Mit eher unspektakulären Massenautos enttäuscht Citroën die Nostalgiker - doch dafür verdient der französische Hersteller jetzt richtig Geld.
Die Erwartungen waren groß und weit gehend unerfüllbar. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung 1999 in Frankfurt hatte der französische Autohersteller Citroën eine exotische Kleinwagenstudie namens "C3" gezeigt.
Citroen C3
Mit komplett kippbaren Sitzen, schrankartig sich öffnenden Türen ohne Mittelsäule und einem an Raumschiff-Cockpits gemahnenden Armaturenbrett weckte der Prototyp Hoffnungen. Endlich, hofften Nostalgiker, würde der französische Autohersteller wieder einen echten Citroën bauen.
Das serienreife Resultat kommt nun in diesem Frühjahr auf den Markt. Von der innovativen Studie übernommen wurde zwar das hoch gewölbte Kuppeldach, das in seiner Buckligkeit ein wenig an die selige "Ente", den Citroën 2 CV, erinnert. Im Übrigen aber ist der neue Citroën C3 ein ganz normales Auto, in das man durch ganz normale Türen einsteigt, das ganz normal fährt und das mit seinem Hartplastik-Interieur eher etwas billig aussieht - und mit einem geplanten Grundpreis von 11.520 Euro auch relativ billig ist.
Der neue C3 ist keine neue "Ente" und auch keine fliegende Untertasse. Er könnte auch von Opel sein oder von Mazda. Im Konzernverbund mit Peugeot hat sich die einstige Avantgardemarke zu einem ebenso gewöhnlichen wie erfolgreichen Automobilhersteller gewandelt. Der Ausdruck bizarrer Kreativität, der Citroën-Produkten einst anhaftete, wird von dem heutigen Management unter Präsident Jean-Martin Folz und Markenchef Claude Satinet konsequent vermieden.
Eher preiswert statt extravagant
Und das aus gutem Grund. Denn die technischen und stilistischen Eskapaden, denen viele Citroën-Enthusiasten heute nachweinen, führten betriebswirtschaftlich betrachtet schon zweimal in die Katastrophe. Die Marke, so die Satinet-Devise, dürfe nicht wieder "in Schönheit sterben".
Mit dieser Maxime steuert Citroën in Wahrheit zu seinen längst vergessenen Ursprüngen zurück. Firmengründer André Citroën war ein Pionier industrieller Massenproduktion. Mit der Herstellung von Zahnrädern (daher auch das zackige Firmenzeichen) und einer Munitionsfabrik begann er seine Unternehmerkarriere.
Nach dem Ersten Weltkrieg verlegte er sich auf die Produktion von Autos nach amerikanischem Vorbild und führte als erster Automobilfabrikant Europas 1922 das Fließband ein. Die unternehmerische Fortune mischte sich mit "Leidenschaft zu persönlichem Ruhm", so das Schweizer Fachmagazin "Automobil Revue" - und endete mit einer Aufsehen erregenden Neuentwicklung, an der sich Citroën letztlich verhob.
Mit enormem technischem Aufwand entwickelte Citroën in den Dreißigern das erste frontgetriebene Großserienauto der Welt. Der gespenstische "Traction Avant", im Rückblick als "Gangster-Citroën" bekannt geworden, erforderte eine totale Umstellung der Produktionsanlagen und wurde von dem ungeduldigen Firmengründer zu hastig auf den Markt gedrückt. Der Absatz stockte, die Kinderkrankheiten nahmen kein Ende. Im Dezember 1934 musste Citroën sein Unternehmen für zahlungsunfähig erklären. Der Reifenfabrikant Michelin übernahm die Firma.
Im Unternehmen blieb Konstrukteur André Lefebvre, der Kopf hinter all den wunderlichen Gefährten, mit denen Citroën zum Hightech-Harlekin der Fahrzeugbranche wurde.
