Der Life Science Wissenstest
Die Zeitschrift Science hat zum Jahreswechsel die zehn am meisten zitierten Arbeiten präsentiert, die Faculty of 1000 stellt Tausend Publikationen vor. Hier sind zwölf Sätze zum Thema Life Science im Jahr 2001. Ergebnisse, die unser Leben bereits jetzt und in Kürze maßgeblich bestimmen werden. Die tägliche Fülle an Informationen bildet Meinungen, die brüchig werden können, wenn man sie mit Abstand erneut betrachtet. Richtig oder falsch: Testet, ob Ihr mitreden könnt.
1. Mitteleuropäer werden im Jahr 2050 durchschnittlich 110 Jahre alt.
2. Begeistert vom Ergebnis des Human Genome Project haben sich die Wissenschaftler als nächstes Projekt die Banane ausgesucht.
3. In einigen Labors werden Lebewesen gezüchtet, die bisher noch nicht auf der Erde existieren.
4. Im Weltall werden Nierensteine gebildet.
5. Wissenschaft und Medizin verhindern die Evolution der Menschen, weil es nicht mehr die Auslese der Besten gibt.
6. Nur die Pockenimpfung und nicht die althergebrachte Quarantäne sind in der Lage, die Pockenepidemie von Bioterroristen in den Griff zu bekommen.
7. Die wirksame Behandlung der Virushepatitis C scheiterte bisher am fehlenden Tiermodell.
8. Niemand kann das Gehirn von Toten benutzen, um Krankheiten zu behandeln.
9. Der Enthusiasmus der Genforscher hat den ersten KO-Schlag bekommen. Das Gen für die Parkinson Erkrankung hat sich in Luft aufgelöst.
10. Aids-Kranke sollen verstärkt Knoblauch essen.
11. Zuckerkranke werden ihr Insulin in Biokapseln selbst produzieren.
12. Weihrauch, und nicht Myrrhe ist gegen Krebs wirksam.
Auflösung
Zu 1: falsch
Innerhalb der letzten 100 Jahre hat die Lebensverlängerung tatsächlich einen gewaltigen Schub gemacht. Dennoch nähern wir uns dem Zenit. Die Hochrechnungen lassen vermuten, dass sich das durchschnittliche Lebensalter bei 85 Jahren einpendeln wird. Die Zahl der 100-Jährigen wird prozentual noch etwas zunehmen, insgesamt aber nicht beherrschend werden.. Die für Deutschland vom Statistischen Bundesamt hochgerechnete Zunahme der Senioren entsteht nicht, weil wir 110 Jahre alt werden, sondern weil es einen Mangel an Heranwachsenden geben wird.
Zu 2: richtig
Am 19. Juli 2001 hat sich ein internationales Konsortium darauf geeinigt, ausreichend Geldmittel aufzubringen, damit bis zum Jahr 2006 das Genom der Banane erforscht ist. Musa acuminata calcutta 4, in Indien heimisch, wurde ausgewählt, weil es sich um eine relativ pilzresistente Bananenart handelt. Pilze können bis zum 50 Prozent der Ernten vernichten. Folglich stehen kommerzielle Gründe, nämlich die Suche nach Bananenpflanzen, die biologischen Feinden widerstehen, im Vordergrund des Interesses. Das Genome der Banane wird auf 500-600 Millionen Basenpaare geschätzt und erfordert daher keinen geringeren Aufwand als das Human Genome Project. Der hohe Pro-Kopf-Verbrauch für Bananen in der Bundesrepublik Deutschland ist legendär. Tatsächlich gehören Bananen weltweit zu den drei wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Optimale Wachstumsbedingungen sichern deshalb die Welternährung.
Zu 3: richtig
Nichts zwingt uns, so begründen die Forscher ihr Motiv, mit den herkömmlichen genetischen Strukturen zufrieden zu sein. Wissenschaftler des Scripps Research Institute TSRI, dem größten privaten wissenschaftlichen Forschungszentrum in den USA, haben in Science zwei Ergebnisse publiziert, die von August Böck, dem Leiter am Institut für Genetik und Mikrobiologie in München, als Meilensteine auf dem Weg zu bisher undenkbaren Lebewesen kommentiert wurden. Der einen Arbeitsgruppe ist es gelungen, eine unnatürliche Aminosäure vom Bakterium jannaschii auf das Bakterium Escherichia coli zu übertragen. Die andere Arbeitsgruppe berichtet über den erfolgreichen Austausch von zwei Aminosäuren, ebenfalls bei Bakterien der Gruppe Escherichia coli. Zur Erinnerung: Bakterien dieses Stammes verursachen u.a. blutigen Durchfall und Hirnhautentzündung, die vor allem bei Säuglingen und Senioren tödlich verlaufen, sowie chronisch verlaufende tödliche Entzündungen an Harnwegen und Nieren. Das Besondere der Experimente im TSRI liegt in der lebensfähigen Abart, die weiter vererbt wird. Damit ist der Weg aufgezeichnet, um unbekannte, weil im natürlichen Umfeld nicht vorhandene Neubildungen zu synthetisieren. Die Auswirkungen für den Menschen sind allerdings nicht voraussehbar.
