Das ist die Realität

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Parocorp:

Das ist die Realität

 
31.10.04 18:49
US-DOLLAR UND VERSCHULDUNG DER USA


Hallo Herr Heibel,

heute komme ich mal nicht mit der Anfrage nach einer bestimmten
Aktie, sondern ueber den derzeitigen und zukuenftigen Zustand
der US-Wirtschaft, der ja letztendlich einen nicht unbedeutenden
Einfluss auf die Weltwirtschaft und demzufolge auch auf den
deutschen Aktienmarkt hat.

Ich habe heute (26.10.04) auf dem Privatsender n-tv u.a. ein
Interview mit Fred Irwin (President American Chamber Of Com-
merce) verfolgt. Dieser erklaerte zu Beginn des Interviews, dass
jeder US-Amerikaner im Schnitt ca. 7 Kreditkarten besitze und
diese auch nutze. Dadurch sei ein erhebliches Wachstum der US-
Wirtschaft auf den privaten Konsum zurueckzufuehren (was Sie ja
bereits mehrfach ausgefuehrt haben). Das wuerde ca. 2/3 des US-
Wirtschaftswachstums ausmachen (auch schon bekannt).

Weiter aeusserte er, dass das Problem des Oursourcing nicht ge-
geben sei, sondern vielmehr auslaendische Firmen die Investition
in den USA (Insourcing) suchen wuerden.

Dieses wuerde ebenfalls auf der Tatsache beruhen, dass ein so
hoher Konsumentenverbrauch vorliege. In einem Nebensatz liess
er aber auch kurz anklingen, dass so ziemlich alle privaten
Haushalte hoch verschuldet seien.

Wenn ich es richtig verstanden habe, muessen die USA sogar
selbst taeglich 2 Mrd. US-$ an Krediten aufnehmen, hauptsaech-
lich bei asiatischen Banken wie Japan etc,..  

Meine Frage nun ist: Wie lange kann das noch gut gehen, bevor
wir den "ganz grossen Crash" sehen ?

Irgendwann muessen doch  die Banken den privaten Konsumenten
auch einmal den "Kredithahn" zudrehen, um nicht irgendwann auf

"faulen" Krediten sitzenzubleiben. Oder haben die US-Buerger
alle genuegend Sicherheiten, um dieses Risiko zu decken ?

Fuer Ihre Einschaetzung waere ich Ihnen sehr dankbar.

Mit freundlichen Gruessen, Hans-Juergen aus Hamburg

ANTWORT 1:
Vielen Dank fuer Ihre praezise Darstellung der Realitaet! Wenn
den USA einmal der Kredithahn zugedreht wuerde, dann droht uns
eine Weltwirtschaftskrise.

Dessen sind sich auch Japaner, Chinesen und andere Asiaten be-
wusst. Gleichzeitig betreiben diese asiatischen Laender intensi-
ven Handel mit den USA und erwirtschaften einen grossen Teil ih-
res Handelsueberschusses aus dem Handel mit den USA. Kurz: asia-
tische Laender verkaufen mehr ihrer Produkte in die USA, als
dass sie Produkte aus den USA kaufen.

Amerikaner, nationalistisch wie wir sie nun einmal kennen, zah-
len gern mit dem Greenback, also in US-Dollar. Das heisst, dass
diese asiatischen Laender ihre Handelsueberschuesse in Form von
US-Dollars irgendwo lagern.

Diese US-Dollars muessen nun untergebracht werden.

Wenn China heute sagen wuerde, dass es nur noch Euro und Gold
als Reservewaehrung nutzen werde, und seine US-Dollar in diese
alternativen Aufbewahrungsmittel tauschen werde, dann haetten
wir morgen eine Weltwirtschaftskrise. Der US-Dollar waere prak-
tisch wertlos. China haette dann auch die Milliarden, die es
bereits aus den letzten Jahren in US-Dollar angespart hat,
verloren. Deswegen wird China niemals zugeben, dass es sich am
liebsten aus dem defizitbelasteten US-Dollar verabschieden
wuerde.

