Britisches Wirtschaftswunder vor dem Ende

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Britisches Wirtschaftswunder vor dem Ende

 
31.03.03 10:20
Das britische Wirtschaftswunder steht vor dem Ende
Analyse
von Peter Herkenhoff

Schnelles Wachstum, hohe Konsumnachfrage, wenig Arbeitslose - auf den ersten Blick steht Großbritanniens Wirtschaft glänzend da. Während Deutschland seit Jahren darüber debattiert, ob es einer Maggie Thatcher bedarf, entwickelte sich das Vereinte Königreich 13 Jahre nach dem Abgang der Eisernen Lady zur Konjunkturlokomotive Europas. Doch nun mehren sich die Zeichen, dass der jahrelange Boom nun zu Ende geht.


Es sind vor allem die teuren Wahlversprechen vom Sommer 2001, die Premierminister Tony Blair das Regieren schwer machen. Der Labourpolitiker versprach bessere Krankenhäuser, Schulen und Straßen und wurde dafür wieder gewählt.


Weil damals die Steuerquellen noch kräftig sprudelten, verteilte Schatzkanzler Gordon Brown die Milliarden mit vollen Händen. Doch ein Großteil des Geldes ist nicht ans gewünschte Ziel gelangt, sondern eher in den Brieftaschen der Beschäftigten gelandet. Die Gehälter im öffentlichen Dienst sind 2002 um fünf Prozent gestiegen, in der freien Wirtschaft waren es nur 3,2 Prozent. Patienten werden derweil für Hüftgelenksoperationen nach Deutschland geflogen. Statt das Schienennetz zu reparieren, streichen die Betreiber Verbindungen. Die Gewerkschaften sind trotz der Milliardenausgaben auf Konfrontationskurs zur Labourregierung gegangen, tagelange Streiks von Feuerwehrleuten, Bahnmitarbeitern und Lehrern strapazieren die Nerven der Bevölkerung zusätzlich.


Zu allem Überfluss sind die Preise zuletzt deutlich gestiegen. Die Zielmarke der Zentralbank von 2,5 Prozent ist seit vier Monaten überschritten. Besserung ist nicht in Sicht: Der hohe Ölpreis, steigende Grundsteuern und die ab April fällige einprozentige Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge dürften der Inflation einen weiteren Schub geben. Die Zentralbank warnt bereits vor einer Lohn-Preis-Spirale: Weil Arbeitskräfte gesucht sind - die Erwerbslosenquote liegt nur bei fünf Prozent - könnten die Beschäftigten höhere Löhne durchsetzen.


Die Folgen wären fatal, denn der Motor des britischen Beschäftigungswunders stottert. Das Wirtschaftswachstum ist auf den niedrigsten Stand seit 1992 gefallen. Weitere Zinssenkungen würden nicht nur die Preisstabilität gefährden, sondern drohen wegen der schlechten Stimmung zu verpuffen: Die Verbraucher sind über beide Ohren verschuldet und waren bereits vor dem Irakkrieg so pessimistisch wie zuletzt 1995. Nachdem die Immobilienpreise - ein wichtiger Indikator für den privaten Verbrauch - 2002 um durchschnittlich 25 Prozent gestiegen sind, droht diese Blase wie zuletzt während der Rezession Anfang der 90er Jahre zu platzen.


Wenn sich aber die Konsumenten zurückhalten, droht der Stillstand; denn der private Verbrauch macht zwei Drittel der britischen Wertschöpfung aus. Die Industrie schrumpft bereits seit fünf Jahren von Quartal zu Quartal. Obwohl das Pfund jüngst abgewertet hat und Produkte "Made in UK" dadurch billiger werden, dürfte vom verarbeitenden Gewerbe weiter kein Aufschwungsignal kommen. Wegen der unendlichen Debatte, ob Britannien doch noch irgendwann dem Euro beitritt, investieren zudem immer weniger Ausländer auf der Insel.


Schatzkanzler Brown steht deshalb vor einem Dilemma. Das Haushaltsloch wird angesichts steigender Steuerausfälle immer größer, und droht im neuen Haushaltsjahr Jahr auf 30 Mrd. Pfund (46 Mrd. Euro) zu steigen. Doch höhere Steuern würden nicht nur die Kaufkraft schwächen, sondern auch auf den erbitterten Widerstand der Wirtschaft stoßen. Der Industrieverband CBI klagte erst kürzlich, dass Labour die Unternehmen seit 1997 mit 47 Mrd. Pfund zusätzlichen Steuern und 16 neuen Arbeitsschutzgesetzen belastet habe.


Auch ohne den Irakkrieg steht die britische Wirtschaft zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren am Abgrund. Wenn sich der Waffengang am Golf über Monate hinzieht, dürfte die Stimmung bei Verbrauchern und Unternehmen weiter sinken und die Situation verschärfen. Denn der Schatzkanzler steht bei Tony Blair mit dem Versprechen im Wort, den Krieg zu finanzieren, Stürzt der Krieg das Land in eine Rezession, könnte dieses Versprechen die Regierung früher oder später sogar das Amt kosten.


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