Zu 4: richtig
Die Schwerelosigkeit hat vielfältige Auswirkungen auf den Wasser- und Elektrolythaushalt des Körpers. Da werden Knochen und Muskelgewebe verstärkt abgebaut, und die Menge des täglich gebildeten Harns nimmt im Raumschiff erheblich ab. In den Nieren der Astronauten entstehen zunächst nur kleine Ablagerungen von Salzen; die können sich allerdings im Laufe von Monaten zu Nierensteinen aufkristallisieren. So können Nierenkoliken zu einem ernsten Problem werden. Aus den Erfahrungen der bisherigen Missionen hat die NASA ein Untersuchungsprogramm begonnen, das die stein-verhütende Wirkung von Kaliumzitrat prüft.
Zu 5: falsch
Die Rolle des "Besten" ist gesellschaftspolitisch strittig und biologisch eine relative Größe, weil sich das Umfeld ändert. Keine Angst: Die spontanen evolutionären Veränderungen werden die vom Menschen bewusst erzeugten Neuerungen an Zahl auch weiterhin bei weitem übersteigen. Der Mensch greift nicht nur störend ein, er kann die Evolution sogar fördern. Ein dringendes Problem ist die Bewältigung von Aids in Afrika. Dort wurde bei 5 Prozent der Bevölkerung eine natürliche Immunität gegen HIV-Infektionen und damit gegen Aids beobachtet. Ursache ist das Fehlen des CCR5-Rezeptor-Gens. Diese Besonderheit wird vererbt. Neueste Ergebnisse lassen vermuten, dass der CCR5-Rezeptor durch verschiedene Mechanismen blockiert werden kann, u.a. durch andere Virusinfektion. Da Viren den genetischen Kode dauerhaft verändern können, besteht die Chance, dass HIV-Infizierte den natürlichen Schutz ihren Kindern vererben. Dieses Manöver wird nicht ausreichen, um die Sterblichkeit in Afrika drastisch zu senken. Die Hoffnung ist vielmehr, dadurch den Mechanismen auf die Schliche zu kommen, die den angeborenen natürlichen Schutz bewirken.
Zu 6: falsch
Die Verantwortlichen der Centers for Disease Control ( CDC) in Atlanta können sich nicht damit anfreunden, den Anschlag der Bioterroristen durch die generalisierte Pockenschutzimpfung zu bekämpfen. Meltzer und Mitarbeiter haben in der Computersimulation das Szenarium der Epidemie durchgespielt. In der Modellrechnung kam zweifelsfrei zu Tage, dass die Impfung allein keinen wirklichen Schutz bietet. Quarantäne heißt die einzig überzeugende Lösung. Die konsequente Isolierung mit drastischer Einschränkung der Mobilität ist zugleich die einzige Chance, mit einer gentechnologisch erzeugten Abart der bekannten Pockenviren fertig zu werden. Aus Erfahrung weiß man bereits, dass der herkömmliche Impfstoff bei einigen wenigen natürlich vorkommenden Mutanten versagt.
Zu 7: richtig
Weltweit, so wird vermutet, sind nahezu 200 Millionen Menschen mit der Virushepatitis C infiziert. Der Erkrankung ist tödlich, weil sie schleichend in die Leberzirrhose übergeht. Die bisherigen Behandlungsversuche waren ein Herumprobieren: Es gibt keine sicheren Messwerte, die den Erfolg oder Misserfolg dokumentieren oder verraten, ob es zu einem Rückfall kommt. An der Universität von Alberta in Kanada ist einer Forschergruppe gelungen, menschliche Leberzellen in die Leber eines genetisch veränderte Mäusestamms einzupflanzen, so dass die menschlichen Leberzellen dort weiter neben den Mäusezellen existieren. Die Mäuse können anschließend mit dem Hepatitisvirus infiziert werden. Das Tiermodell bietet ungeahnte Aussichten für die Wissenschaftler. Endlich kann die Wirksamkeit von Arzneimitteln geprüft werden. Und mehr noch: Die Ausbreitung des Hepatitisvirus kann detailliert verfolgt und die Mechanismen gefunden werden, die es dem Virus erlauben, sich zum chronischen Untermieter zu mausern.
