Börsentopperformer: Lateinamerika

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Börsentopperformer: Lateinamerika

 
04.05.03 12:29
Rückkehr der Latino-Bullen (EuramS)
04.05.2003 10:24:00


   
Lateinamerika ist bislang der Börsengewinner des Jahres. Die Region hat turbulente Zeiten hinter sich. Doch jetzt glauben die Experten an einen nachhaltigen Aufschwung. Mit welchen Fonds und Anleihen man dabei ist
Die Grillsaison ist eröffnet. Feinschmecker freuen sich schon auf ein saftiges argentinisches Steak. Auch die Börsianer sind wieder auf den Geschmack gekommen. Nach langer Zeit trifft man die argentinischen Bullen nicht nur in der Pampa, sondern auch wieder auf dem Parkett in Buenos Aires. Der argentinische Börsenindex Merval hat sich seit seinem Tief am 14. Juni 2002 bei 266 Punkten auf inzwischen über 600 Punkte mehr als verdoppelt. Auf diesem Niveau bewegte sich das Börsenbarometer zuletzt vor mehr als vier Jahren.

"Fundamental steht Argentinien eigentlich noch ganz am Anfang. Trotzdem haben wir wieder erste Positionen aufgebaut", sagt Rainer Vermehren, Fondsmanager des DWS Lateinamerika. Wie andere kann auch er sich der Kauflaune nicht entziehen.

Dabei hatten viele die Hoffnung auf steigende Kurse schon fast aufgegeben. Kein Wunder, positive Nachrichten aus Lateinamerika waren in den vergangenen Jahren Mangelware. Zahlungsausfall in Argentinien, Generalstreik in Venezuela, Währungsturbulenzen in Mexiko oder Bonitätsrückstufungen in Paraguay - solche Meldungen bestimmten die Großwetterlage. Doch seit einiger Zeit bleiben die Katastrophenmeldungen aus. "Ein Teil der Risiken ist überwunden", ist Vermehren zuversichtlich. "Die Anleger haben Lateinamerika wieder entdeckt."

"Die Region profitiert von der positiven Entwicklung in Brasilien", bestätigt Ralph Luther, Fondsmanager bei der Berenberg Bank. Verständlich: Läuft die Wirtschaft in Brasilien, sind die südamerikanischen Nachbarn die unmittelbaren Profiteure. Und in Brasilien macht sich Optimismus breit. Der im vergangenen Jahr gewählte Präsident Lula da Silva hat die Finanzwelt positiv überrascht. Zunächst als Schrecken aller Investoren verschrien, erklärte er schnell, sich an die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu halten und die Marktwirtschaft konsequent zu fördern. "Er hat seine Kompetenz bewiesen", betont Luther, "indem er die wichtigsten Posten mit den richtige Leuten besetzt hat." Der Rohstoffreichtum hilft Brasilien ebenfalls. Zusammen mit Australien besitzt das Land am Zuckerhut die größten Eisenerzvorkommen der Welt und ist heute beispielsweise für China schon der wichtigste Lieferant von Eisenerz und Holz. Durch die jahrelang schwache Währung liegen die Arbeitskosten zudem so niedrig, dass Brasilien Stahl weltweit am billigsten anbieten kann. "Das Land hat sehr schnell Fortschritte gemacht", meint DWS-Manager Vermehren. "Noch vor einem Jahr musste der Staat für seine Kredite zwischen 20 und 30 Prozent Zinsen zahlen." Inzwischen könne die Regierung schon wieder Anleihen mit einer Verzinsung von weniger als zehn Prozent am Markt platzieren. Dadurch refinanziere das Land seine Schulden viel günstiger. Die Experten sind sich einig: Ein Ende der Zuckerhut-Rally ist nicht in Sicht. "Der brasilianische Markt ist immer noch sehr günstig bewertet", bestätigt Luther. Mit einem durchschnittlichen KGV von fünf sind die Aktien nach wie vor deutlich billiger als etwa mexikanische Papiere.

