"Da muss schon mehr passieren"
Der große Kurscrash nach den Anschlägen von London fällt aus. Keine 24 Stunden nach den Terrorakten drehen die Börsen in Europa und Amerika wieder ins Plus. Die Märkte haben sich an den Terror und seine Folgen gewöhnt.
Hamburg/Frankfurt am Main/New York - Nach den Anschlägen in London haben sich deutsche Aktien überwiegend von ihren kräftigen Vortagsverlusten erholt. Der Leitindex Dax stieg im frühen Handel um 0,81 Prozent auf 4.566,96 Punkte. Der MDax für mittlere Werte verbesserte sich um 0,79 Prozent auf 3824,11 Punkte und der TecDax gewann 1,68 Prozent auf 559,06 Punkte.
Ähnlich sah es an anderen europäischen Märkten aus. Der britische FTSE-Index startete ebenso im Plus wie der französische CAC-40 . Beide hatten ihrerseits gestern massive Abschläge hinnehmen müssen.
Vor allem die positive Entwicklung der US-Börsen ließen Dax, FTSE und CAC steigen. Der New Yorker Aktienmarkt hatte gestern trotz der tödlichen Anschläge höher geschlossen. Der Dow Jones für 30 Industriewerte stieg um 31,61 Punkte (0,31 Prozent) auf 10.302,29 Zähler, der Composite-Index der Technologiebörse Nasdaq stieg um 7,01 Punkte (0,34 Prozent) auf 2075,66 Zähler.
"Das ist die Welt, in der wir leben"
Beobachter nannten den Zeitpunkt der Anschläge am Morgen in der britischen Hauptstadt und die Zeitverschiebung als Grund dafür, dass die Explosionen in Amerika nicht zu einem Kursrutsch führten. "Leider ist das die Welt, in der wir jetzt leben", sagte ein Händler der Firma Ryan Beck & Co. "Vor fünf Jahren wäre der Markt viel mehr eingebrochen. Heute sehen wir es als eine Kaufgelegenheit; es gibt keine Panik."
Tatsächlich entwickeln die Börsen zusehends eine gewisse Immunität gegen den Terror. Die Attacken auf das World Trade Center 2001 trafen die Finanzmärkte Mitten ins Herz und hatten zu einer globalen Wirtschaftskrise geführt. "Der absolute Schrecken hat mit dem 11. September eine neue Dimension bekommen, auch an den Märkten. Daran messen die Börsen nun die Folgen von Terrorismus", sagt der Chefanalyst des Bankhauses Metzler, Johannes Reich, gegenüber SPIEGEL ONLINE. Reich erkennt an den Börsen dabei einen gewissen Lerneffekt was den Umgang mit Terror angeht und verweist auf das Beispiel Israel. Dort reagiere der Markt kaum noch auf Attentate, so Reich. Anschläge würden immer stärker nach ihren rein ökonomischen Folgen beurteilt.
Schon bei den Attentaten von Madrid im vergangenen Jahr waren die Auswirkungen überschaubar. Bereits damals hatten einige Marktteilnehmer davor gewarnt, dass die Folgen gravierender sein dürften, wenn ein Finanzzentrum wie Frankfurt oder London das Ziel der Terroristen wird.
"London musste man erwarten"
Eben dies ist nun geschehen, sogar mit direkten Auswirkungen auf das Geschäft, da das Londoner Clearing House evakuiert wurde. Das Clearing House umfasst die drei Börsen London International Financial Futures and Options Exchange (Liffe), die London Metal Exchange (LME) und die International Petroleum Exchange (IPE).
Und dennoch halten sich die Verluste in Grenzen. "London musste man erwarten", sagt Reich. Das Verhaltensmuster der Anleger spreche dabei für sich. Bei den ersten Nachrichten über Explosionen in der britischen Hauptstadt seien die Märkte in sichere Staatsanleihen geflüchtet und hätten Aktien massenhaft verkauft. Als dann aber klar war, dass der Angriff "nur" mit Bomben durchgeführt wurde, legten die Aktien wieder zu.
Weitaus schlimmer wären die Folgen möglicherweise gewesen, hätte es sich um eine Attacke mit Atom-, Bio- oder Chemiewaffen gehandelt, sagt Reich. Dies wäre dann eine andere Dimension. "Dann könnten die Folgen an den Märkten gravierender sein, je nachdem wie die Auswirkungen eines solchen Angriffs eingeschätzt werden." Deutlicher drückt es ein Frankfurter Börsianer aus: "Es ist zwar traurig, dies so sagen zu müssen, aber es muss schon mehr passieren, um die Finanzmärkte dauerhaft zu verunsichern."