Gleiches gilt fuer Japan und den Rest Asiens sowie Europa und
den Rest der Welt. Unser Weltwaehrungssystem basiert seit 1944
auf dem US-Dollar. Zunaechst hatten die USA versprochen, die US-
Dollarmenge nicht schneller anwachsen zu lassen, als in Gold in
den USA vorraetig sei. Dieses Versprechen hob jedoch Praesident
Nixon 1971 auf, seither ist die US-Dollarmenge exponentiell an-
gestiegen.

Mit anderen Worten: Die Milliarden US-Dollarbetraege, die viele
Staatskassen in der ganzen Welt gehortet haben, sind im Grunde
genommen nichts wert. Denn in dem Augenblick, wo der erste
"Grosse" ankuendigt, seine US-Dollarreserven in andere Waehrun-
gen/Rohstoffe umzutauschen, wird ein Run vom US-Dollar weg den
Wert in Sekundenschnelle in Richtung Null befoerdern.

Dies ist nicht im Interesse der Chinesen, der Japaner und auch
nicht der Europaeer.

Also taktieren die Akteure miteinander. Die USA sagen: "Ihr
koennt den US-Dollar nicht verkaufen, denn dann seid ihr naem-
lich euren Reichtum los. Uns ist das egal, denn wir sind autark
und im Landesinnern werden wir den US-Dollar weiter nutzen wie
zuvor." Dieser Ausspruch ist zwar ueberzogen, zeigt aber die Po-
sition der USA in ihrer letzten Konsequenz.

China knirscht nun mit den Zaehnen, schiebt die vorhandenen Han-
delsueberschuesse in US-Staatsanleihen - daher die so lange an-
haltende Niedrigzinsphase in den USA, die eigentlich in eine In-
flation muenden muesste - und versucht heimlich, ein wenig Gold
und Euro zu kaufen.

Nun stellen sich die Amerikaner ploetzlich hin und sagen: "Wir
treiben unsere Nettoneuverschuldung auf 5,7 %" (Deutschland
kaempft mit der 3%-Huerde). Die USA schmeissen das Geld fuer ih-
re eigenen Interessen mit vollen Haenden weiter zum Fenster hi-
naus und rufen in die Welt hinaus: "Wenn ihr unseren US-Dollar
nicht mehr stuetzt, dann werden wir eine Weltwirtschaftskrise
haben".

Die anderen Laender koennen nicht anders, als dieser Aufforde-
rung nachzukommen und kaufen weiterhin US-Dollar. Wer wie viel
kaufen muss, wird in internationalen Meetings ausgehandelt.

Natuerlich ist meine hier gebrachte Darstellung ueberzogen, denn
auch die USA werden an den Verhandlungen teilnehmen und sind an
anderer Stelle zu Zugestaendnissen bereit. Aber auf die einfache
kleine Wechselkurswelt bezogen, koennten die Positionen, zuge-
spitzt wie hier beschrieben, aussehen.


Parocorp:

wie geht es weiter, mit den amis?

 
01.11.04 13:42
was "ist" zustand ist, sehen wir schon mal...
Parocorp:

Amerika lebt auf Kosten der Zukunft

 
06.11.04 15:32
 

Interview


„Amerika lebt auf Kosten der Zukunft”

Das ist die Realität 1699208
04. November 2004 In Amerika darf Präsident George Bush also weiterregieren. Allerdings dürfte er seine bisherige Politik kaum fortsetzen können. Diese Quintessenz läßt sich zumindest aus dem folgenden Interview ziehen, welches FAZ.NET mit Professor Barry Eichengreen von der University of California in Berkeley führte.
Das ist die Realität 1699208

Eichengreen beschäftigt sich mit wirtschaftspolitischen Fragestellungen und dabei vor allem auch mit den verschiedenen Wirtschafts- und Währungskrisen der Vergangenheit. Er empfiehlt sowohl Amerika als auch Europa, ihre Verschuldungspolitik zu zähmen. Er rechnet mit einem schwachen Dollar, einem schwachen amerikanischen Rentenmarkt und damit, daß China die Bindung des Yuan an den Dollar bald lockern wird.