Kultauto 2 CV : Die "Ente"
Nach dem Minimal-Auto 2 CV, das laut Lastenheft vier Personen, einen Sack Kartoffeln und einen Karton Eier bruchfrei über einen Feldweg transportieren können sollte und dann zum Kultmobil der Flower Power aufstieg, schuf Lefebvre die Citroën-Ikone DS.
Die "Göttin" (französisch: "déesse") fiel 1955 "vom Himmel", schwärmte etwa der Philosoph Roland Barthes und nannte sie ein "superlativistisches Objekt". Ihre fischige Karosserie glitt auf einem Luftfahrwerk einher, dessen Zentralhydraulik auch die Servolenkung und die halbautomatische Schaltung versorgte.
Der Wagen galt als Wunderwerk der Fahrsicherheit und soll General de Gaulle in den frühen Sechzigern das Leben gerettet haben: Dessen
Chauffeur konnte bei einem Anschlag angeblich trotz zerschossener Reifen mit dem Präsidenten-Citroën erfolgreich flüchten.
Auch Mercedes-Ingenieure besorgten sich damals eine DS, um deren gerühmtes Fahrverhalten zu erproben. Dabei riss Versuchsfahrer Friedrich van Winsen das Auto derart ungestüm durch eine Linkskurve, dass sich die Karosserie extrem verdrehte und die Beifahrertür aufsprang. Messtechniker Hans Werner flog samt seinen Utensilien auf die Straße. Solche Härtetests, erklärten die Franzosen verschnupft, entsprächen nicht den Fahrgewohnheiten ihrer Kundschaft.
Für die kostspieligen Ambitionen der Konstrukteure war der Käuferkreis des französischen Herstellers letztlich zu klein. Im Zuge der Ölkrise blutete das Unternehmen finanziell aus. 1976 fusionierte Citroën mit Peugeot zum PSA-Konzern.
Diese Allianz hat sich zum zweitgrößten Autoimperium Europas nach Volkswagen entwickelt. Und Citroën ist in diesem Verbund nicht nur ein exotisches Anhängsel; die Marke trägt rund 40 Prozent zum Gesamtabsatz bei. Im vergangenen Jahr wurden weit über 1,2 Millionen Citroën-Fahrzeuge produziert und verkauft.
Vorwiegend sind es Klein- und Mittelklassewagen, die auf gemeinsamen Entwicklungsplattformen mit Peugeot-Fahrzeugen entstanden sind. Was beide Marken technisch vor allen anderen Herstellern der Welt auszeichnet, ist der Großserien-Einsatz von Rußfiltern in Dieselfahrzeugen.
Im Übrigen setzt die Konzernstrategie für Citroën inzwischen eine klare Priorität: preiswerte Autos statt großer Extravaganzen. Vorrang in der Entwicklung hat derzeit ein Gemeinschaftsprojekt mit Toyota: ein weiterer, noch günstigerer Kleinwagen, der im Niedriglohnland Tschechien gebaut werden soll.
Aus der oberen Fahrzeugklasse, wo einst die "Göttin" DS glänzte, hat sich Citroën vorübergehend ganz zurückgezogen. In frühestens zwei Jahren wird der C6 erwartet, der die Luxustradition wieder aufnehmen könnte. Für individuelle technische Lösungen wird dabei kein unbegrenzter Spielraum bleiben, denn der große Citroën muss sich eine Entwicklungsplattform mit dem Nachfolger des Peugeot 607 teilen.
So wird die Tradition des skurrilen Fahrzeugbaus eher in kleinen Marketing-Gags fortleben als in großen Entwürfen. Im Rahmen der Fahrvorstellung des C3 versuchten Citroën-Ingenieure eine Fernreparatur per Datenleitung.
Von der Pariser Service-Zentrale aus sollte ein Techniker die elektrische Zentralverriegelung eines online verstöpselten C3 über seine PC-Tastatur in Stand setzen. In guter Citroën-Manier misslang das Kunststück. Die Datenleitung bockte.
