Forscher in den USA rühren an etwas, das jahrtausendelang als Urgrund der Weiblichkeit galt: die Menstruation. Sie versuchen, die monatliche Blutung abzuschaffen oder zumindest einzudämmen. Eine zu hohe Anzahl von Zyklen, so die Theorie, könnte Krebs verursachen.
Jede Frau kennt diese Geschichtchen von roten Spuren auf weißen Hosen oder davon, wie man als ökologisch bewusster Mensch beim Wandern im Himalaja einen Tampon entsorgt. Freundinnen erzählen sich, flüsternd, Missgeschicke von plötzlich einsetzender Blutung auf der langen Flugreise - oder wie eine Kollegin sich mal in aller Eile im Hotelfahrstuhl noch schnell einen Tampon einführte und erst in der Lobby bemerkte, dass eine Kamera das Fahrstuhlinnere überwacht.
Auch unter Frauen gelten solche Anekdoten als die peinlichsten aller peinlichen Ereignisse überhaupt. Die Menstruation ist immer noch ein totales Tabu.
Dabei haftet dem Periodenblut, nüchtern betrachtet, genauso viel oder wenig Ekliges an wie dem Körpersaft, den die Blutsbrüder Winnetou und Old Shatterhand tauschten. Und mindestens das weibliche Geschlecht müsste die Periode als so selbstverständlich empfinden wie Niesen oder Schwitzen - seit Menschengedenken menstruieren sie. Ein Siebtel ihres Lebens als fortpflanzungsfähiger Mensch verbringen Frauen damit, mehr als 30 Liter werden sie insgesamt dabei los - 70 Milliliter perlen monatlich aus ihnen heraus, umgerechnet zwei Esslöffel voll pro Tag.
Die Periode ist letztlich die Reaktion des weiblichen Körpers darauf, dass eine Eizelle nicht befruchtet worden ist. Die Gebärmutterschleimhaut, die schon auf die Einnistung eines Embryos vorbereitet wurde, löst sich wieder ab; die überflüssigen Zellen spült der Körper aus der Leibeshöhle heraus.
Es geht aber bei der Wahrnehmung dieses Zyklus um mehr als rein Körperliches: um Fluch, Verbot und Fruchtbarkeit; es geht um Dunkelweibliches, den Mond, Stirb und Werde. Es gibt kaum einen körperlichen Vorgang, den so viele Mythen umwehen. Daher müssen Ärzte, die eingreifen wollen in das Geschehen, das Millionen Frauen täglich und seit Menschengedenken erleben, sich gefasst machen auf mehr als eine sachliche Diskussion um eine neue Medizin.
Erst recht, wenn sie die Menstruation abschaffen wollen - und genau das ist der Plan.
Viele Frauen entledigen sich schon heute der Periode wie einer schlechten Angewohnheit: weil es unbequem ist, weil es sie bei Sportwettkämpfen oder den Flitterwochen stört, weil einige auch unter Bauchkrämpfen leiden. Wie? Ganz einfach, mit der Antibabypille, die in diesem Fall als Lifestyle-Gestalter funktioniert: Mit ihr lässt sich die Monatsblutung unterdrücken, indem die sieben pillenfreien Tage übersprungen und gleich mit der nächsten Monatsdosis begonnen wird.
Die Frauen nehmen die Pille also unaufhörlich, machen alle paar Monate mal eine Pause, bluten dann, um die in der Zwischenzeit aufgebaute Gebärmutterschleimhaut abzubauen - und beginnen sodann den nächsten Dauerzyklus.
Im streng biologischen Sinne hat ohnehin ein großer Teil der Frauen in den westlichen Industrienationen längst aufgehört zu menstruieren - allerdings ohne sich dessen bewusst zu sein: alle, die die Pille schlucken. Zwar beginnen sie zu bluten, wenn sie nach 21 Tagen Hormoneinnahme diese für 7 Tage unterbrechen. Aber dabei handelt es sich nur um eine so genannte Entzugsblutung. Mit der echten Periode hat dieser Vorgang, biologisch gesehen, wenig zu tun.