Auch Walter Murphy, Südamerika-Stratege von Merrill Lynch, ist optimistisch: "Wir rechnen damit, dass das Marktumfeld in den kommenden Monaten sein stabiles Niveau halten kann." Derzeit ist Brasilien im MSCI-Emerging-Markets-Index mit zehn Prozent schon stark vertreten. Luther und Murphy gehen aber davon aus, dass sich die Gewichtung des südamerikanischen Landes in den kommenden Monaten noch weiter erhöhen wird.

Mexiko und Chile sind bei Fondsmanagern ebenfalls beliebt: Neben brasilianischen Papieren liegen im Depot von Chris Palmer vor allem mexikanische Titel. Der Fondsmanager des Gartmore Latin America investiert fast 40 Prozent des Volumens im Land der Azteken, das neben Brasilien als zweite Säule wirtschaftlicher Stabilität in Lateinamerika gilt. Und zusammen mit Chile das einzige Land, das Investment-Grade-Status hat. Der Andenstaat Chile wiederum verfügt zwar nur über einen kleinen lokalen Markt, ist aber reich an Bodenschätzen. Die in Südamerika so seltene politische Stabilität und eine starke Wirtschaft machen das Land für ausländische Investoren interessant. "Das Land ist ein defensives Investment", sagt Lateinamerika-Experte Vermehren. Gerade wenn es in Brasilien oder Argentinien brenne, sei Chile als Risikopuffer sehr beliebt. Für Anleger, die in Latino-Aktien investieren möchten, eignen sich wegen der hohen Transaktionskosten beim direktkauf Fonds am besten. Deren Performance kann sich 2003 sehen lassen. So hat etwa der von David Manuel gemanagte Invesco GT Latin America bereits über 18 Prozent an Wert gewonnen. Wie viele seiner Kollegen setzt Manuel vorrangig auf Blue Chips aus Brasilien und Mexiko. Zu seinen Favoriten zählt Femsa: Die mexikanische Holding ist der größte Getränkekonzern des Landes. Das Unternehmen ist im Vergleich zur Konkurrenz günstig bewertet und weist bei geringer Verschuldung eine solide Bilanz auf. Der Threadneedle Latin America Growth bevorzugt Telekom-, Finanz- und Konsumwerte: Fondsmanager Dominic Rossi favorisiert etwa die mexikanische Telefonos oder die brasilianische Banco Itau.

Bei aller Euphorie bleibt abzuwarten, ob die steigenden Kurse von längerer Dauer sind. "Die Hoffnung der Anleger auf eine langfristige Lateinamerika-Hausse wurde schon mehr als einmal enttäuscht", betont Felix Schleicher, Lateinamerika-Experte der Vermögensverwaltung Fiduka. "Investoren müssen auch künftig mit einer hohen Volatilität leben." Denn Länder wie Brasilien oder Argentinien haben eine extrem hohe Staatsverschuldung. Folge: Die Volkswirtschaften sind anfälliger für politische oder konjunkturelle Einflüsse und können so schneller in Schwierigkeiten geraten als die Emerging Markets in Asien oder Osteuropa.

Die Rahmenbedingungen aber sind positiv, die Mittelzuflüsse steigen. Einer der Gründe: die Probleme der asiatischen Länder mit dem SARS-Virus. "Wenn SARS weiter ein Thema bleibt, wird Lateinamerika davon profitieren", ist sich Fiduka-Mann Schleicher sicher. "Denn irgendwo müssen die Investoren mit ihrem Geld ja hin." Genügend Futter also, um die Latino-Bullen bei Laune zu halten. «

