Börsianer hoffen auf die Wähler
CDU-Siege könnten Dax beflügeln
– „Rot-Grüner Abschlag von elf Prozent“
von Holger Zschäpitz und Matthias Iken
Berlin - Am Sonntag Schlag 18 Uhr wird die Richtung des Dax bestimmt. Sollte die CDU nicht nur den Sieg in Hessen, sondern auch in Niedersachsen davontragen, könnte das deutsche Börsenbarometer endlich einmal positiv in die neue Woche starten. Bei einem Regierungswechsel in Niedersachsen würde die Union ihre derzeit hauchdünne Mehrheit im Bundesrat auf sieben Stimmen ausbauen. Und mit einer klaren CDU-Majorität in der Länderkammer müsste die SPD, so erwarten Analysten, ihre Steuerpläne wirtschaftsfreundlicher gestalten.
„Ein neuer politischer Wind wäre definitiv positiv für die Börse“, sagt Hans-Joachim König, Fondsmanager bei Union Investment. Insbesondere ausländische Investoren würden dem Wahlausgang am Sonntag entgegenfiebern und gegebenenfalls an den deutschen Markt zurückkehren. „Der Dax ist im internationalen Vergleich extrem billig. Die Politik hat daran maßgeblichen Einfluss“, so König. Vor allem seit der Bundestagswahl laufen die Kurse deutscher Aktien dem Rest der Weltbörsen hinterher. Gewann der europäische Leitindex Euro-Stoxx-50 seit dem 22. September zehn Prozent an Wert und der französische CAC-40 immerhin noch drei Prozent, liegt der Dax seit dem knappen Wahlsieg von Rot-Grün acht Prozent im Minus. „Gegenüber Frankreich haben wir damit einen Politikabschlag von elf Prozent“, sagt Joachim Paech, Händler bei Julius Bär. „Wenn nun die Union über den Bundesrat wieder stärkeren Einfluss auf die Wirtschaftspolitik in Deutschland bekommt, könnte ein Teil des Rückstands aufgeholt werden.“
Sämtliche Dax-Konzerne schauen voll Hoffnung auf den Wahlsonntag. Denn keine der 30 Gesellschaften kommt beim rot-grünen Finanzpaket ungeschoren davon. Da ist etwa die geplante Mindeststeuer für Unternehmen. Gesellschaften sollen künftig nicht mehr unbegrenzt Verluste der Vergangenheit mit Gewinnen späterer Jahre verrechnen können. Treffen würde dieses Vorhaben vor allem die Erträge von Metro, Thyssen-Krupp, Infineon und der Deutschen Telekom, die momentan hohe Verlustvorträge in der Bilanz haben. Metro hat nach Berechnungen von UBS Warburg 1,5 Mrd. Euro steuermindernde Verlustvorträge in den Büchern angehäuft, die Deutsche Telekom acht Mrd., Thyssen-Krupp 2,5 Mrd. und Infineon immerhin noch 675 Mio. Euro.
Die Automobilbauer wiederum laufen seit langem Sturm gegen die massive Erhöhung der Dienstwagensteuer. Der Verband der Automobilindustrie rechnet für den Fall der Umsetzung des Steuerpaktes mit Absatzeinbußen zwischen zwei und drei Mrd. Euro. Und die Lufthansa befürchtet jährliche Gewinneinbußen im dreistelligen Millionenbereich, sollten Flugtickets ins europäische Ausland mit einer hohen Mehrwertsteuer belegt werden. „Die von der Bundesregierung angekündigten Steuererhöhungen könnten durch die Länderkammer am 14. März gekippt werden“, sagt König.