Neue Langzeit-Verhüter wie etwa Norplant, ein Hormonpäckchen, das unter die Haut gepflanzt wird, oder Depo-Provera, eine Injektion, die drei Monate lang wirkt, tun schon gar nicht mehr so, als hätten sie noch irgendetwas Natürliches an sich: Sie hemmen nicht nur den Eisprung, sondern auch die Blutung.
Und schließlich wird es bald auch die Pille selbst ganz offiziell als Langzeitversion geben: "Seasonale". Zwölf Wochen lang sollen die Verbraucherinnen dieses Präparat schlucken, dann erst, also einmal pro Jahreszeit, dürfen sie ein paar Tage lang bluten - auch dies eine Entzugsblutung. Die klinischen Studien sollen noch diesen Monat beendet sein. Falls sich herausstellen sollte, dass Frauen die 91-Tage-Pille gut vertragen, könnte sie schon im Spätsommer 2003 zunächst in den USA auf den Markt kommen.
Einen völlig neuen Ansatz verfolgen der Biologe Robert Brenner vom Oregon Regional Primate Research Center im Nordwesten der USA und der deutsche Mediziner Kristof Chwalisz, der für die Schering-Tochter Jenapharm forscht. Kürzlich erst gelang ihnen, Rhesusaffen am Menstruieren zu hindern.
Sie gaben den Äffinnen zwei verschiedene Antigestagene - Stoffe also, die das weibliche Hormon Progesteron blockieren, das neben dem Östrogen eine wichtige Rolle beim Zyklus spielt. Der eine Stoff ließ - im Gegensatz zur Antibabypille - den Eisprung zu, schaltete aber die sonst dazugehörige Blutung aus. Die zweite Variante stoppte sowohl den Eisprung als auch die Blutung. Beide Antigestagene verhüten, indem sie verhindern, dass sich die Gebärmutterschleimhaut aufbaut, die für eine Schwangerschaft notwendig wäre.
Die Regel der kleinen Äffinnen ähnelt der von Menschen; daher glaubt Brenner, dass sich die Ergebnisse übertragen lassen: "Eine verlässliche Methode, die Menstruation zu unterdrücken, würde die Lebensqualität für Frauen beträchtlich verbessern", sagt er. Der Forscher sieht darin "eine Möglichkeit, all den vielen Frauen Erleichterung zu verschaffen, die Jahre des Leidens mit verstörenden Beschwerden wie Endometriose und schmerzhaften und exzessiven Blutungen" verbrächten.
Die Idee, die Periode abzuschaffen, ist nicht neu: Schon vor drei Jahren forderten der brasilianische Reproduktionsmediziners Elsimar Coutinho und sein US-Kollege Sheldon Segal in einem Buch ("Ist die Menstruation überflüssig?") das Ende der Regelblutung: "Die unaufhörliche Menstruation ist unnötig und kann für die Gesundheit der Frauen schädlich sein. Sie ist ein nutzloser Blutverlust."
Auch in einem Essay in der medizinischen Fachzeitschrift "Lancet" hieß es wenig später, die Periode sei meist Schlimmeres, aber "mindestens ein Ärgernis, das Planung, teure Vorräte an Sanitärprodukten und Paracetamol erfordert, um pro Monat eine Woche Schmutz und Beschwerden zu verhindern".
Ihr Hauptargument leiten die Mensesfeinde unter anderem aus den Feldforschungen von Beverly Strassmann bei den Dogon ab, einer Stammesgesellschaft in Mali.
Die Anthropologin fand heraus: Die Periode ist von der Natur als Ausnahmezustand im Leben der Frau gedacht, nicht als Regel. "Aus evolutionsbiologischer Sicht ist es unnatürlich, Monat für Monat zu bluten", sagt Strassmann. Denn ursprünglich lebten Frauen kürzer, bekamen jede Menge Kinder und stillten diese.
In der Folge menstruierten sie selten. So wie heute noch die Frauen in den meisten Ländern Afrikas oder die der australischen Aborigines, die nur rund 160 Zyklen in ihrem Leben durchleben. Denn im Schnitt machen sie sechs Schwangerschaften mit; hinzu kommen jahrelange Stillzeiten, in denen ebenfalls der Zyklus außer Kraft gesetzt ist.
