu heiß war und sich für alles ein Käufer fand, die Werbetrommel für amerikanische Kleinstunternehmen - eben jene "Microcaps", die in Hamburg notiert werden sollten.

Auf ihrer Webseite stockreporter.de veröffentlichten die WoI-Chefs Torsten Prochnow und Dennis Hass laut einer ANklageschrift der US-Börsenaufsicht SEC im Auftrag der von Ihnen betreuten Unternehmen Aktienanalysen. Das Urteil der Selfmade-Analysten lautete in der Regel "Kaufen".

Dass WoI für die Erstellung der Analysen von den Unternehmen bezahlt wurde, hängten die Jungs aus Timmendorf lieber nicht an die große Glocke. Die Stockreporter-Studien basierten, wie man im Kleingedruckten nachlesen konnte "im allgemeinen" auf Informationen, die von den vorgestellten Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden. In den Berichten "können aber auch Informationen aus unabhängigen Quellen enthalten sein".

Prochnow und Hass kam das neue Segment der Hamburger Börse als Sales-Promotion-Maschine gerade recht. So zahlte etwa das Unternehmen Rhombic nach Recherchen des "Wall Street Journal" im März 2000 an WoI 18.000 Dollar für ein "Paket mit Investor-Relations-Dienstleistungen". Zu dem Deal habe neben mehreren Analysen auf stockreporter.de auch ein Listing an der Hamburger Börse gehört.
Slater:

oh shit

 
28.11.02 09:49
maxperforma.:

@slater gerne hier Teil 2

 
28.11.02 09:51
Das klägliche Ende des dubiosen Turbo-Nemax (2)


Die Schnigge-Connection

Als bekannt wurde, dass Rhombic in Hamburg notiert werden würde, hob die Aktie an der Nasdaq ab. Im August 2000 wechselten in Hamburg täglich etwa 200.000 Rhombic-Aktien den Besitzer, doppelt so viele wie in den USA. "Seltsam, oder?", freute sich seinerzeit Rhombic-Sprecher Larry Horowitz, "Die Deutschen verstehen unser Unternehmen besser als die Anleger in den USA."

Heute notiert Rhombic in Hamburg bei fünf Cent - und selbst dabei handelt es sich um eine so genannte Börsentaxe, einen vom Makler mangels tatsächlichen Handels geschätzten Kurs. Das Unternehmen, das neue Patente zur Marktreife bringen will, hat laut einem bei der US-Börsenaufsicht eingereichten Papier bis heute "aus seinem geistigen Eigentum noch keine Umsätze generiert. (...) Das Unternehmen sieht sich außer Stande, ein ungefähres Datum für eine kommerzielle Verwertung seines geistigen Eigentums ... zu nennen."

Ein Problem für Prochnow und Hass war, dass sie keine Marktteilnehmer an der Hamburger Börse waren - nur die dürfen einen Wert für den Handel vorschlagen. Ein bedeutender Teil der Vorschläge kam damals von Klaus Pinkernell, der für den Makler Schnigge an der Auswahl der HRM-Aktien beteiligt war. Pinkernell nahm die Anregungen von Prochnow und Hass gerne auf. "Die haben mir Vorschläge gemacht", so Pinkernell, "und ich hatte da nichts dagegen." Kein Wunder: Pinkernell saß seinerzeit im Aufsichtsrat von WoI.

Geld hat Pinkernell nach eigenen Angaben von Prochnow und Hass für seine Dienste nicht bekommen. Lediglich für seine Aufsichtratstätigkeit habe er eine Vergütung erhalten. Auch habe er sein Insiderwissen um die bevorstehende Notierung bestimmter Microcaps in Hamburg nicht für sich ausgenutzt.


Dem Börsenmakler Schnigge waren die Interessenkonflikte an der Elbe nach eigenen Angaben nicht geheuer. "Wir haben auch deshalb im Herbst 2001 aufgehört, den High Risk Market zu betreuen", so ein Schnigge-Sprecher. Auch die Doppelfunktion von Pinkernell habe man missbilligt. Pinkernell arbeitet heute nicht mehr bei Schnigge, sondern ist für die Fairtrade Finance AG tätig, eine Tochter der Hamburger Börse.