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,364248,00.html
Die Märkte sind nervös, aber stabil
Die Finanzmärkte haben auf die Terroranschläge am Donnerstag morgen in London zunächst mit einer „Flucht in die Sicherheit” reagiert. Doch die Unsicherheit hatte sich schon bald wieder gelegt.
Nach den anfänglich deutlichen Kursverlusten an den europäischen Aktienmärkten sorgten Käufe institutioneller Investoren schon am Nachmittag wieder für steigende Kurse. „Auch wenn es für eine generelle Einschätzung der Lage noch viel zu früh ist, empfiehlt es sich, von übereilten Anlageentscheidungen Abstand zu nehmen”, sagt Helmut Kaiser, Leiter der Investmentstrategie im Private Banking bei der Deutschen Bank.
Starke Käufe
Mit ähnlichen Worten mahnten die meisten Anlagestrategen zur Besonnenheit. Sie verwiesen darauf, daß die Terroranschläge im März 2004 in Madrid für Wirtschaft und Finanzmärkte letztlich nur geringe Auswirkungen hatten. „Das Ereignis war überraschend, die Reaktion an den Börsen hingegen nicht”, kommentiert der Aktienstratege einer deutschen Großbank das Geschehen. Da das Ausmaß der Anschlagserie und die Folgen zunächst unklar gewesen seien, habe der Markt in einer ersten Reaktion nach vergleichsweise sicheren Anlagewerten gesucht.
Als Folge sind die großen europäischen Aktienindizes zunächst um bis zu 4 Prozent gefallen; gleichzeitig trieben starke Käufe die Kurse der Staatsanleihen nach oben. Doch beruhigte sich die Stimmung, nachdem das Ausmaß der Schäden einigermaßen überschaubar wurde. „Die an sich stabilen fundamentalen Volkswirtschafts- und Unternehmensdaten ändern sich nicht über Nacht, und die Märkte sind auf der ermäßigten Basis zwar nervös, aber stabil”, sagt Deutsche-Bank-Stratege Kaiser.
Nur leichte Einbußen
Zahlreiche Analysten verglichen die Terroranschläge mit denen in Madrid vom vergangenen Jahr. Diese Attacken hätten viel menschliches Leid verursacht und erheblichen Einfluß auf die spanische Innenpolitik genommen. Doch sei die spanische Wirtschaft davon kaum in Mitleidenschaft gezogen worden. Trotz einer kurzen Eintrübung des Konsumentenvertrauens sei Spaniens Wirtschaft im vergangenen Jahr um 3,1 Prozent gewachsen und damit eine der europäischen Konjunkturlokomotiven gewesen, sagt Karsten Junius, Europa-Fachmann bei der Deka-Bank.
Entsprechend gemäßigt fiel auch die Reaktion an den Aktienmärkten rund um den Globus aus. So hatte der Dow-Jones-World-Stock-Index nach den Ereignissen am 11. März 2004 in Madrid nur leichte Einbußen erlitten und lag schon Anfang April wieder deutlich höher (siehe Graphik).
Rabattaktionen der Autokonzerne
Deutlich stärker haben die Finanzmärkte auf die Terroranschläge in New York am 11. September 2001 reagiert. Seinerzeit sei der Index für das amerikanische Konsumentenvertrauen von 97 Punkten im September auf 85 Punkte im November abgesackt, berichtet Rudolf Besch, Amerikaexperte bei der Deka-Bank.
Doch schon bis Januar sei dieser Index wieder auf 98 Punkte gestiegen. Dazu beigetragen hatten gezielte Gegenmaßnahmen von Politik und Wirtschaft: So haben die amerikanische und viele weitere Notenbanken ihre Leitzinsen gesenkt, um die Wirtschaft zu stimulieren. Gleichzeitig haben zum Beispiel die Autokonzerne mit Rabattaktionen die Kaufstimmung der Verbraucher angeheizt.
„Die Märkte zittern”
Der Weltaktienindex zeigt, daß die Börsen daraufhin den größten Teil der Einbußen schon Ende September wieder wettgemacht hatten. Auch wenn es sich sehr abgebrüht anhöre, merkt Kaiser dazu an, die Erfahrung lehre, daß ein durch Terrorattacken und ähnliche Schocks ausgelöster Kursverfall mittel- und langfristig eine Kaufgelegenheit sei.
Ziel der Terroristen sei, die attackierte Gesellschaft durcheinanderzuwirbeln, sagt Thomas Mayer, der Chefökonom Europa der Deutschen Bank in London. „Die Spanier haben das nicht zugelassen.” Die Briten dürften ähnlich besonnen reagieren, zumal sie mit Attacken der IRA ähnliches schon durchgemacht haben. „Die Märkte zittern, aber die Menschen seien robuster als vermutet”, meint der Ökonom.