In den industrialisierten Ländern hingegen beginnen die Frauen (wenn überhaupt) erst spät mit dem Gebären; zudem werden sie älter und menstruieren häufiger: eine Amerikanerin etwa 450-mal im Leben.
Wer aber zu oft blute, meinen die Periodengegner, erkranke eher an Brust-, Gebärmutter- und Eierstockkrebs. Brustkrebs könnte durch die allmonatlichen Östrogenschübe verursacht werden. Und ebenfalls Monat für Monat teilen sich eifrigst die Zellen der Gebärmutterschleimhaut, kleiden wieder und wieder das Organ mit einer dicken Wand aus. Je mehr Zellteilungen, so die Theorie, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass dabei Zellen beginnen, sich unkontrolliert zu vermehren - und ein Krebs entsteht.
Tatsächlich senkt die Pille das Risiko, diese Krebsarten zu bekommen, um 40 Prozent, indem sie den Eisprung und damit indirekt die Zellteilung in der Gebärmutterschleimhaut unterdrückt. Umgekehrt haben Nonnen, die ja weder die Pille schlucken noch ihren Zyklus je durch Schwangerschaft oder Stillzeit unterbrechen, ein höheres Risiko, an Unterleibskrebs zu erkranken, als andere Frauen.
Laut Coutinhos und Segals Anti-Menses-Schrift machen zudem Zyklusprobleme die Hälfte aller Beschwerden aus, derentwegen Frauen eine Gynäkologin konsultieren. Eine Studie bei Texas Instruments will gar ergeben haben, dass die Produktivität von Frauen während ihrer Periode um ein Viertel nachließ.
Unter anderem mit Hilfe solcher ökonomischer Argumente fordert der britische "Lancet", dass die Regel wie jeder andere zwar "natürlich vorkommende, aber oft unerwünschte Umstand" betrachtet werden sollte. Dies würde den Frauen ein "glücklicheres, unbeschwerteres Leben" bringen und überhaupt "der Gesellschaft insgesamt helfen".
Viele Frauen werden den Befunden der Menstruationsgegner sicherlich zustimmen, sind doch viele von ihnen selbst die größten Feindinnen der Regel, die auf Englisch auch "The Curse", der Fluch, genannt wird. Laut einer Emnid-Umfrage würden in Deutschland 71 von 100 Frauen im gebärfähigen Alter auf die monatliche Blutung vorübergehend verzichten wollen, mehr als die Hälfte sogar für immer.
Vielleicht hätten Coutinho, Segal, Brenner und Strassmann also ein leichtes Spiel - wenn die Menstruation nicht für viele Frauen durchaus etwas völlig Natürliches oder gar Kostbares bedeuten würde, das es zu erhalten gilt. Die Periode ist keinesfalls für alle ein lästiges Übel. Für viele ist sie Urgrund von Weiblichkeit, ein Monat für Monat aufs Neue angetretener Beweis, dass es das Weib allein ist, das über Fruchtbarkeit und Fortpflanzung entscheidet - es muss keine Mystikerin sein, Mondanbeterin oder Anhängerin dunkler Göttinnen, wer die Blutung als positiv empfindet.
Für solche Frauen liegt es nahe, in Versuchen, die Periode abzuschaffen, eine Fortführung früherer Anstrengungen des Patriarchats zu sehen, allzu bedrohlich Weibliches mindestens zu kontrollieren, am besten aber aus der Gesellschaft zu verbannen. Tatsächlich haben solche Versuche eine uralte Tradition.
Geht es ums blutende Weib, sind sich Christen, Muslime und Juden jedenfalls einig: Es ist unrein. Es darf kein Heiligtum betreten; es wird von der Gemeinschaft isoliert. Hier geht es ebenso wenig um altertümliche Hygienevorschriften wie vorher bei Aristoteles: Auch ihm galt die Menstruation schon als Beleg für die Schwäche und Unterlegenheit des weiblichen Geschlechts. Dem antiken Denker zufolge gelingt nur Männern die Vollendung der inneren Verwandlung von Nahrung in die reinste aller Körperflüssigkeiten - das Sperma. Das Weib hingegen, ein "Mangelwesen", sei feucht und kalt, und daher bekomme es gerade mal den ersten Schritt hin, nämlich die Umwandlung in Blut.