Kay Homann, stellvertretender Geschäftsführer der Hamburger Börse, bestreitet, mit WoI in irgendeiner Geschäftsbeziehung gestanden zu haben. Man habe sich damals lediglich mit Prochnow und Hass ausgetauscht. "Die sagten, sie hätten gute Kontakte in die USA und hätten dort auch jemanden sitzen", so Homann. "Deshalb waren sie für uns interessante Gesprächspartner". Erst später sei man misstrauisch geworden, als WoI sich mit einer Millionensumme als Trikotsponsor des 1. FC St. Pauli engagiert habe. "Da haben wir uns schon gefragt, wie so ein junges Unternehmen das bezahlen kann", sagt Homann.

Er bestreitet allerdings, dass WoI die Auswahl der Aktien maßgeblich mitbestimmt habe. "Sicherlich haben die mal den einen oder anderen Wert vorgeschlagen", so Homann. Dies sei jedoch keinesfalls die Entscheidungsgrundlage gewesen. Warum bei so wenig Einfluss seitens WoI beeindruckende 20 der 24 ursprünglich am HRM notierten Werte der Empfehlungsliste von stockreporter.de entstammten, kann Homann nicht erklären.

Die Hanseatische Wertpapierbörse und ihre Mitarbeiter haben nach eigenen Angaben von WoI im Zusammenhang mit den HRM-Listings keinerlei Zahlungen erhalten, weder direkte noch indirekte", so Homann. Pinkernell bestätigt diese Darstellung. Für die Börse, so der Ex-WoI-Aufsichtsrat sei der HRM in erster Linie deshalb attraktiv gewesen, weil er für mehr Handelsvolumen gesorgt habe.

Die Reporter sind über alle Berge

Prochnow und Hass könnten vermutlich genauere Auskünfte über die Anfänge des HRM geben. Aber die beiden Jungdynamiker sind spurlos verschwunden. Ihr Unternehmen existiert nicht mehr.

Die letzte Spur findet sich in den USA. Die beiden "Analysten" wurden dort von der Börsenaufsicht vor den Kadi gezogen. Die SEC warf den beiden vor, auf stockreporter.de "falsche Aussagen" sowie "unbegründete finanzielle und die Aktienkurse betreffende Projektionen" über börsennotierte US-Unternehmen veröffentlicht zu haben. Ferner hätten die beiden fälschlicherweise behauptet, dass sie für ihre Aktienanalysen keine finanzielle Kompensation erhalten hätten.

Nach Angaben von SEC-Anwalt Scott Friestad haben Prochnow und Hass im September 2000 einem Vergleich zugestimmt. Die beiden unterzeichneten eine Unterlassungserklärung, und zahlten über 200.000 Dollar.

Der Spuk geht weiter  

Heute ist der HRM eine Geisterbörse. Die Umsätze gehen gegen Null. Auch in den USA werden die Werte praktisch nicht mehr gehandelt, viele der Unternehmen sind nur noch leere Hüllen. "Die dümpeln da noch als Leichen eine gewisse Zeit rum", so Skontroführer Kalischer.

Die moderaten Qualitätsmaßstäbe, welche die Börse ihren Anlegern für den HRM einst bieten wollte, gelten auch nicht mehr. Zwar heißt es bis heute auf der HRM-Webseite: "Die Börse Hamburg ist ... um einen ordnungsgemäßen Handel bemüht. Sie hat daher eine Reihe von Bedingungen für die Einbeziehung einzelner Werte in den Handel am High Risk Market aufgestellt."

Tatsächlich wird den Anlegern damit eine Qualitätskontrolle vorgegaukelt, die es gar nicht stattfindet. Eine wesentliche Bedingung für das Hamburger Zweitlisting ist laut HRM-Satzung etwa, dass die Aktien langfristig über einem Euro notieren müssen. Derzeit ist keine einzige der gelisteten Aktien ist mehr als einige Cent wert (siehe Tabelle).

Kay Homann bestätigt, dass die Satzungsregeln schon seit Längerem de facto außer Kraft sind und Unternehmen nur in Einzelfällen aus dem Segment gekegelt werden. Das geschehe auch "wegen des Anlegerschutzes". Schließlich müsse man noch investierten Anlegern die Möglichkeit geben, ihre Papiere auch weiterhin zu verkaufen. Zudem könne man "nicht einfach willkürlich" Firmen auslisten. Könnte man schon: Laut HRM-Satzung haben die Unternehmen keinerlei Anspruch auf ihr Listing in Hamburg.

Das Argument, dass man potenzielle Anleger vielleicht besser vor einigen der HRM-Unternehmen schützen sollte, beeindruckt Homann nicht. "Wer jetzt noch rein geht, der sieht am Titel 'High Risk Market', worum es geht. Außerdem vermarkten wir das ja nicht mehr."






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