Die Erwartungen waren groß und weit gehend unerfüllbar. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung 1999 in Frankfurt hatte der französische Autohersteller Citroën eine exotische Kleinwagenstudie namens "C3" gezeigt.
Citroen C3
Mit komplett kippbaren Sitzen, schrankartig sich öffnenden Türen ohne Mittelsäule und einem an Raumschiff-Cockpits gemahnenden Armaturenbrett weckte der Prototyp Hoffnungen. Endlich, hofften Nostalgiker, würde der französische Autohersteller wieder einen echten Citroën bauen.
Das serienreife Resultat kommt nun in diesem Frühjahr auf den Markt. Von der innovativen Studie übernommen wurde zwar das hoch gewölbte Kuppeldach, das in seiner Buckligkeit ein wenig an die selige "Ente", den Citroën 2 CV, erinnert. Im Übrigen aber ist der neue Citroën C3 ein ganz normales Auto, in das man durch ganz normale Türen einsteigt, das ganz normal fährt und das mit seinem Hartplastik-Interieur eher etwas billig aussieht - und mit einem geplanten Grundpreis von 11.520 Euro auch relativ billig ist.
Der neue C3 ist keine neue "Ente" und auch keine fliegende Untertasse. Er könnte auch von Opel sein oder von Mazda. Im Konzernverbund mit Peugeot hat sich die einstige Avantgardemarke zu einem ebenso gewöhnlichen wie erfolgreichen Automobilhersteller gewandelt. Der Ausdruck bizarrer Kreativität, der Citroën-Produkten einst anhaftete, wird von dem heutigen Management unter Präsident Jean-Martin Folz und Markenchef Claude Satinet konsequent vermieden.
Eher preiswert statt extravagant
Und das aus gutem Grund. Denn die technischen und stilistischen Eskapaden, denen viele Citroën-Enthusiasten heute nachweinen, führten betriebswirtschaftlich betrachtet schon zweimal in die Katastrophe. Die Marke, so die Satinet-Devise, dürfe nicht wieder "in Schönheit sterben".
Mit dieser Maxime steuert Citroën in Wahrheit zu seinen längst vergessenen Ursprüngen zurück. Firmengründer André Citroën war ein Pionier industrieller Massenproduktion. Mit der Herstellung von Zahnrädern (daher auch das zackige Firmenzeichen) und einer Munitionsfabrik begann er seine Unternehmerkarriere.
Nach dem Ersten Weltkrieg verlegte er sich auf die Produktion von Autos nach amerikanischem Vorbild und führte als erster Automobilfabrikant Europas 1922 das Fließband ein. Die unternehmerische Fortune mischte sich mit "Leidenschaft zu persönlichem Ruhm", so das Schweizer Fachmagazin "Automobil Revue" - und endete mit einer Aufsehen erregenden Neuentwicklung, an der sich Citroën letztlich verhob.
Mit enormem technischem Aufwand entwickelte Citroën in den Dreißigern das erste frontgetriebene Großserienauto der Welt. Der gespenstische "Traction Avant", im Rückblick als "Gangster-Citroën" bekannt geworden, erforderte eine totale Umstellung der Produktionsanlagen und wurde von dem ungeduldigen Firmengründer zu hastig auf den Markt gedrückt. Der Absatz stockte, die Kinderkrankheiten nahmen kein Ende. Im Dezember 1934 musste Citroën sein Unternehmen für zahlungsunfähig erklären. Der Reifenfabrikant Michelin übernahm die Firma.
Im Unternehmen blieb Konstrukteur André Lefebvre, der Kopf hinter all den wunderlichen Gefährten, mit denen Citroën zum Hightech-Harlekin der Fahrzeugbranche wurde.