Wie hartnäckig Fundamentalisten den uralten Tabus immer wieder Leben einhauchen, hat die Welt gerade erst wieder durch das Testament des World-Trade-Center-Attentäters Mohammed Atta erfahren: Der Fanatiker verbannte Frauen, die ihre Periode haben, von seiner Trauerfeier.
Und die US-Journalistin Natalie Angier, Autorin eines Buchs über die weibliche Biologie, berichtet, dass es auch heute noch "keine Seltenheit" sei, dass orthodoxe Juden es ablehnen, sich von einer Ärztin behandeln zu lassen, "da die gute Frau Doktor schließlich gerade ihre Periode haben und sie dadurch noch mehr verunreinigen könnte als die Krankheit, an der sie leiden".
Ebenso resistent gegen die moderne Wissenschaft erweisen sich Beobachtungen wie die des römischen Schriftstellers Plinius im ersten Jahrhundert nach Christus. Er schrieb der menstruierenden Frau Hexenkraft zu: Mit ihr zu schlafen bedeute für einen Mann "Krankheit und Gefahr". Allein "durch die Kraft ihrer Augen" säuere sie den Wein, lasse Eisen rosten und Früchte verdorren. Und noch heute erzählen Tanten und Großmütter den Mädchen, dass Mayonnaise während der Periode nicht gelinge und eingekochte Marmelade schimmlig werde.
Vor diesem Hintergrund klingen die Argumente der "Lancet"-Autorinnen seltsam vertraut, wenn sie den Monatszyklus einer Krankheit gleichsetzen, die dauerbehandelt werden müsse "wie Bluthochdruck" oder bestimmte Prostataleiden beim Mann.
Andere Forscher glauben, durch das ständige Beschwören der Menstruationsleiden würden diese erst gefördert: Wer litte nicht an etwas, von dem ihm von Beginn an erzählt wird, es sei eine Krankheit und das Peinlichste und Ekligste, was eine Frau durchs Leben begleitet?
Die zyklischen Stimmungsschwankungen jedenfalls, die angeblich durch die weibliche Periode ausgelöst werden, sind auch Männern nicht unbekannt. Eine psychologische Studie kam zu dem Schluss, dass ihre Psyche sogar stärkeren Wechselbädern unterliegt - und das ganz ohne Monatsblutung.
spiegel.de
Jede Frau kennt diese Geschichtchen von roten Spuren auf weißen Hosen oder davon, wie man als ökologisch bewusster Mensch beim Wandern im Himalaja einen Tampon entsorgt. Freundinnen erzählen sich, flüsternd, Missgeschicke von plötzlich einsetzender Blutung auf der langen Flugreise - oder wie eine Kollegin sich mal in aller Eile im Hotelfahrstuhl noch schnell einen Tampon einführte und erst in der Lobby bemerkte, dass eine Kamera das Fahrstuhlinnere überwacht.
Auch unter Frauen gelten solche Anekdoten als die peinlichsten aller peinlichen Ereignisse überhaupt. Die Menstruation ist immer noch ein totales Tabu.

Dabei haftet dem Periodenblut, nüchtern betrachtet, genauso viel oder wenig Ekliges an wie dem Körpersaft, den die Blutsbrüder Winnetou und Old Shatterhand tauschten. Und mindestens das weibliche Geschlecht müsste die Periode als so selbstverständlich empfinden wie Niesen oder Schwitzen - seit Menschengedenken menstruieren sie. Ein Siebtel ihres Lebens als fortpflanzungsfähiger Mensch verbringen Frauen damit, mehr als 30 Liter werden sie insgesamt dabei los - 70 Milliliter perlen monatlich aus ihnen heraus, umgerechnet zwei Esslöffel voll pro Tag.
Die Periode ist letztlich die Reaktion des weiblichen Körpers darauf, dass eine Eizelle nicht befruchtet worden ist. Die Gebärmutterschleimhaut, die schon auf die Einnistung eines Embryos vorbereitet wurde, löst sich wieder ab; die überflüssigen Zellen spült der Körper aus der Leibeshöhle heraus.
