Finanzmärkte: Angst vor SARS greift auf Europa über
Die ansteckende Lungenkrankheit SARS wird zum wichtigsten Thema an den Finanzmärkten. Die Welle der Angst schwappt jetzt auch nach Europa und die USA.
Zudem stehen diese Woche Unternehmens- und Konjunkturdaten an, denen Strategen pessimistisch entgegensehen. Die Ankündigung Nordkoreas, bald Tests mit Nuklearwaffen durchzuführen, ruft Kriegssorgen in Erinnerung, die die Anleger nach dem Ende des Irak-Krieges hinter sich zu haben glaubten. Vor diesem Hintergrund dürfte die Ernüchterung an den Börsen für sinkende Kurse sorgen. Die Renten und der Euro sollten dagegen von der Unsicherheit und dem Konjunkturpessimismus profitieren.
"SARS ist auf den Radarschirmen der Industrieländer aufgetaucht, bisher wurde es nur als regional begrenztes Problem angesehen", sagt Raymond Attrill, Leiter Analyse des Researchhauses 4Cast. "SARS wird am Markt viel zu wenig beachtet", meint auch Rolf Elgeti, Stratege bei Commerzbank Securities. Das Thema werde diese Woche mehr in den Fokus rücken, zumal die Krankheit einen Preisrutsch an den Rohstoffmärkten auslösen könnte. Das von SARS stark betroffene China ist global einer der wichtigsten Käufer von Kupfer, Nickel und Eisenerz.
Folgen für Goldpreis befürchtet
Da China den Goldbedarf aus eigenen Minen deckt, hatte die Lungenkrankheit bisher keine Auswirkungen auf den Goldpreis. Doch das könnte sich rasch ändern. "Wenn die ersten SARS-Fälle in Ländern wie Indien auftauchen, könnte dies erhebliche Auswirkungen am Goldmarkt haben", sagt John Reade, Edelmetallexperte von UBS Warburg. 2002 kamen aus Indien 12 Prozent der weltweiten Goldnachfrage.
Wie viele große deutsche Unternehmen SARS betreffen könnte, zeigt eine Studie der auf kleine und mittlere Werte spezialisierten Investmentbank Equinet. Neben der Lufthansa und Europas größtem Reisekonzern TUI nennt Equinet vor allem Infineon, Adidas und MAN als diejenigen, die unter Konjunkturrückschlägen der asiatischen Volkswirtschaften leiden könnten. Für den Chiphersteller Infineon sei Asien der wichtigste Wachstumsmarkt.
Auch wenn Stephen Roach, Chefvolkswirt von Morgan Stanley, mit Blick auf die jüngste Börsenrally über die "Romanze von Nachkriegserleichterung und zyklischen Erholungen" spottet und vor einem Absturz warnt, schließen Strategen einen steilen Fall der Aktienindizes aus. "Wir könnten 2 bis 3 Prozent verlieren", sagt Elgeti. Während Analysten wie Peter Oppenheimer von Goldman Sachs vergangene Woche bereits die Talsohle der dreijährigen Baisse als durchschritten sahen, bezeichnet Elgeti den Aufschwung der Börsen seit Mitte März als "Bärenmarkt-Rally". Diese hatte am vergangenen Donnerstag zunächst abrupt geendet.
Immerhin gewann der Dax im Verlauf der vergangenen Woche 0,5 Prozent, der Stoxx 50 fiel um 0,6 Prozent. An der Wall Street gab der Dow Jones trotz zwischenzeitlicher Klettertouren um 0,4 Prozent nach, der Technologieindex Nasdaq Composite stieg im Wochenvergleich um 0,6 Prozent. Der Nikkei verlor im gleichen Zeitraum 2,2 Prozent. Ein regelrechter Ausverkauf der Sony-Aktie, der nach den enttäuschenden Zahlen des weltweit größten Unterhaltungselektronikkonzerns einsetzte, drückte den japanischen Leitindex am Freitag auf ein 20-Jahres-Tief bei 7699,50 Punkten.