Quelle: faznet.de
Der große Kurscrash nach den Anschlägen von London fällt aus. Keine 24 Stunden nach den Terrorakten drehen die Börsen in Europa und Amerika wieder ins Plus. Die Märkte haben sich an den Terror und seine Folgen gewöhnt.
Hamburg/Frankfurt am Main/New York - Nach den Anschlägen in London haben sich deutsche Aktien überwiegend von ihren kräftigen Vortagsverlusten erholt. Der Leitindex Dax stieg im frühen Handel um 0,81 Prozent auf 4.566,96 Punkte. Der MDax für mittlere Werte verbesserte sich um 0,79 Prozent auf 3824,11 Punkte und der TecDax gewann 1,68 Prozent auf 559,06 Punkte.
Ähnlich sah es an anderen europäischen Märkten aus. Der britische FTSE-Index startete ebenso im Plus wie der französische CAC-40 . Beide hatten ihrerseits gestern massive Abschläge hinnehmen müssen.
Vor allem die positive Entwicklung der US-Börsen ließen Dax, FTSE und CAC steigen. Der New Yorker Aktienmarkt hatte gestern trotz der tödlichen Anschläge höher geschlossen. Der Dow Jones für 30 Industriewerte stieg um 31,61 Punkte (0,31 Prozent) auf 10.302,29 Zähler, der Composite-Index der Technologiebörse Nasdaq stieg um 7,01 Punkte (0,34 Prozent) auf 2075,66 Zähler.
"Das ist die Welt, in der wir leben"
Beobachter nannten den Zeitpunkt der Anschläge am Morgen in der britischen Hauptstadt und die Zeitverschiebung als Grund dafür, dass die Explosionen in Amerika nicht zu einem Kursrutsch führten. "Leider ist das die Welt, in der wir jetzt leben", sagte ein Händler der Firma Ryan Beck & Co. "Vor fünf Jahren wäre der Markt viel mehr eingebrochen. Heute sehen wir es als eine Kaufgelegenheit; es gibt keine Panik."
Tatsächlich entwickeln die Börsen zusehends eine gewisse Immunität gegen den Terror. Die Attacken auf das World Trade Center 2001 trafen die Finanzmärkte Mitten ins Herz und hatten zu einer globalen Wirtschaftskrise geführt. "Der absolute Schrecken hat mit dem 11. September eine neue Dimension bekommen, auch an den Märkten. Daran messen die Börsen nun die Folgen von Terrorismus", sagt der Chefanalyst des Bankhauses Metzler, Johannes Reich, gegenüber SPIEGEL ONLINE. Reich erkennt an den Börsen dabei einen gewissen Lerneffekt was den Umgang mit Terror angeht und verweist auf das Beispiel Israel. Dort reagiere der Markt kaum noch auf Attentate, so Reich. Anschläge würden immer stärker nach ihren rein ökonomischen Folgen beurteilt.
Schon bei den Attentaten von Madrid im vergangenen Jahr waren die Auswirkungen überschaubar. Bereits damals hatten einige Marktteilnehmer davor gewarnt, dass die Folgen gravierender sein dürften, wenn ein Finanzzentrum wie Frankfurt oder London das Ziel der Terroristen wird.
"London musste man erwarten"
Eben dies ist nun geschehen, sogar mit direkten Auswirkungen auf das Geschäft, da das Londoner Clearing House evakuiert wurde. Das Clearing House umfasst die drei Börsen London International Financial Futures and Options Exchange (Liffe), die London Metal Exchange (LME) und die International Petroleum Exchange (IPE).
Und dennoch halten sich die Verluste in Grenzen. "London musste man erwarten", sagt Reich. Das Verhaltensmuster der Anleger spreche dabei für sich. Bei den ersten Nachrichten über Explosionen in der britischen Hauptstadt seien die Märkte in sichere Staatsanleihen geflüchtet und hätten Aktien massenhaft verkauft. Als dann aber klar war, dass der Angriff "nur" mit Bomben durchgeführt wurde, legten die Aktien wieder zu.
Weitaus schlimmer wären die Folgen möglicherweise gewesen, hätte es sich um eine Attacke mit Atom-, Bio- oder Chemiewaffen gehandelt, sagt Reich. Dies wäre dann eine andere Dimension. "Dann könnten die Folgen an den Märkten gravierender sein, je nachdem wie die Auswirkungen eines solchen Angriffs eingeschätzt werden." Deutlicher drückt es ein Frankfurter Börsianer aus: "Es ist zwar traurig, dies so sagen zu müssen, aber es muss schon mehr passieren, um die Finanzmärkte dauerhaft zu verunsichern."