Es geht aber bei der Wahrnehmung dieses Zyklus um mehr als rein Körperliches: um Fluch, Verbot und Fruchtbarkeit; es geht um Dunkelweibliches, den Mond, Stirb und Werde. Es gibt kaum einen körperlichen Vorgang, den so viele Mythen umwehen. Daher müssen Ärzte, die eingreifen wollen in das Geschehen, das Millionen Frauen täglich und seit Menschengedenken erleben, sich gefasst machen auf mehr als eine sachliche Diskussion um eine neue Medizin.
Erst recht, wenn sie die Menstruation abschaffen wollen - und genau das ist der Plan.
Viele Frauen entledigen sich schon heute der Periode wie einer schlechten Angewohnheit: weil es unbequem ist, weil es sie bei Sportwettkämpfen oder den Flitterwochen stört, weil einige auch unter Bauchkrämpfen leiden. Wie? Ganz einfach, mit der Antibabypille, die in diesem Fall als Lifestyle-Gestalter funktioniert: Mit ihr lässt sich die Monatsblutung unterdrücken, indem die sieben pillenfreien Tage übersprungen und gleich mit der nächsten Monatsdosis begonnen wird.
Die Frauen nehmen die Pille also unaufhörlich, machen alle paar Monate mal eine Pause, bluten dann, um die in der Zwischenzeit aufgebaute Gebärmutterschleimhaut abzubauen - und beginnen sodann den nächsten Dauerzyklus.
Im streng biologischen Sinne hat ohnehin ein großer Teil der Frauen in den westlichen Industrienationen längst aufgehört zu menstruieren - allerdings ohne sich dessen bewusst zu sein: alle, die die Pille schlucken. Zwar beginnen sie zu bluten, wenn sie nach 21 Tagen Hormoneinnahme diese für 7 Tage unterbrechen. Aber dabei handelt es sich nur um eine so genannte Entzugsblutung. Mit der echten Periode hat dieser Vorgang, biologisch gesehen, wenig zu tun.
Neue Langzeit-Verhüter wie etwa Norplant, ein Hormonpäckchen, das unter die Haut gepflanzt wird, oder Depo-Provera, eine Injektion, die drei Monate lang wirkt, tun schon gar nicht mehr so, als hätten sie noch irgendetwas Natürliches an sich: Sie hemmen nicht nur den Eisprung, sondern auch die Blutung.
Und schließlich wird es bald auch die Pille selbst ganz offiziell als Langzeitversion geben: "Seasonale". Zwölf Wochen lang sollen die Verbraucherinnen dieses Präparat schlucken, dann erst, also einmal pro Jahreszeit, dürfen sie ein paar Tage lang bluten - auch dies eine Entzugsblutung. Die klinischen Studien sollen noch diesen Monat beendet sein. Falls sich herausstellen sollte, dass Frauen die 91-Tage-Pille gut vertragen, könnte sie schon im Spätsommer 2003 zunächst in den USA auf den Markt kommen.
Einen völlig neuen Ansatz verfolgen der Biologe Robert Brenner vom Oregon Regional Primate Research Center im Nordwesten der USA und der deutsche Mediziner Kristof Chwalisz, der für die Schering-Tochter Jenapharm forscht. Kürzlich erst gelang ihnen, Rhesusaffen am Menstruieren zu hindern.
Sie gaben den Äffinnen zwei verschiedene Antigestagene - Stoffe also, die das weibliche Hormon Progesteron blockieren, das neben dem Östrogen eine wichtige Rolle beim Zyklus spielt. Der eine Stoff ließ - im Gegensatz zur Antibabypille - den Eisprung zu, schaltete aber die sonst dazugehörige Blutung aus. Die zweite Variante stoppte sowohl den Eisprung als auch die Blutung. Beide Antigestagene verhüten, indem sie verhindern, dass sich die Gebärmutterschleimhaut aufbaut, die für eine Schwangerschaft notwendig wäre.
Die Regel der kleinen Äffinnen ähnelt der von Menschen; daher glaubt Brenner, dass sich die Ergebnisse übertragen lassen: "Eine verlässliche Methode, die Menstruation zu unterdrücken, würde die Lebensqualität für Frauen beträchtlich verbessern", sagt er. Der Forscher sieht darin "eine Möglichkeit, all den vielen Frauen Erleichterung zu verschaffen, die Jahre des Leidens mit verstörenden Beschwerden wie Endometriose und schmerzhaften und exzessiven Blutungen" verbrächten.