Ernüchterung
Die Ernüchterung, die am Abwärtstrend bereits Ende der Woche abzulesen war, dürfte anhalten. "Ein großer Teil der offensichtlichen Unterbewertungen sind aus dem Markt", sagt Bernd Meyer, Aktienstratege für Europa bei der Deutschen Bank. Nach der Berichtssaison in den USA dürfte nun vor allem spannend werden, wie Europas Konzerne ihre Lage beurteilen.
Über das erste Quartal berichten unter anderem Volvo, Alcatel, BASF, Ericsson, Merck, SAP Systems Integration und Adidas. Auch Aventis, Celanese, Deutsche Bank, Intershop, Metro, Schering und Exxon Mobil geben Details zum Start ins Jahr 2003 bekannt. Fraport, Jenoptik und Münchener Rück stellen ihre Bilanz für das abgelaufene Jahr vor.
Knapp eine Woche vor der regulären Sitzung der US-Notenbank wird ihr Chef, Alan Greenspan, am Mittwoch vor dem Repräsentantenhaus sprechen. Nach den enttäuschenden Zahlen zum Wirtschaftswachstum im ersten Quartal sind die Marktteilnehmer gespannt, ob Greenspan einen vorsichtigen Ton anschlägt. "Im Markt wird nicht auf eine Zinssenkung spekuliert", sagt Laurent Fransolet, Bondstratege bei JP Morgan.
Er sagt leichte Kursgewinne voraus, erwartet jedoch, dass sich die Renditen der Staatsanleihen in einem Band bewegen. Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen werde zwischen 3,75 und 4,25 Prozent schwanken. Am Freitagabend lag sie bei 3,8812 Prozent. "Mit Blick auf den Refinanzierungsbedarf der Regierung werden die Investoren vorsichtiger", sagt Fransolet. Er schätzt, dass Papiere im Volumen von 58 Mrd. $ in den für nächste Woche geplanten Auktionen angeboten werden. Bonds könnten unter Druck kommen.
Neben Greenspan stehen in Europa und den USA wichtige Konjunkturdaten an. Am Montag veröffentlicht das Ifo-Institut seinen Geschäftsklimaindex. Im März war der Indikator bedingt durch die Angst vor einem Irak-Krieg stark gefallen. Doch jetzt wird ein Anstieg von 88,1 auf 88,7 Punkte erwartet. Am Mittwoch folgt das Industrievertrauen in der Euro-Zone. Ebenfalls mit Spannung erwartet werden die Erzeugerpreise (Freitag), die weiter gefallen sein sollen.
Dollar bleibt schwach
In den USA neigt sich die Saison der Quartalsberichte dem Ende zu. Nun rückt die Konjunktur in den Fokus. Beim Index des Verbrauchervertrauens des Conference Boards, der am Dienstag veröffentlicht wird, erwarten die Strategen eine Nachkriegserholung. Am Freitag kommen die Arbeitsmarktdaten für April. Volkswirte rechnen mit einem leichten Anstieg der Erwerbslosenquote auf 5,9 Prozent.
Deswegen dürfte der Dollar schwach bleiben. Attrills Prognose von 4Cast lautet: "Anfang der Woche könnte der Euro auf 1,1084 $ klettern." Dann wäre der Weg für eine Kletterpartie bis kurzfristig 1,1150 $ frei. "Wenn der Euro an der Marke scheitert, könnte er bis auf 1,08 $ zurückfallen." Das Euro-Hoch der vergangenen Woche lag bei 1,1046 $.
Seitens der US-Unternehmen stehen vor allem Berichte der großen Energieerzeuger und Ölfirmen wie Entergy, Dynegy, Halliburton, Exxon Mobil und ChevronTexaco an. Die Chemiekonzerne DuPont und Monsanto sowie McDonald’s und Procter& Gamble legen Zahlen vor.