Doch für die Börsianer geht es am Sonntag noch um mehr als um bloße Steuerpolitik. „Es geht um einen grundlegenden Stimmungswechsel. Die Situation derzeit erinnert mich an 1982, als es zum Regierungswechsel in Bonn kam“, sagt Bär-Banker Paech. Mit einem neuen Optimismus würde sich das Konsumklima und die Investitionsbereitschaft verbessern – eine Entwicklung, die den Dax beflügeln sollte. Leif Millarg, Fondsmanager bei Activest, bringt es auf den Punkt: „Der Sonntag könnte das Startsignal für einen Gezeitenwechsel in Deutschland markieren.“
Artikel erschienen am 1. Feb 2003
WELT.de 1995 - 2003
CDU-Siege könnten Dax beflügeln
– „Rot-Grüner Abschlag von elf Prozent“
von Holger Zschäpitz und Matthias Iken
Berlin - Am Sonntag Schlag 18 Uhr wird die Richtung des Dax bestimmt. Sollte die CDU nicht nur den Sieg in Hessen, sondern auch in Niedersachsen davontragen, könnte das deutsche Börsenbarometer endlich einmal positiv in die neue Woche starten. Bei einem Regierungswechsel in Niedersachsen würde die Union ihre derzeit hauchdünne Mehrheit im Bundesrat auf sieben Stimmen ausbauen. Und mit einer klaren CDU-Majorität in der Länderkammer müsste die SPD, so erwarten Analysten, ihre Steuerpläne wirtschaftsfreundlicher gestalten.
„Ein neuer politischer Wind wäre definitiv positiv für die Börse“, sagt Hans-Joachim König, Fondsmanager bei Union Investment. Insbesondere ausländische Investoren würden dem Wahlausgang am Sonntag entgegenfiebern und gegebenenfalls an den deutschen Markt zurückkehren. „Der Dax ist im internationalen Vergleich extrem billig. Die Politik hat daran maßgeblichen Einfluss“, so König. Vor allem seit der Bundestagswahl laufen die Kurse deutscher Aktien dem Rest der Weltbörsen hinterher. Gewann der europäische Leitindex Euro-Stoxx-50 seit dem 22. September zehn Prozent an Wert und der französische CAC-40 immerhin noch drei Prozent, liegt der Dax seit dem knappen Wahlsieg von Rot-Grün acht Prozent im Minus. „Gegenüber Frankreich haben wir damit einen Politikabschlag von elf Prozent“, sagt Joachim Paech, Händler bei Julius Bär. „Wenn nun die Union über den Bundesrat wieder stärkeren Einfluss auf die Wirtschaftspolitik in Deutschland bekommt, könnte ein Teil des Rückstands aufgeholt werden.“
Sämtliche Dax-Konzerne schauen voll Hoffnung auf den Wahlsonntag. Denn keine der 30 Gesellschaften kommt beim rot-grünen Finanzpaket ungeschoren davon. Da ist etwa die geplante Mindeststeuer für Unternehmen. Gesellschaften sollen künftig nicht mehr unbegrenzt Verluste der Vergangenheit mit Gewinnen späterer Jahre verrechnen können. Treffen würde dieses Vorhaben vor allem die Erträge von Metro, Thyssen-Krupp, Infineon und der Deutschen Telekom, die momentan hohe Verlustvorträge in der Bilanz haben. Metro hat nach Berechnungen von UBS Warburg 1,5 Mrd. Euro steuermindernde Verlustvorträge in den Büchern angehäuft, die Deutsche Telekom acht Mrd., Thyssen-Krupp 2,5 Mrd. und Infineon immerhin noch 675 Mio. Euro.
Die Automobilbauer wiederum laufen seit langem Sturm gegen die massive Erhöhung der Dienstwagensteuer. Der Verband der Automobilindustrie rechnet für den Fall der Umsetzung des Steuerpaktes mit Absatzeinbußen zwischen zwei und drei Mrd. Euro. Und die Lufthansa befürchtet jährliche Gewinneinbußen im dreistelligen Millionenbereich, sollten Flugtickets ins europäische Ausland mit einer hohen Mehrwertsteuer belegt werden. „Die von der Bundesregierung angekündigten Steuererhöhungen könnten durch die Länderkammer am 14. März gekippt werden“, sagt König.
Doch für die Börsianer geht es am Sonntag noch um mehr als um bloße Steuerpolitik. „Es geht um einen grundlegenden Stimmungswechsel. Die Situation derzeit erinnert mich an 1982, als es zum Regierungswechsel in Bonn kam“, sagt Bär-Banker Paech. Mit einem neuen Optimismus würde sich das Konsumklima und die Investitionsbereitschaft verbessern – eine Entwicklung, die den Dax beflügeln sollte. Leif Millarg, Fondsmanager bei Activest, bringt es auf den Punkt: „Der Sonntag könnte das Startsignal für einen Gezeitenwechsel in Deutschland markieren.“
Artikel erschienen am 1. Feb 2003
WELT.de 1995 - 2003