Hallo Herr Heibel,
heute komme ich mal nicht mit der Anfrage nach einer bestimmten
Aktie, sondern ueber den derzeitigen und zukuenftigen Zustand
der US-Wirtschaft, der ja letztendlich einen nicht unbedeutenden
Einfluss auf die Weltwirtschaft und demzufolge auch auf den
deutschen Aktienmarkt hat.
Ich habe heute (26.10.04) auf dem Privatsender n-tv u.a. ein
Interview mit Fred Irwin (President American Chamber Of Com-
merce) verfolgt. Dieser erklaerte zu Beginn des Interviews, dass
jeder US-Amerikaner im Schnitt ca. 7 Kreditkarten besitze und
diese auch nutze. Dadurch sei ein erhebliches Wachstum der US-
Wirtschaft auf den privaten Konsum zurueckzufuehren (was Sie ja
bereits mehrfach ausgefuehrt haben). Das wuerde ca. 2/3 des US-
Wirtschaftswachstums ausmachen (auch schon bekannt).
Weiter aeusserte er, dass das Problem des Oursourcing nicht ge-
geben sei, sondern vielmehr auslaendische Firmen die Investition
in den USA (Insourcing) suchen wuerden.
Dieses wuerde ebenfalls auf der Tatsache beruhen, dass ein so
hoher Konsumentenverbrauch vorliege. In einem Nebensatz liess
er aber auch kurz anklingen, dass so ziemlich alle privaten
Haushalte hoch verschuldet seien.
Wenn ich es richtig verstanden habe, muessen die USA sogar
selbst taeglich 2 Mrd. US-$ an Krediten aufnehmen, hauptsaech-
lich bei asiatischen Banken wie Japan etc,..
Meine Frage nun ist: Wie lange kann das noch gut gehen, bevor
wir den "ganz grossen Crash" sehen ?
Irgendwann muessen doch die Banken den privaten Konsumenten
auch einmal den "Kredithahn" zudrehen, um nicht irgendwann auf
"faulen" Krediten sitzenzubleiben. Oder haben die US-Buerger
alle genuegend Sicherheiten, um dieses Risiko zu decken ?
Fuer Ihre Einschaetzung waere ich Ihnen sehr dankbar.
Mit freundlichen Gruessen, Hans-Juergen aus Hamburg
ANTWORT 1:
Vielen Dank fuer Ihre praezise Darstellung der Realitaet! Wenn
den USA einmal der Kredithahn zugedreht wuerde, dann droht uns
eine Weltwirtschaftskrise.
Dessen sind sich auch Japaner, Chinesen und andere Asiaten be-
wusst. Gleichzeitig betreiben diese asiatischen Laender intensi-
ven Handel mit den USA und erwirtschaften einen grossen Teil ih-
res Handelsueberschusses aus dem Handel mit den USA. Kurz: asia-
tische Laender verkaufen mehr ihrer Produkte in die USA, als
dass sie Produkte aus den USA kaufen.
Amerikaner, nationalistisch wie wir sie nun einmal kennen, zah-
len gern mit dem Greenback, also in US-Dollar. Das heisst, dass
diese asiatischen Laender ihre Handelsueberschuesse in Form von
US-Dollars irgendwo lagern.
Diese US-Dollars muessen nun untergebracht werden.
Wenn China heute sagen wuerde, dass es nur noch Euro und Gold
als Reservewaehrung nutzen werde, und seine US-Dollar in diese
alternativen Aufbewahrungsmittel tauschen werde, dann haetten
wir morgen eine Weltwirtschaftskrise. Der US-Dollar waere prak-
tisch wertlos. China haette dann auch die Milliarden, die es
bereits aus den letzten Jahren in US-Dollar angespart hat,
verloren. Deswegen wird China niemals zugeben, dass es sich am
liebsten aus dem defizitbelasteten US-Dollar verabschieden
wuerde.
Gleiches gilt fuer Japan und den Rest Asiens sowie Europa und
den Rest der Welt. Unser Weltwaehrungssystem basiert seit 1944
auf dem US-Dollar. Zunaechst hatten die USA versprochen, die US-
Dollarmenge nicht schneller anwachsen zu lassen, als in Gold in
den USA vorraetig sei. Dieses Versprechen hob jedoch Praesident
Nixon 1971 auf, seither ist die US-Dollarmenge exponentiell an-
gestiegen.
Mit anderen Worten: Die Milliarden US-Dollarbetraege, die viele
Staatskassen in der ganzen Welt gehortet haben, sind im Grunde
genommen nichts wert. Denn in dem Augenblick, wo der erste
"Grosse" ankuendigt, seine US-Dollarreserven in andere Waehrun-
gen/Rohstoffe umzutauschen, wird ein Run vom US-Dollar weg den
Wert in Sekundenschnelle in Richtung Null befoerdern.
Dies ist nicht im Interesse der Chinesen, der Japaner und auch
nicht der Europaeer.
Also taktieren die Akteure miteinander. Die USA sagen: "Ihr
koennt den US-Dollar nicht verkaufen, denn dann seid ihr naem-
lich euren Reichtum los. Uns ist das egal, denn wir sind autark
und im Landesinnern werden wir den US-Dollar weiter nutzen wie
zuvor." Dieser Ausspruch ist zwar ueberzogen, zeigt aber die Po-
sition der USA in ihrer letzten Konsequenz.
China knirscht nun mit den Zaehnen, schiebt die vorhandenen Han-
delsueberschuesse in US-Staatsanleihen - daher die so lange an-
haltende Niedrigzinsphase in den USA, die eigentlich in eine In-
flation muenden muesste - und versucht heimlich, ein wenig Gold
und Euro zu kaufen.
Nun stellen sich die Amerikaner ploetzlich hin und sagen: "Wir
treiben unsere Nettoneuverschuldung auf 5,7 %" (Deutschland
kaempft mit der 3%-Huerde). Die USA schmeissen das Geld fuer ih-
re eigenen Interessen mit vollen Haenden weiter zum Fenster hi-
naus und rufen in die Welt hinaus: "Wenn ihr unseren US-Dollar
nicht mehr stuetzt, dann werden wir eine Weltwirtschaftskrise
haben".
Die anderen Laender koennen nicht anders, als dieser Aufforde-
rung nachzukommen und kaufen weiterhin US-Dollar. Wer wie viel
kaufen muss, wird in internationalen Meetings ausgehandelt.
Natuerlich ist meine hier gebrachte Darstellung ueberzogen, denn
auch die USA werden an den Verhandlungen teilnehmen und sind an
anderer Stelle zu Zugestaendnissen bereit. Aber auf die einfache
kleine Wechselkurswelt bezogen, koennten die Positionen, zuge-
spitzt wie hier beschrieben, aussehen.