© 2003 Financial Times Deutschland
Die ansteckende Lungenkrankheit SARS wird zum wichtigsten Thema an den Finanzmärkten. Die Welle der Angst schwappt jetzt auch nach Europa und die USA.
Zudem stehen diese Woche Unternehmens- und Konjunkturdaten an, denen Strategen pessimistisch entgegensehen. Die Ankündigung Nordkoreas, bald Tests mit Nuklearwaffen durchzuführen, ruft Kriegssorgen in Erinnerung, die die Anleger nach dem Ende des Irak-Krieges hinter sich zu haben glaubten. Vor diesem Hintergrund dürfte die Ernüchterung an den Börsen für sinkende Kurse sorgen. Die Renten und der Euro sollten dagegen von der Unsicherheit und dem Konjunkturpessimismus profitieren.
"SARS ist auf den Radarschirmen der Industrieländer aufgetaucht, bisher wurde es nur als regional begrenztes Problem angesehen", sagt Raymond Attrill, Leiter Analyse des Researchhauses 4Cast. "SARS wird am Markt viel zu wenig beachtet", meint auch Rolf Elgeti, Stratege bei Commerzbank Securities. Das Thema werde diese Woche mehr in den Fokus rücken, zumal die Krankheit einen Preisrutsch an den Rohstoffmärkten auslösen könnte. Das von SARS stark betroffene China ist global einer der wichtigsten Käufer von Kupfer, Nickel und Eisenerz.
Folgen für Goldpreis befürchtet
Da China den Goldbedarf aus eigenen Minen deckt, hatte die Lungenkrankheit bisher keine Auswirkungen auf den Goldpreis. Doch das könnte sich rasch ändern. "Wenn die ersten SARS-Fälle in Ländern wie Indien auftauchen, könnte dies erhebliche Auswirkungen am Goldmarkt haben", sagt John Reade, Edelmetallexperte von UBS Warburg. 2002 kamen aus Indien 12 Prozent der weltweiten Goldnachfrage.
Wie viele große deutsche Unternehmen SARS betreffen könnte, zeigt eine Studie der auf kleine und mittlere Werte spezialisierten Investmentbank Equinet. Neben der Lufthansa und Europas größtem Reisekonzern TUI nennt Equinet vor allem Infineon, Adidas und MAN als diejenigen, die unter Konjunkturrückschlägen der asiatischen Volkswirtschaften leiden könnten. Für den Chiphersteller Infineon sei Asien der wichtigste Wachstumsmarkt.
Auch wenn Stephen Roach, Chefvolkswirt von Morgan Stanley, mit Blick auf die jüngste Börsenrally über die "Romanze von Nachkriegserleichterung und zyklischen Erholungen" spottet und vor einem Absturz warnt, schließen Strategen einen steilen Fall der Aktienindizes aus. "Wir könnten 2 bis 3 Prozent verlieren", sagt Elgeti. Während Analysten wie Peter Oppenheimer von Goldman Sachs vergangene Woche bereits die Talsohle der dreijährigen Baisse als durchschritten sahen, bezeichnet Elgeti den Aufschwung der Börsen seit Mitte März als "Bärenmarkt-Rally". Diese hatte am vergangenen Donnerstag zunächst abrupt geendet.
Immerhin gewann der Dax im Verlauf der vergangenen Woche 0,5 Prozent, der Stoxx 50 fiel um 0,6 Prozent. An der Wall Street gab der Dow Jones trotz zwischenzeitlicher Klettertouren um 0,4 Prozent nach, der Technologieindex Nasdaq Composite stieg im Wochenvergleich um 0,6 Prozent. Der Nikkei verlor im gleichen Zeitraum 2,2 Prozent. Ein regelrechter Ausverkauf der Sony-Aktie, der nach den enttäuschenden Zahlen des weltweit größten Unterhaltungselektronikkonzerns einsetzte, drückte den japanischen Leitindex am Freitag auf ein 20-Jahres-Tief bei 7699,50 Punkten.