Zu 8: falsch
Wissenschaftler am Salk Institut haben Hirnzellen von Verstorbenen gewonnen und kultiviert. Das Gewebe kann in das Gehirn von Parkinson-Kranken implantiert werden und die Schüttellähmung, so der alte Name der Erkrankung, heilen. Das Vorgehen nimmt eine Tradition auf, die früher in der Arzneimittelforschung durchaus gebräuchlich war und heute noch für die Gewinnung verschiedener lebensrettender Hormone benutzt wird. Die Technik des Salk Instituts hat ferner gezeigt: Durch die richtige Wahl des Nährmediums kann die Ausbeute um das 70fache gesteigert werden. Für die Gegner des Klonens sind die Ergebnisse ein Beweis, dass vieles ohne Embryonen geht.
Zu 9: richtig
Eine internationale Forschergruppe hat herausgefunden, dass die Erwartungen, die dem Tau-Gen entgegengebracht wurden, fehlleiten. Die Parkinson Erkrankung gehört zu den häufigsten Nervenkrankheiten. Sie kommt familiär gehäuft vor und bildet sich gewöhnlich im höheren Lebensalter aus. Umweltfaktoren, beispielsweise das Versprühen von Insektenvertilgungsmitteln, fördern nachweislich den Ausbruch des Parkinson. Die Genforscher vertraten allerdings die Auffassung, der Effekt werde nur wirksam, wenn die angeborene Bereitschaft vorhanden ist. Das als Kandidat der ersten Wahl gehandelte Tau-Gen ist es jedenfalls nicht. Die Wissenschaftler haben mehr als 1000 Personen aus 235 Familien untersucht, in denen die Schüttellähmung vererbt wird. Die Voraussagen scheiterten kläglich. Um nicht alle Hoffnung zu verlieren, wird hypothetisiert, das untersuchte Gen sei nicht spezifisch genug. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass Störungen an mehreren Stellen zusammenkommen müssen (Polymorphie).
Zu 10: falsch
Knoblauch senkt nicht nur den Bluthochdruck und hilft gegen Akne. Die Zahl der Effekte ist offenbar weit unterschätzt. Untersucher vom National Institutes of Health (NIH) haben nachgewiesen, dass eines der retroviralen Arzneimittel, nämlich Saquinavir, durch die gleichzeitige Einnahme von Knoblauch an Wirksamkeit beachtlich verliert Die Blutkonzentration des Arzneimittels nahm in nicht vorhersehbarer Weise auf die Hälfte ab. Ob und inwieweit andere Wirkstoffe ebenfalls betroffen sind, ist ungeklärt. Folglich sollte Knoblauch bis auf Weiteres von Aids-Kranken gemieden werden.
Zu 11: richtig
Die beiden Biotechniker L.Leoni und A.Desai von der Universität Illinois haben im November 2001 in IEEE Transactions on Biomedical Engineering ( IEEE Trans Biomed Eng 2001;48:1335-1341) eine implantierbare Biokapsel vorgestellt. Sie ist von einer Membran überzogen, die 24,5 nm große Poren aufweist. Im Inneren befinden sich insulin-produzierende Zellen. Durch den Austausch über die Membran werden die gefangenen Zellen ernährt; andererseits gelangt das von ihnen synthetisierte Insulin in den Blutstrom. Diese physiologische Technik verspricht mehr Erfolg als die quasi starren Insulinpumpen.
Zu 12: falsch
Wer es bisher noch nicht wusste: Myrrhe wird seit den Drei Weisen aus dem Morgenland als Schmerzmittel, sowie gegen Magendrücken und bei Durchfall eingesetzt. Die genauere Erforschung zeigt nun, dass in der Pflanze sechs Sesquiterpenoide enthalten sind, die zu der hoffnungsvollen Gruppe der Terpene gerechnet werden. Die Arbeitsgruppe von Zhu ( Furanosesquiterpenoids of Commiphona myrrha.) hat zusätzlich zu den bekannten noch zwei weitere Bestandteile gefunden und isoliert. Im Test mit einer Brustkrebs-Zellinie (MCF-7), die gegen die herkömmlichen Krebsmedikamente resistent ist, konnte für eines der beiden bisher unbekannten Stoffe der krebshemmende Effekt nachgewiesen werden. Die Forscher vermuten, dass die Wirkung über eine Blockade des von den Tumorzellen überschießend gebildeten Bcl-2 Proteins erfolgt. In diesem Falle wäre das Sesquiterpenoid ein Kandidat sowohl für den Brustkrebs wie auch für das Prostatakarzinom.
Gruß
Happy End