Amerika hat alles richtig gemacht, indem es mit tiefen Zinsen, tiefen Steuern und rasch steigenden Schulden die Wirtschaft nachhaltig ankurbelte, sagen manche Experten. Würden Sie diesen zustimmen?

Die amerikanische Wirtschaft entwickelte sich gut, aber auf Kosten der Zukunft. Nach der geplatzten Technologieblase in den 1990n wurde die Konjunktur mit gewaltigen monetären und fiskalischen Impulsen gestützt. Die Folge: Budgetdefizite soweit das Auge blicken kann. Nun muß die Notenbank die Zinsen normalisieren, obwohl die Konjunktur schwächelt. Ich fürchte, die Anleger - vor allem die asiatischen Zentralbanken - könnten das Vertrauen in die Verschuldungspolitik des Landes verlieren und das Doppeldefizit nicht mehr finanzieren. Dann würde der Dollar fallen, die Importpreise steigen lassen und die Zentralbank zu weiteren Zinserhöhungen zwingen. Eine Mischung zwischen lockerer Fiskalpolitik und straffer Geldpolitik wäre das letzte, was das Land braucht, um die von der „New Economy” noch übriggelassenen Investitionsmöglichkeiten zu nutzen. So blicke ich reichlich skeptisch in die Zukunft.

Sollte Europa den Stabilitätspakt aufgeben und dieselbe Politik verfolgen?

Auch Europa hat Probleme mit der Mischung der wirtschaftspolitischen Impulse. Es würde besser fahren, wenn es eine straffere Fiskalpolitik mit einer lockeren Geldpolitik kombinieren würde. Tiefe Zinsen würden für ein investitionsfreundlicheres Umfeld, die schnellere Aufnahme neuer Technologien und für Produktivitätswachstum sorgen. Eine bessere Politik wird aber sicherlich nicht von der Europäischen Kommission ausgehen, der Stabilitätspakt ist ganz klar tot. Die fiskalische Disziplin muß in den Heimatländern beginnen. Die Impulse dazu werden von den Wählern ausgehen, die verschuldungsversessene Regierungen abstrafen und nicht von den Brüsseler Bürokraten.

Die amerikanischen Konsumenten sind stark verschuldet, die Sparquote ist sehr tief, die Leistungsbilanz- und Budgetdefizite sind groß und nehmen zu, manche Preise wie für Häuser, Anleihen und Rohstoffe explodieren - ist das nicht ein ziemlich instabiler Zustand?

Es gibt Argumentationsweisen - ich nenne es die Deutsche-Bank-Theorie, da sich das Haus diesbezüglich stark exponiert hat -, nach welchen alles bestens ist. Ich fürchte, einige Marktteilnehmer mit einer Schlüsselrolle, das sind die asiatischen Zentralbanken, werden zunehmend nervös über die Aussichten des Dollars. Sollten sie ihre Nachfrage dämpfen, würde der Dollar fallen und die Importpreise anheizen. In diesem Fall müßte die amerikanische Zentralbank die Zinsen schneller und stärker anheben als der Markt es erwartet. Die Häuserpreise wären dann sehr wahrscheinlich „das erste Opfer”.

Was läßt sich dagegen tun?

Das wichtigste wäre, daß sowohl die Amerikaner als auch die Europäer sofort gegen die zunehmende Verschuldung angehen. Leider ist das leichter gesagt als getan. Ich bezweifle, ob die Politiker die Bedeutung des Problems erkannt und das Format haben, es tatsächlich auf die Agenda zu setzen. Genau das läßt mich aber skeptisch auf die wirtschaftliche Zukunft blicken.

