Ein neuer Spitzenreiter und vier Neulinge - zum zehnten Mal hat manager magazin die Stimmung privater Aktionäre ausgelotet: Die Börsenkurse erholen sich, die Stimmung steigt wieder, und die Anleger beurteilen Deutschlands Konzernchefs deutlich milder.
Wolfgang Mayrhuber (56) hätte sich wohl kaum einen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können, um auf dem Chefsessel der Lufthansa Platz zu nehmen. Die Passagierzahlen nahezu aller Fluggesellschaften befinden sich im freien Fall; die Aktienkurse sind auf Sinkflug; die Luftfahrtindustrie steckt in einer existenziellen Krise; und dem eigenen Unternehmen - noch vor nicht allzu langer Zeit als Vorbild gefeiert - drohen für 2003 herbe Verluste.
Und so fällt das Urteil der Anleger für den Neuling drastisch aus: Lediglich etwas mehr als ein Drittel der privaten Aktionäre in Deutschland traut Mayrhuber zu, sein Unternehmen bald wieder auf Kurs zu bringen und den Aktienkurs nachhaltig zu steigern. Mit diesem Resultat stürzt der neue Lufthansa-Chef auf den drittletzten Rang des manager-magazin-Börsenbarometers ab.
So schwer wie Mayrhuber hatte es keiner der drei anderen Manager, die in den vergangenen Wochen ebenfalls in die Topetage eines Dax-Unternehmens einzogen.
Wulf Bernotat (54), der Ulrich Hartmann (64) an der Spitze des Energieriesen Eon ablöste, verfehlt die Imagewerte des Vorgängers nur knapp. Der neue Chef des BASF-Konzerns , Jürgen Hambrecht (57), erfreut sich bei den privaten Aktionären ähnlicher Beliebtheit wie Vorgänger Jürgen Strube (63). Und dem seit Anfang Mai alleinigen SAP-Vormann Henning Kagermann (55) trauen die Anleger sogar mehr zu als seinem bisherigen Ko-Vorstand an der Unternehmensspitze und heutigen Aufsichtsratschef Hasso Plattner (59).
Zum zehnten Mal hat das Meinungsforschungsinstitut Emnid im Auftrag von manager magazin rund tausend private Aktionäre nach ihrer Einschätzung des aktuellen Börsenklimas und nach ihrem Urteil über die Gilde der deutschen Topmanager gefragt.
Das Ergebnis der aktuellen Umfrage ist von der Börsenerholung seit Mitte März geprägt. Von dem damaligen Tiefstand von knapp 2200 Punkten hat sich der Dax bis Anfang Juni um über 35 Prozent erholt. Entsprechend positiv fällt die Beurteilung der Spitzenmanager durch die Anleger aus. Sämtliche Konzernlenker haben ihre Werte entweder gehalten oder verbessert.
Den größten Sprung nach vorn machte Puma-Chef Jochen Zeitz (40), der sich gegenüber der vorangegangenen Umfrage um zehn Punkte verbesserte. Verdienter Lohn für eine überdurchschnittliche Leistung. Zeitz steigerte den Börsenwert seines Unternehmens seit seinem Amtsantritt vor ziemlich genau 10 Jahren um fast 900 Prozent, allein seit Jahresbeginn stieg der Kurs um über ein Drittel.
Mächtig aufgeholt haben auch RWE-Vormann Harry Roels (54) und Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke (41), die jeweils um neun Punkte zulegten. Beide profitieren von der derzeit vorsichtigen Grundhaltung der Anleger, die statt Visionen lieber solide Zahlen sehen wollen.
Stabil auf niedrigem Niveau: "Wie beurteilen Sie auf einer Skala von -5 bis +5 das aktuelle Aktienklima? Wie wird sich die Stimmung in drei Monaten verändern?"
Die Anleger gewähren Roels und Ricke offenbar einen Vertrauensvorschuss, weil die neuen Konzernfürsten kurz nach ihrem Amtsantritt jeweils den Expansionsfeldzug ihrer Vorgänger für beendet erklärt und ihren Unternehmen Konsolidierung und Schuldenabbau verordnet hatten.
Erstmals an der Spitze: Jürgen Schrempp (58). Der Vormann des DaimlerChrysler-Konzerns hat Porsche-Chef Wendelin Wiedeking (50) von der Topposition des Börsenbarometers verdrängt.
Den Platz an der Spitze dürfte Schrempp allerdings nicht lange halten können. Der Herr der Welt AG hat seinen Aufstieg vor allem den Turnaround-Meldungen bei Chrysler zu verdanken. Doch die Erfolgsmeldungen kamen offenbar zu früh. Für das erste Quartal musste die US-Tochter erneut einen Verlust von einer Milliarde Euro eingestehen. Der Einbruch hatte allerdings noch keinen Einfluss auf das aktuelle Börsenbarometer, da die Umfrage zu dem Zeitpunkt, als die Meldung an die Öffentlichkeit drang, schon abgeschlossen war.
Die derzeit vorsichtige Grundstimmung der privaten Aktionäre spiegelt sich auch in den Anlagepräferenzen wider.
Große Zurückhaltung: Erstmals seit dem Start des Börsenbarometers im April 2001 hat der EuroStoxx den Dax in der Gunst der Anleger überholt
Wie in den vergangenen drei Umfragen würde die Mehrheit der Befragten ihr Geld derzeit eher in festverzinsliche Wertpapiere als in Dividendentitel oder Aktienfonds stecken. Die Präferenz von Anleihen ist in der aktuellen Umfrage allerdings zum ersten Mal seit Herbst vergangenen Jahres wieder rückläufig.
Wenn es um Dividendentitel geht, kommen die Favoriten nach wie vor aus konservativen Sektoren wie der Chemie- und Pharmabranche sowie aus der Automobil- und der Elektroindustrie. Verbessert haben sich nach Einschätzung der befragten Anleger die Aussichten der IT- und Telekommunikationsunternehmen.
Bei den bevorzugten Aktiensegmenten hat sich wenig getan. Überraschend allerdings: Der Tec-Dax - erstmals in dieser Umfrage erfasst - genießt weniger Vertrauen als der zuletzt arg gebeutelte Neue Markt.
Einen Schluss scheinen die Anleger aus dem desaströsen Dax-Verlauf des vergangenen Jahres gezogen zu haben: Die Risiken werden breiter gestreut. Erstmals seit dem Start des Börsenbarometers im April 2001 hat der EuroStoxx den Dax in der Gunst der Anleger überholt.
1 Rang im Börsenbarometer 7/2003 (in Klammern: Rang im Vorquartal) 2 Prozent der befragten Anleger, die dem Manager eine nachhaltige Steigerung des Aktienkurses zutrauen. 3 Veränderung der Zustimmung in Prozentpunkten im Vergleich zum Vorquartal; die mit * gekennzeichneten Vorstandsvorsitzenden wurden erstmals in das Börsenbarometer aufgenommen. |