Chinas Wirtschaft zwischen Jubel und Trübsal

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Chinas Wirtschaft zwischen Jubel und Trübsal

 
11.12.01 09:41
11. Dez. 2001 Mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) am Dienstag steht das mit 1,3 Milliarden Menschen bevölkerungsreichste Land der Erde vor einer tief greifenden Umwälzung. Befürchtungen des Westens, Billigwaren aus China könnten nun noch ungehinderter die internationalen Märkte überschwemmen, sind nur die halbe Wahrheit. Für viele Branchen in der Volksrepublik selbst geht es nun ums nackte Überleben.

Verschleppte Modernisierung der Landwirtschaft

So dürfte die chinesische Landwirtschaft die Auswirkungen der WTO-Aufnahme wohl am deutlichsten zu spüren bekommen. Millionen Menschen werden in den kommenden Jahren ihren Job verlieren. Mit der schrittweisen Senkung von Einfuhrzöllen werden viele Produkte angesichts jahrelang verschleppter Modernisierung in der Produktion auch auf dem Heimatmarkt nicht mehr konkurrenzfähig sein.

So werden etwa die Zölle für Fleisch und Geflügel nach den Vereinbarungen mit der WTO von 31 Prozent auf 14 Prozent fallen. Angesichts von 900 Millionen Chinesen, die von der Landwirtschaft arbeiten, sagen Experten einen beispiellosen Exodus arbeitsloser Chinesen in die Städten voraus. Auch die Stahlindustrie wird wohl am Ende als einer der Verlierer dastehen. Der noch immer stark planwirtschaftlich geprägte Zweig profitierte jahrelang von Staatshilfen und künstlich hoch gehaltenen Preisen auf dem Heimatmarkt.

Schärferer Wettbewerb für VW

Bei Autos ist China hingegen schon weiter. Viele ausländische Unternehmen - aus Deutschland etwa VW - sind schon im Land und produzieren dort. Durch die deutliche Senkung der Importzölle dürfte sich der Wettbewerb allerdings verschärfen. Bis 2006 muss China die Importzölle von jetzt 70 bis 80 auf 25 Prozent senken. Gerade für die Wolfsburger, die mit einem recht bequemen Marktanteil von über 50 Prozent mit Abstand der größte Autokonzern im Reich der Mitte sind, aber nach Einschätzung von Experten zu teuer produzieren, dürfte das Klima rauer werden. „Natürlich bringt der Beitritt mehr Wettbewerb, aber wir wollen unseren Marktanteil verteidigen“, sagt der künftige VW-Chef Bernd Pischetsrieder.

Deutlicher größer wird der Druck für die heimische Industrie bei Autoteilen und Zubehör auswirken. Hier sollen die Zölle von 70 auf zehn Prozent gedrückt werden. Die meisten der 1.400 chinesischen Fahrzeug- und Teilehersteller werden nach Expertenschätzungen die Marktöffnung nicht überleben.

Langsamere Öffnung des Finanzsektors

Bei Telekommunikations- und Internetanbietern lockert China die Möglichkeiten der Beteiligung von ausländischen Firmen. Bei Internet-Providern wird der Anteil, den Auslandsfirmen an einem inländischen Unternehmen halten dürfen, von zunächst 30 Prozent binnen zwei Jahren auf 50 Prozent erhöht. Zudem werden geltende geografische Beschränkungen aufgehoben, die Auslandsfirmen nur den Zugang zu bestimmten Gebieten erlaubten.

Im Banken- und Finanzsektor sind schnelle Umwälzungen nach dem WTO-Beitritt unwahrscheinlich. Der Regierung in Peking, die sich der zentralen Bedeutung des Bereichs für die Gesamtwirtschaft bewusst ist, gelang es in den Verhandlungen mit der WTO, hier eine langsame Öffnung durchzusetzen. So können ausländische Banken erst in zwei Jahren inländische Währungsgeschäfte tätigen. Erst in fünf Jahren dürfen sie auch in das Geschäft mit Privatkunden einsteigen.

Textil und Elektronik als Gewinner

Die Textilbranche dürfte wohl als großer Gewinner aus der Aufnahme in den Club der Handelsnationen hervorgehen. Beschränkungen für den Zugang chinesischer Exporte auf die Weltmärkte werden 2005 weitgehend aufgehoben. Für bestimmte Bereiche laufen sie aber erst 2008 aus. Experten rechnen damit, dass in der Branche mit dem WTO-Beitritt bis zu fünf Millionen neue Jobs entstehen können.

Auch Hersteller von Elektronik profitieren vom Wegfall von Handelsbarrieren auf den Auslandsmärkten. Dies dürfte vor allem auf Kosten vieler asiatischer Nachbarstaaten gehen, die bisher als Billighersteller Chips über Computer bis zu Mobiltelefonen in die Industrienationen exportieren konnten.

Loch in der Staatskasse

Nicht zuletzt muss sich China auf ein kleineres Loch in der Staatskasse einstellen. Mou Xinsheng, Generaldirektor der Allgemeinen Zollbehörde, schätzt, dass dem Staat allein im kommenden Jahr aufgrund der Zollsenkungen 30 Milliarden Yuan oder 3,6 Milliarden Dollar entgehen werden. Das wiederum könnte zu einer Ausweitung das Haushaltsdefizits, das in diesem Jahr aufgrund staatlicher Finanzspritzen zur Ankurbelung der Wirtschaft auf 31 Milliarden Dollar wuchs.

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