Es gibt die Vermutung, Amerika könnte den Dollar absichtlich abwerten lassen, um auf diese Weise die Probleme zu lösen. Kann das überhaupt funktionieren, da die asiatischen Währungen mehr oder weniger an den Dollar gebunden sind?

Ich denke, die asiatischen Zentralbanken werden ihre Währungen eher früher als später aufwerten lassen. Die Schlüssel liegen in China und Japan. China hat in der vergangenen Woche das erste Mal seit neun Jahren den Leitzins angehoben. Das deutet darauf hin, daß das Land an die Grenzen administrativer Maßnahmen gestoßen ist und nun zu marktbasierten Instrumenten übergehen muß, um die überhitzte Wirtschaft abzukühlen. Ähnlich wie der Leitzins gehört dazu der Wechselkurs. Da die chinesischen Kapitalverkehrskontrollen immer unwirksamer werden, müssen sie den Wechselkurs freigeben. Er wird schrittweise flexibilisiert werden. Der Zeitpunkt wird von Japan abhängen und von der Frage, ob dort die Deflation ein Ende gefunden hat. Das weiß noch niemand genau.

Sind die Dollarbindung des Yuan und die massiven japanischen Interventionen nicht eine spezielle Form von Protektionismus?

Ich würde es nicht so nennen. Denn die Schwächung des Yen war die einzige Möglichkeit Japans, gegen die Deflation anzugehen. China hat das Wachstum über die Exporte angekurbelt. Beide Argumente scheinen allerdings langsam zu verblassen.

Geht diese Wechselkurspolitik nicht zulasten Europas, das die Hauptlast des Anpassungsprozesses in Form eines zu starken Euro tragen muß, obwohl es mit seinen eigenen strukturellen Problemen genug zu schultern hat?

Die Ökonomen der Deutschen Bank zeigen sich zufrieden mit dem gegenwärtigen Zustand der globalen Wirtschaft und vergessen Europa dabei völlig. Und das ist überhaupt nicht glücklich. Die Klagen Europas sind in meinem Augen ein weiterer Grund dafür, daß sich die Zustände bald ändern könnten.

Kann sich China einen flexibleren Wechselkurs überhaupt leisten, ohne zuvor seine Wirtschaft zu restrukturieren?

Je stärker das Land seine Wirtschaft umbaut, um so besser. Aber es kann es sich nicht leisten, erst das Bankensystem und die Staatsunternehmen zu sanieren, um erst dann die Yuan-Bindung zu lockern. Glücklicherweise muß es nicht darauf warten, denn die Banken haben kein Auslandsgeschäft und die Staatsbetriebe sind keine großen Exporteure. Es wird zunächst nicht zu einer großen Aufwertung kommen, sondern zu einem begrenzten Währungsband. Und das kann es praktisch sofort einführen.

Würde die Aufgabe der festen Yuan-Bindung an den Dollar das globale Wirtschaftswachstum bremsen?

Wenn der Yuan nur wenig aufwertet und wenn dieser Prozeß kombiniert wird mit vernünftigerer Fiskalpolitik in Europa und in Amerika, dann wäre diese Kombination gut für die Weltwirtschaft. Wenn aber die Staatsausgaben vor allem auch in Amerika nicht deutlich reduziert werden, dann wird ein weiterer Dollarverfall die Immobilienpreise unter Druck setzen, da Anleger anziehende Preise und steigende Zinsen antizipieren werden. Unser wirtschaftliches Schicksal liegt damit in den Händen Washingtons und nicht Pekings.

Welche Schlüsse kann man als Privatanleger daraus ziehen?

Wenn sie meine skeptische Meinung teilen, werden sie Dollar und amerikanische Staatsanleihen verkaufen.


Das Gespräch führte Christof Leisinger

Text: @cri
Bildmaterial: B. Eichengreen

 

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