Chancen und Risken für Bonds

Carlos Menem oder Nestor Kirchner? Am 18. Mai wählen die Bürger Argentiniens einen neuen Präsidenten. Der künftige Mann an der Spitze muss das Land mit seinen 36 Millionen Einwohneren aus einer schweren Krise führen. Die Industrie ist kaum wettbewerbsfähig, das politische System ineffizient. Vor allem aber fehlt nach der Erklärung der Zahlungsunfähigkeit das Vertrauen der Investoren. Kein Wunder, dass Argentinien-Bonds lange Zeit nur noch bei rund 20 Prozent notierten. Seit einigen Wochen erholen sich die Kurse dank des Einstiegs risikobereiter Anleger jedoch. Sie setzen darauf, dass der neue Präsident den Schuldendienst wieder aufnimmt. Dann, so ihre Überlegung, dürfte das für die Ankurbelung der Konjunktur so notwendige Kapital wieder ins Land fließen. Jedoch: "Bislang hat noch kein Kandidat ein überzeugendes Restrukturierungsprogramm vorgelegt", sagt Elke Speidel-Walz von der Deutschen Bank. Zudem müsse Argentinien in diesem Jahr rund zehn Milliarden Dollar an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und an die Weltbank überweisen. "Für private Gläubiger bleibt da nicht mehr viel übrig", warnt die Expertin.

Auch Michael Discher-Remmlinger, Fondsmanager des DIT Emerging Market Bond, sieht trotz der jüngsten Rendite-Einengungen keinen Anlass, sich in Argentinien zu engagieren. "Das Rückschlagpotenzial ist einfach zu hoch." Seiner Meinung nach wird die neue Regierung ausländischen Investoren einen Schuldenverzicht von 50 Prozent anbieten müssen. "Alles was darunter liegt, ist nicht zu bezahlen."

Gute Perspektiven dagegen in Brasilien. Die Ängste der Investoren vor Lula da Silva haben sich aufgelöst. "Der Präsident lässt keinen Zweifel an seinem marktwirtschaftlichen Kurs", sagt Discher-Remmlinger. So wurde vor kurzem die Unabhängigkeit der Zentralbank garantiert. Zudem macht sich Lula für eine Begrenzung der Staatsausgaben stark. Diese Politik stößt auf Zustimmung des IWF. Der Währungsfonds unterstützt das Land mit Krediten. Auch die Rating-Agentur Fitch sieht Brasilien auf einem guten Weg. Sie stufte den Ausblick von negativ auf stabil herauf. Jüngstes Beispiel für das wachsende Vertrauen: In der vergangenen Woche platzierte Brasilien problemlos eine neue Anleihe in Höhe von 750 Millionen Dollar. Noch vor einem Jahr war für die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas der Zugang zum Kapitalmarkt versperrt. "Die Weichen für einen Aufschwung sind zwar gestellt", sagt Speidel-Walz. Entscheidend sei jetzt aber, ob es Lula tatsächlich gelingt, das Steuer- und Sozialversicherungssystem zu refomieren. Sollten jedoch die Widerstände in Lulas Arbeiterpartei stärker werden und es nicht gelingen, das vom IWF geforderte Ziel eines Überschusses im Haushalt von vier Prozent (ohne Zinszahlungen) zu erzielen, dürften die Anleihekurse wieder unter Druck geraten.

Wachstum in Kolumbien. DIT-Fondsmanager Discher- Remmlinger beurteilt die Reformpolitik von Präsident Alvaro Uribe positiv. Sie dürfte dieses Jahr dazu führen, dass die Wirtschaft Kolumbiens um zwei Prozent zulegt. Zudem bemüht sich Uribe verstärkt um die Senkung des Haushaltsdefizits. Entscheidend für die Zukunft ist es jedoch, ob es dem Präsidenten gelingt, den Terror erfolgreich zu bekämpfen.

Chaos in Caracas. Obwohl nach der Beendigung des Streiks die Ölproduktion fast wieder auf vollen Touren läuft, kauft Discher-Remmlinger keine Venezula-Bonds. Seine Begründung für die Zurückhaltung: "Die innenpolitischen Spannungen sind zu groß, und in der Wirtschaftspolitik ist derzeit kein klares Konzept zu erkennen."

von Nando Sommerfeldt / Euro am Sonntag
 
-red-

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