Von Gerald Braunberger
12. Juni 2005 Eine rasche Vereinbarung über den Zusammenschluß der Hypo-Vereinsbank (HVB) mit dem italienischen Unicredito galt am Samstag abend in Münchener und Mailänder Finanzkreisen als sehr wahrscheinlich, obgleich die Bayerische Staatsregierung in den vergangenen Tagen offenbar massiv versucht hat, Einfluß zu nehmen, um das Projekt zu verhindern. „Der Deal ist gelaufen”, sagte ein Manager der Bank.
Bis zuletzt hat offenbar die Bayerische Staatsregierung den Deal zu blockieren versucht. Ministerpräsident Edmund Stoiber forderte sorgar die Allianz AG auf, ein Gegenangebot für die HVB abzugeben. Doch stieß man dort auf Ablehnung. Das berichten Münchner Finanzkreise. Die Allianz wollte auf Anfrage hierzu nicht Stellung nehmen; auch war die Bayerische Staatsregierung nicht zu einem Kommentar bereit.
Ein anderes Planspiel der Regierung sah eine Zusammenlegung der HVB mit der staatlichen Bayerischen Landesbank vor. Da aber sowohl die HVB als auch die Landesbank hohe Bestände an wenig rentablen und überdies risikobehafteten Krediten an Unternehmen in ihren Büchern haben, hätte eine solche Verbindung nach Ansicht der Betroffenen nur Sinn unter Beteiligung grundsolider Sparkassen besessen.
Zustimmung der Gremien gilt als nahezu sicher
Die Regierung in München sah sich jedoch außerstande, Sparkassen für den Eintritt in eine Großbank aus HVB und Landesbank zu gewinnen. Das Land Bayern ist nicht nur aus politischen Gründen am Schicksal der HVB interessiert; es hält über zwei Stiftungen auch knapp drei Prozent der Aktien. Davon sind mehr als die Hälfte nicht an der Börse notierte Vorzugsaktien ohne Stimmrecht.
Spekulationen, wonach eine andere Auslandsbank ein Gegengebot für die HVB abgeben könnte, wurden in München zurückhaltend eingeschätzt. „Ein solches Gebot erforderte einen genauen Blick in das umfangreiche Kreditbuch der HVB und ist deswegen kurzfristig wenig wahrscheinlich”, heißt es an der Isar. Nicht ausschließen will man freilich, daß sich in den kommenden Monaten noch ein weiterer Interessent für die zweitgrößte deutsche Geschäftsbank meldet. Denn die Übernahme der HVB durch den Unicredito dürfte selbst im günstigsten Fall erst im Oktober oder November abgeschlossen sein.
Für den heutigen Sonntag sind getrennte Treffen des Aufsichtsrats der HVB und des Verwaltungsrats (eine Art Mischgremium mit Funktionen von Vorstand und Aufsichtsrat) des Unicredito anberaumt, um über die Übernahme zu beraten. Eine Zustimmung galt im Vorfeld als nahezu sicher. Zwar ist der Aufsichtsratschef der HVB, Albrecht Schmidt, Gegner der Übernahme. Da der mit Abstand größte Aktionär der HVB, die Münchener Rück (Anteil: 18,4 Prozent), dem Projekt zustimmt, dürfte sich Schmidt aber kaum durchsetzen.
Profumo wird die Nummer eins
Am Samstag nachmittag erreichten die beiden Parteien auch eine Einigung über den bis zuletzt hart verhandelten Preis der Übernahme: Der Unicredito bietet den Aktionären der HVB einen Aktientausch im Verhältnis von fünf zu eins an, was einer Bewertung der HVB-Aktie von annähernd 21 Euro und der gesamten Bank von rund 15,5 Milliarden Euro entspräche. Zusätzlich wird der Unicredito den freien Aktionären der österreichischen Tochtergesellschaft Creditanstalt ein Bargebot für ihre Papiere unterbreiten.
Für die zweite Julihälfte plant der Unicredito eine außerordentliche Hauptversammlung, auf der seine Eigentümer die Schaffung neuer Aktien für die Übernahme der HVB genehmigen müssen. Dies gilt aber nur als eine Formalie. Bis zum endgültigen Vollzug der Übernahme dürfte es Herbst werden. „Bis dahin kann die Übernahme trotz guten Willens beider Seiten immer noch scheitern”, warnen Finanzmarktkreise in Mailand.
Der Vorstandschef der HVB, Dieter Rampl, hat sich in den monatelangen Verhandlungen mit seinem italienischen Kollegen Alessandro Profumo auf ein Personaltableau geeinigt, das mehrere Manager der HVB in führenden Positionen vorsieht. Rampl solle demnach als „Chairman” in etwa die Rolle eines Aufsichtsratschefs übernehmen, während Profumo die operative Führung der Bank übernimmt und damit die Nummer eins im gemeinsamen Unternehmen wird.
Mehrere Kandidaten für Posten des Deutschland-Chefs
Für die HVB rücken daneben Stefan Jentzsch (Investmentbanking) und Michael Kemmer (Risikosteuerung) in die Führung ein. Ebenfalls von der HVB wird der für das Geschäft mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen zuständige Vorstandsposten besetzt. Erich Hampel von der HVB-Tochter Creditanstalt erhält die Verantwortung für das bedeutende und ertragreiche Geschäft der gemeinsamen Bank in Osteuropa.
Noch nicht fest steht, wer unterhalb der obersten Führungsebene die Verantwortung für das Deutschlandgeschäft erhält. Die intern sehr offensiv vorgetragenen Ambitionen Christine Liccis, die bisher im HVB-Vorstand zuständig für Privatkunden ist und als eine der Verliererinnen der Übernahme durch den Unicredito gilt, werden in München äußerst distanziert zur Kenntnis genommen. Für die Position des Deutschland-Chefs gibt es mehrere Kandidaten.
Übernahme wäre bedeutendster Zusammenschluß im Bankwesen
Um die Sorgen des deutschen Personals zu besänftigen, ist Profumo bereit, eine fünfjährige Garantie für den Verbleib des großen, aber wenig rentablen Deutschland-Geschäfts der HVB zu geben. Dies bedeutet jedoch keinen garantierten Verzicht auf Personalabbau. Rampl hatte erst vor wenigen Monaten die Streichung von gut 2000 Stellen bei der HVB angekündigt. Alle wesentlichen Veränderungen, auch die eventuelle Einbringung des Deutschland-Geschäfts in eine Allianz mit einer anderen großen deutschen Bank, bedürfen jedoch der Zustimmung der deutschen Führungsmitglieder der künftigen gemeinsamen Bank.
Eine Übernahme der HVB durch den Unicredito wäre der bedeutendste europäische Zusammenschluß im Bankwesen und schüfe einen der 12 größten Bankkonzerne auf dem Kontinent mit anfangs rund 120.000 Mitarbeitern. Die gemeinsame Konzernsprache wird Englisch. Da der designierte Chef Profumo als ein harter Manager mit ehrgeizigen Renditezielen gilt, steht vor allem in Osteuropa, wo die Bank zur unangefochtenen Nummer eins wird, eine Personalreduzierung zu erwarten.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 12.06.2005, Nr. 23 / Seite 21