Kultauto 2 CV : Die "Ente"
Nach dem Minimal-Auto 2 CV, das laut Lastenheft vier Personen, einen Sack Kartoffeln und einen Karton Eier bruchfrei über einen Feldweg transportieren können sollte und dann zum Kultmobil der Flower Power aufstieg, schuf Lefebvre die Citroën-Ikone DS.
Die "Göttin" (französisch: "déesse") fiel 1955 "vom Himmel", schwärmte etwa der Philosoph Roland Barthes und nannte sie ein "superlativistisches Objekt". Ihre fischige Karosserie glitt auf einem Luftfahrwerk einher, dessen Zentralhydraulik auch die Servolenkung und die halbautomatische Schaltung versorgte.
Der Wagen galt als Wunderwerk der Fahrsicherheit und soll General de Gaulle in den frühen Sechzigern das Leben gerettet haben: Dessen
Chauffeur konnte bei einem Anschlag angeblich trotz zerschossener Reifen mit dem Präsidenten-Citroën erfolgreich flüchten.
Auch Mercedes-Ingenieure besorgten sich damals eine DS, um deren gerühmtes Fahrverhalten zu erproben. Dabei riss Versuchsfahrer Friedrich van Winsen das Auto derart ungestüm durch eine Linkskurve, dass sich die Karosserie extrem verdrehte und die Beifahrertür aufsprang. Messtechniker Hans Werner flog samt seinen Utensilien auf die Straße. Solche Härtetests, erklärten die Franzosen verschnupft, entsprächen nicht den Fahrgewohnheiten ihrer Kundschaft.
Für die kostspieligen Ambitionen der Konstrukteure war der Käuferkreis des französischen Herstellers letztlich zu klein. Im Zuge der Ölkrise blutete das Unternehmen finanziell aus. 1976 fusionierte Citroën mit Peugeot zum PSA-Konzern.
Diese Allianz hat sich zum zweitgrößten Autoimperium Europas nach Volkswagen entwickelt. Und Citroën ist in diesem Verbund nicht nur ein exotisches Anhängsel; die Marke trägt rund 40 Prozent zum Gesamtabsatz bei. Im vergangenen Jahr wurden weit über 1,2 Millionen Citroën-Fahrzeuge produziert und verkauft.
Vorwiegend sind es Klein- und Mittelklassewagen, die auf gemeinsamen Entwicklungsplattformen mit Peugeot-Fahrzeugen entstanden sind. Was beide Marken technisch vor allen anderen Herstellern der Welt auszeichnet, ist der Großserien-Einsatz von Rußfiltern in Dieselfahrzeugen.
Im Übrigen setzt die Konzernstrategie für Citroën inzwischen eine klare Priorität: preiswerte Autos statt großer Extravaganzen. Vorrang in der Entwicklung hat derzeit ein Gemeinschaftsprojekt mit Toyota: ein weiterer, noch günstigerer Kleinwagen, der im Niedriglohnland Tschechien gebaut werden soll.
Aus der oberen Fahrzeugklasse, wo einst die "Göttin" DS glänzte, hat sich Citroën vorübergehend ganz zurückgezogen. In frühestens zwei Jahren wird der C6 erwartet, der die Luxustradition wieder aufnehmen könnte. Für individuelle technische Lösungen wird dabei kein unbegrenzter Spielraum bleiben, denn der große Citroën muss sich eine Entwicklungsplattform mit dem Nachfolger des Peugeot 607 teilen.
So wird die Tradition des skurrilen Fahrzeugbaus eher in kleinen Marketing-Gags fortleben als in großen Entwürfen. Im Rahmen der Fahrvorstellung des C3 versuchten Citroën-Ingenieure eine Fernreparatur per Datenleitung.
Von der Pariser Service-Zentrale aus sollte ein Techniker die elektrische Zentralverriegelung eines online verstöpselten C3 über seine PC-Tastatur in Stand setzen. In guter Citroën-Manier misslang das Kunststück. Die Datenleitung bockte.