Die Idee, die Periode abzuschaffen, ist nicht neu: Schon vor drei Jahren forderten der brasilianische Reproduktionsmediziners Elsimar Coutinho und sein US-Kollege Sheldon Segal in einem Buch ("Ist die Menstruation überflüssig?") das Ende der Regelblutung: "Die unaufhörliche Menstruation ist unnötig und kann für die Gesundheit der Frauen schädlich sein. Sie ist ein nutzloser Blutverlust."
Auch in einem Essay in der medizinischen Fachzeitschrift "Lancet" hieß es wenig später, die Periode sei meist Schlimmeres, aber "mindestens ein Ärgernis, das Planung, teure Vorräte an Sanitärprodukten und Paracetamol erfordert, um pro Monat eine Woche Schmutz und Beschwerden zu verhindern".
Ihr Hauptargument leiten die Mensesfeinde unter anderem aus den Feldforschungen von Beverly Strassmann bei den Dogon ab, einer Stammesgesellschaft in Mali.
Die Anthropologin fand heraus: Die Periode ist von der Natur als Ausnahmezustand im Leben der Frau gedacht, nicht als Regel. "Aus evolutionsbiologischer Sicht ist es unnatürlich, Monat für Monat zu bluten", sagt Strassmann. Denn ursprünglich lebten Frauen kürzer, bekamen jede Menge Kinder und stillten diese.
In der Folge menstruierten sie selten. So wie heute noch die Frauen in den meisten Ländern Afrikas oder die der australischen Aborigines, die nur rund 160 Zyklen in ihrem Leben durchleben. Denn im Schnitt machen sie sechs Schwangerschaften mit; hinzu kommen jahrelange Stillzeiten, in denen ebenfalls der Zyklus außer Kraft gesetzt ist.
In den industrialisierten Ländern hingegen beginnen die Frauen (wenn überhaupt) erst spät mit dem Gebären; zudem werden sie älter und menstruieren häufiger: eine Amerikanerin etwa 450-mal im Leben.
Wer aber zu oft blute, meinen die Periodengegner, erkranke eher an Brust-, Gebärmutter- und Eierstockkrebs. Brustkrebs könnte durch die allmonatlichen Östrogenschübe verursacht werden. Und ebenfalls Monat für Monat teilen sich eifrigst die Zellen der Gebärmutterschleimhaut, kleiden wieder und wieder das Organ mit einer dicken Wand aus. Je mehr Zellteilungen, so die Theorie, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass dabei Zellen beginnen, sich unkontrolliert zu vermehren - und ein Krebs entsteht.
Tatsächlich senkt die Pille das Risiko, diese Krebsarten zu bekommen, um 40 Prozent, indem sie den Eisprung und damit indirekt die Zellteilung in der Gebärmutterschleimhaut unterdrückt. Umgekehrt haben Nonnen, die ja weder die Pille schlucken noch ihren Zyklus je durch Schwangerschaft oder Stillzeit unterbrechen, ein höheres Risiko, an Unterleibskrebs zu erkranken, als andere Frauen.
Laut Coutinhos und Segals Anti-Menses-Schrift machen zudem Zyklusprobleme die Hälfte aller Beschwerden aus, derentwegen Frauen eine Gynäkologin konsultieren. Eine Studie bei Texas Instruments will gar ergeben haben, dass die Produktivität von Frauen während ihrer Periode um ein Viertel nachließ.
Unter anderem mit Hilfe solcher ökonomischer Argumente fordert der britische "Lancet", dass die Regel wie jeder andere zwar "natürlich vorkommende, aber oft unerwünschte Umstand" betrachtet werden sollte. Dies würde den Frauen ein "glücklicheres, unbeschwerteres Leben" bringen und überhaupt "der Gesellschaft insgesamt helfen".
Viele Frauen werden den Befunden der Menstruationsgegner sicherlich zustimmen, sind doch viele von ihnen selbst die größten Feindinnen der Regel, die auf Englisch auch "The Curse", der Fluch, genannt wird. Laut einer Emnid-Umfrage würden in Deutschland 71 von 100 Frauen im gebärfähigen Alter auf die monatliche Blutung vorübergehend verzichten wollen, mehr als die Hälfte sogar für immer.
