HANDELSBLATT, Montag, 05. Dezember 2005, 20:04 Uhr
Aktienemissionen
Börsengänge werden 2006 zum Renner
Von Robert Landgraf und Christian Schnell
Die deutschen Banken haben zahlreiche Aktienemissionen in der Pipeline. Das verspricht hohe Provisionen. Die Investmentbanker hören schon die Kassen klingeln.
FRANKFURT. 2005 werden die Banken schätzungsweise rund 400 bis 420 Mill. Euro an Provisionen verdienen. „Das kann im nächsten Jahr deutlich mehr sein, wenn das Börsenklima stimmt und die erhofften großen Börsengänge kommen“, sagt ein Banker.
Dann müssten allerdings die erwarteten bis zu 30 Unternehmen, mit denen Berater wie Volker Fitzner von Pricewaterhouse Coopers rechnen, den Weg in das Top-Segment der Deutschen Börse, den Prime Standard, finden. Im laufenden Jahr wird die Zahl der Aktienemissionen (IPO) in diesem Segment vermutlich bei 14 stehen bleiben. „Die Dax-Entwicklung treibt die IPO-Entwicklung“, sagt Fitzner. Aktienstrategen wie Roland Ziegler von der BHF-Bank sehen ein Dax-Ziel von 6 000 Punkten im kommenden Jahr durchaus als erreichbar an. Das wäre ein Plus von 15 Prozent.
Die Verdoppelung der Börsengänge im kommenden Jahr lässt allerdings keine direkten Rückschlüsse auf das künftig Prämienaufkommen zu. Denn der Wettbewerb in Deutschland ist deutlich härter geworden. Wegen der verschärften Konkurrenzlage könne es sich jedoch kein Spieler erlauben, trotz niedriger Gebühren bei einer Transaktion nicht dabei zu sein, stimmen die großen Spieler bei Neuemissionen überein.
Angesichts der derzeitigen Situation würden im Durchschnitt nur noch 2,50 bis 2,75 Prozent des Emissionsvolumens an die begleitenden Institute ausgeschüttet, wenn die Börsengang in einer Größenordnung von 100 bis 200 Mill. Euro liege, klären Banker auf. Dazu kommen noch ein Erfolgshonorar durch die Unternehmen, die an die Börse gehen. Das liege oftmals bei etwa einem halben Prozentpunkt.
Die niedrigen Provisionen schrecken inzwischen auch große Investmentbanken wie die Deutsche Bank, Morgan Stanley oder Credit Suisse First Boston (CSFB) nicht mehr ab. Sie sind in diesem Jahr selbst bei kleinen Emissionen von unter 100 Mill. Euro mit von der Partie, obwohl sie sich für sie nicht rechnen. Da sie größere Mannschaften für Börsengänge vorhielten und nicht genug Transaktionen in Deutschland liefen, seien sie aber selbst bei Mini-Emissionen dabei, urteilt ein Investmentbanker.
Große Börsengänge von über einer Milliarde Euro sind zwar wegen des Volumens deutlich attraktiver für die Konsortialbanken. Hier müssen sich die Institute nach Einschätzung von Bankern jedoch mit einer Provision begnügen, die insgesamt nur noch 1,5 bis zwei Prozent gemessen am Emissionsvolumen ausmacht. Doch damit können sie sich noch glücklich schätzen. Electricité de France (EdF) zahlte den Investmentbanken, die die gut sechs Mrd. Euro schwere Privatisierung im November an die Börse begleiteten, nur Gebühren von 0,8 Prozent. Das sind nach Einschätzung von Bankern die niedrigsten Provisionen, die in Europa in den letzten Jahren für die Begleitung eines Börsengang bezahlt wurden. Dagegen sind die USA für die Banken noch immer ein Eldorado, wenn es um Aktienemissionen geht. Doch auch dort geraten die Provisionen unter Druck. Sie sind im Durchschnitt mit fünf bis sechs Prozent aber immer noch doppelt so hoch wie in Deutschland.
Durch die Belebung des IPO-Sektors dürfte sich im kommenden Jahr auch das Personalkarussell bei den Investmentbanken wieder deutlich schneller drehen. „Wir sehen eine deutlich Belebung im gesamten M&A-Sektor“, sagt Tim Zühlke, Headhunter bei der Personalberatung Smith & Jessen in Frankfurt. Gerade Banker mit einer Berufserfahrung von zwei bis fünf Jahren seien derzeit besonders gefragt. Das Problem ist allerdings, dass gerade diese Experten schwer zu finden ist, weil die Banken in den schwachen Jahren 2002 bis 2004 massiv Personal in diesem Bereich abgebaut haben.
Ob es im kommenden Jahr tatsächlich zum erwarteten warmen Geldregen trotz des Provisionsdrucks kommt, hängt in erster Linie davon ab, ob genügend größere Emissionen kommen werden. Paul Lerbinger von der Citigroup rechnet hier mit einigen Platzierung im Volumen von 0,5 bis 1 Mrd. Euro. Die Liste mit namhaften Kandidaten, die derzeit in Fachmagazinen wie „Going Public“ kursieren, ist lang und enthält so klangvolle Namen wie Wacker Chemie, ATU Autoteile Unger, Grohe, Talanx, Kabel Deutschland oder Springer Media (siehe Tabelle).
Achim Schäcker, Chef Aktienemissionen Deutschland bei Credit Suisse First Boston (CSFB) erwartet im nächsten Jahr außerdem vor allem Emissionen aus den Bereichen Solarenergie und anderer erneuerbarer Energien, daneben Technologiewerte und den einen oder anderen Börsengang aus der Biotechnologie.
Spannend wird sein, ob der Run der Investoren auf Solaraktien anhalten wird. „Es gibt nicht mehr so viele gute Werte in diesem Bereich, die noch nicht an der Börse sind“ sagt Konrad Bösl, IPO-Berater bei Schlecht und Partner in München. Er rechnet mit Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare Energien, die an den Markt drängen werden, etwa aus den Feldern Biodiesel oder Brennstoffzellen.
Ein Problem ist es jedoch, dass noch völlig unklar ist, ob die potenziellen Kandidaten den Börsengang auch im kommenden Jahr durchziehen werden. Die meisten hätten keinen Zeitdruck und könnten vielfach ihre Emission auch verschieben, glaubt Paul Lerbinger. Zudem böten sich ihnen oft Alternativen wie der Verkauf an einen Finanzinvestor an.
Das zweite Fragezeichen steht hinter den Privatanlegern. Lerbinger geht zwar davon aus, dass sie auch 2006 im Schnitt zehn bis 25 Prozent einer Emissionen kaufen werden. Deutsche Investoren sind nach der Erfahrung von Bankern aber wählerischer beim Kauf geworden, zumal sich die Emissionen 2005 schlechter als der Gesamtmarkt entwickelt haben. Ausländer spielen heute eine wichtige Rolle für den Erfolg einer Emission. Das wird auch 2006 so bleiben.