Ernüchterung
Die Ernüchterung, die am Abwärtstrend bereits Ende der Woche abzulesen war, dürfte anhalten. "Ein großer Teil der offensichtlichen Unterbewertungen sind aus dem Markt", sagt Bernd Meyer, Aktienstratege für Europa bei der Deutschen Bank. Nach der Berichtssaison in den USA dürfte nun vor allem spannend werden, wie Europas Konzerne ihre Lage beurteilen.
Über das erste Quartal berichten unter anderem Volvo, Alcatel, BASF, Ericsson, Merck, SAP Systems Integration und Adidas. Auch Aventis, Celanese, Deutsche Bank, Intershop, Metro, Schering und Exxon Mobil geben Details zum Start ins Jahr 2003 bekannt. Fraport, Jenoptik und Münchener Rück stellen ihre Bilanz für das abgelaufene Jahr vor.
Knapp eine Woche vor der regulären Sitzung der US-Notenbank wird ihr Chef, Alan Greenspan, am Mittwoch vor dem Repräsentantenhaus sprechen. Nach den enttäuschenden Zahlen zum Wirtschaftswachstum im ersten Quartal sind die Marktteilnehmer gespannt, ob Greenspan einen vorsichtigen Ton anschlägt. "Im Markt wird nicht auf eine Zinssenkung spekuliert", sagt Laurent Fransolet, Bondstratege bei JP Morgan.
Er sagt leichte Kursgewinne voraus, erwartet jedoch, dass sich die Renditen der Staatsanleihen in einem Band bewegen. Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen werde zwischen 3,75 und 4,25 Prozent schwanken. Am Freitagabend lag sie bei 3,8812 Prozent. "Mit Blick auf den Refinanzierungsbedarf der Regierung werden die Investoren vorsichtiger", sagt Fransolet. Er schätzt, dass Papiere im Volumen von 58 Mrd. $ in den für nächste Woche geplanten Auktionen angeboten werden. Bonds könnten unter Druck kommen.
Neben Greenspan stehen in Europa und den USA wichtige Konjunkturdaten an. Am Montag veröffentlicht das Ifo-Institut seinen Geschäftsklimaindex. Im März war der Indikator bedingt durch die Angst vor einem Irak-Krieg stark gefallen. Doch jetzt wird ein Anstieg von 88,1 auf 88,7 Punkte erwartet. Am Mittwoch folgt das Industrievertrauen in der Euro-Zone. Ebenfalls mit Spannung erwartet werden die Erzeugerpreise (Freitag), die weiter gefallen sein sollen.
Dollar bleibt schwach
In den USA neigt sich die Saison der Quartalsberichte dem Ende zu. Nun rückt die Konjunktur in den Fokus. Beim Index des Verbrauchervertrauens des Conference Boards, der am Dienstag veröffentlicht wird, erwarten die Strategen eine Nachkriegserholung. Am Freitag kommen die Arbeitsmarktdaten für April. Volkswirte rechnen mit einem leichten Anstieg der Erwerbslosenquote auf 5,9 Prozent.
Deswegen dürfte der Dollar schwach bleiben. Attrills Prognose von 4Cast lautet: "Anfang der Woche könnte der Euro auf 1,1084 $ klettern." Dann wäre der Weg für eine Kletterpartie bis kurzfristig 1,1150 $ frei. "Wenn der Euro an der Marke scheitert, könnte er bis auf 1,08 $ zurückfallen." Das Euro-Hoch der vergangenen Woche lag bei 1,1046 $.
Seitens der US-Unternehmen stehen vor allem Berichte der großen Energieerzeuger und Ölfirmen wie Entergy, Dynegy, Halliburton, Exxon Mobil und ChevronTexaco an. Die Chemiekonzerne DuPont und Monsanto sowie McDonald’s und Procter& Gamble legen Zahlen vor.
© 2003 Financial Times Deutschland