Vielleicht hätten Coutinho, Segal, Brenner und Strassmann also ein leichtes Spiel - wenn die Menstruation nicht für viele Frauen durchaus etwas völlig Natürliches oder gar Kostbares bedeuten würde, das es zu erhalten gilt. Die Periode ist keinesfalls für alle ein lästiges Übel. Für viele ist sie Urgrund von Weiblichkeit, ein Monat für Monat aufs Neue angetretener Beweis, dass es das Weib allein ist, das über Fruchtbarkeit und Fortpflanzung entscheidet - es muss keine Mystikerin sein, Mondanbeterin oder Anhängerin dunkler Göttinnen, wer die Blutung als positiv empfindet.
Für solche Frauen liegt es nahe, in Versuchen, die Periode abzuschaffen, eine Fortführung früherer Anstrengungen des Patriarchats zu sehen, allzu bedrohlich Weibliches mindestens zu kontrollieren, am besten aber aus der Gesellschaft zu verbannen. Tatsächlich haben solche Versuche eine uralte Tradition.
Geht es ums blutende Weib, sind sich Christen, Muslime und Juden jedenfalls einig: Es ist unrein. Es darf kein Heiligtum betreten; es wird von der Gemeinschaft isoliert. Hier geht es ebenso wenig um altertümliche Hygienevorschriften wie vorher bei Aristoteles: Auch ihm galt die Menstruation schon als Beleg für die Schwäche und Unterlegenheit des weiblichen Geschlechts. Dem antiken Denker zufolge gelingt nur Männern die Vollendung der inneren Verwandlung von Nahrung in die reinste aller Körperflüssigkeiten - das Sperma. Das Weib hingegen, ein "Mangelwesen", sei feucht und kalt, und daher bekomme es gerade mal den ersten Schritt hin, nämlich die Umwandlung in Blut.
Wie hartnäckig Fundamentalisten den uralten Tabus immer wieder Leben einhauchen, hat die Welt gerade erst wieder durch das Testament des World-Trade-Center-Attentäters Mohammed Atta erfahren: Der Fanatiker verbannte Frauen, die ihre Periode haben, von seiner Trauerfeier.
Und die US-Journalistin Natalie Angier, Autorin eines Buchs über die weibliche Biologie, berichtet, dass es auch heute noch "keine Seltenheit" sei, dass orthodoxe Juden es ablehnen, sich von einer Ärztin behandeln zu lassen, "da die gute Frau Doktor schließlich gerade ihre Periode haben und sie dadurch noch mehr verunreinigen könnte als die Krankheit, an der sie leiden".
Ebenso resistent gegen die moderne Wissenschaft erweisen sich Beobachtungen wie die des römischen Schriftstellers Plinius im ersten Jahrhundert nach Christus. Er schrieb der menstruierenden Frau Hexenkraft zu: Mit ihr zu schlafen bedeute für einen Mann "Krankheit und Gefahr". Allein "durch die Kraft ihrer Augen" säuere sie den Wein, lasse Eisen rosten und Früchte verdorren. Und noch heute erzählen Tanten und Großmütter den Mädchen, dass Mayonnaise während der Periode nicht gelinge und eingekochte Marmelade schimmlig werde.
Vor diesem Hintergrund klingen die Argumente der "Lancet"-Autorinnen seltsam vertraut, wenn sie den Monatszyklus einer Krankheit gleichsetzen, die dauerbehandelt werden müsse "wie Bluthochdruck" oder bestimmte Prostataleiden beim Mann.
Andere Forscher glauben, durch das ständige Beschwören der Menstruationsleiden würden diese erst gefördert: Wer litte nicht an etwas, von dem ihm von Beginn an erzählt wird, es sei eine Krankheit und das Peinlichste und Ekligste, was eine Frau durchs Leben begleitet?
Die zyklischen Stimmungsschwankungen jedenfalls, die angeblich durch die weibliche Periode ausgelöst werden, sind auch Männern nicht unbekannt. Eine psychologische Studie kam zu dem Schluss, dass ihre Psyche sogar stärkeren Wechselbädern unterliegt - und das ganz ohne Monatsblutung.
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