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,364248,00.html
Die Märkte sind nervös, aber stabil
Die Finanzmärkte haben auf die Terroranschläge am Donnerstag morgen in London zunächst mit einer „Flucht in die Sicherheit” reagiert. Doch die Unsicherheit hatte sich schon bald wieder gelegt.
Nach den anfänglich deutlichen Kursverlusten an den europäischen Aktienmärkten sorgten Käufe institutioneller Investoren schon am Nachmittag wieder für steigende Kurse. „Auch wenn es für eine generelle Einschätzung der Lage noch viel zu früh ist, empfiehlt es sich, von übereilten Anlageentscheidungen Abstand zu nehmen”, sagt Helmut Kaiser, Leiter der Investmentstrategie im Private Banking bei der Deutschen Bank.
Starke Käufe
Mit ähnlichen Worten mahnten die meisten Anlagestrategen zur Besonnenheit. Sie verwiesen darauf, daß die Terroranschläge im März 2004 in Madrid für Wirtschaft und Finanzmärkte letztlich nur geringe Auswirkungen hatten. „Das Ereignis war überraschend, die Reaktion an den Börsen hingegen nicht”, kommentiert der Aktienstratege einer deutschen Großbank das Geschehen. Da das Ausmaß der Anschlagserie und die Folgen zunächst unklar gewesen seien, habe der Markt in einer ersten Reaktion nach vergleichsweise sicheren Anlagewerten gesucht.
Als Folge sind die großen europäischen Aktienindizes zunächst um bis zu 4 Prozent gefallen; gleichzeitig trieben starke Käufe die Kurse der Staatsanleihen nach oben. Doch beruhigte sich die Stimmung, nachdem das Ausmaß der Schäden einigermaßen überschaubar wurde. „Die an sich stabilen fundamentalen Volkswirtschafts- und Unternehmensdaten ändern sich nicht über Nacht, und die Märkte sind auf der ermäßigten Basis zwar nervös, aber stabil”, sagt Deutsche-Bank-Stratege Kaiser.
Nur leichte Einbußen
Zahlreiche Analysten verglichen die Terroranschläge mit denen in Madrid vom vergangenen Jahr. Diese Attacken hätten viel menschliches Leid verursacht und erheblichen Einfluß auf die spanische Innenpolitik genommen. Doch sei die spanische Wirtschaft davon kaum in Mitleidenschaft gezogen worden. Trotz einer kurzen Eintrübung des Konsumentenvertrauens sei Spaniens Wirtschaft im vergangenen Jahr um 3,1 Prozent gewachsen und damit eine der europäischen Konjunkturlokomotiven gewesen, sagt Karsten Junius, Europa-Fachmann bei der Deka-Bank.
Entsprechend gemäßigt fiel auch die Reaktion an den Aktienmärkten rund um den Globus aus. So hatte der Dow-Jones-World-Stock-Index nach den Ereignissen am 11. März 2004 in Madrid nur leichte Einbußen erlitten und lag schon Anfang April wieder deutlich höher (siehe Graphik).
Rabattaktionen der Autokonzerne
Deutlich stärker haben die Finanzmärkte auf die Terroranschläge in New York am 11. September 2001 reagiert. Seinerzeit sei der Index für das amerikanische Konsumentenvertrauen von 97 Punkten im September auf 85 Punkte im November abgesackt, berichtet Rudolf Besch, Amerikaexperte bei der Deka-Bank.
Doch schon bis Januar sei dieser Index wieder auf 98 Punkte gestiegen. Dazu beigetragen hatten gezielte Gegenmaßnahmen von Politik und Wirtschaft: So haben die amerikanische und viele weitere Notenbanken ihre Leitzinsen gesenkt, um die Wirtschaft zu stimulieren. Gleichzeitig haben zum Beispiel die Autokonzerne mit Rabattaktionen die Kaufstimmung der Verbraucher angeheizt.
„Die Märkte zittern”
Der Weltaktienindex zeigt, daß die Börsen daraufhin den größten Teil der Einbußen schon Ende September wieder wettgemacht hatten. Auch wenn es sich sehr abgebrüht anhöre, merkt Kaiser dazu an, die Erfahrung lehre, daß ein durch Terrorattacken und ähnliche Schocks ausgelöster Kursverfall mittel- und langfristig eine Kaufgelegenheit sei.
Ziel der Terroristen sei, die attackierte Gesellschaft durcheinanderzuwirbeln, sagt Thomas Mayer, der Chefökonom Europa der Deutschen Bank in London. „Die Spanier haben das nicht zugelassen.” Die Briten dürften ähnlich besonnen reagieren, zumal sie mit Attacken der IRA ähnliches schon durchgemacht haben. „Die Märkte zittern, aber die Menschen seien robuster als vermutet”, meint der Ökonom.
Quelle: faznet.de