Anleger fürchten weitere Rückschläge
Die Stimmung an den internationalen Aktienmärkten hat sich in der vergangenen Woche kaum verändert. Die Anleger bleiben skeptisch.An der Sorge vor einem Krieg im Irak hat sich ebenso wenig geändert wie die Unsicherheit vor der Konjunktur- und Gewinnentwicklung. Viele Analysten rechnen kurzfristig im besten Fall mit einer Seitwärtsbewegung, die Rückschlagsgefahr bleibt aber hoch.
In der vergangenen Woche zeichnete sich kein einheitlicher Trend ab. Während Nikkei 225, Stoxx 50, FTSE 100 und CAC 40 Gewinne verbuchen konnten, setzten der Dax und die US-Börsen ihren Abwärtstrend fort. Kursgewinnen bei defensiven Werten standen Verluste bei zyklischen Branchen gegenüber.
Steven Wieting, Volkswirt bei Salomon Smith Barney, senkte seine Gewinnprognosen für die S & P 500-Werte für das Jahr 2003. Pro Aktie werde der Gewinn bei 52,50 $ liegen statt wie bisher angenommen bei 54 $. Das wäre ein Zuwachs von 7,7 Prozent gegenüber diesem Jahr. Seine Prognosen für 2002 ließ er unverändert bei 48,75 $ pro Aktie. "Die Vorhersagen für die meisten Branchen sind unplausibel hoch", mahnt Wieting.
Im günstigsten Fall seitwärts
Das Standard & Poor's Investment Policy Committee geht davon aus, dass sich "im günstigsten Fall der Markt auf kurze Sicht seitwärts bewegen wird. Im schlimmsten Fall erleben wir gerade eine Bärenmarkt-Rally, auf die unmittelbar neue Tiefstände folgen werden." Clark Yingst, Analyst bei Joseph Gunnar teilt die Auffassung, dass die Kurssteigerungen Ende vergangener Woche "noch nicht das Ende des Abwärtstrends" an der Wall Street sind. Ein Hinweis darauf sei, dass institutionelle Investoren sich nach wie vor kaum am Markt engagierten.Nicht viel optimistischer ist die Einschätzung für die Börsen in Europa. Thomas Köbel, Analyst bei der SEB Bank, erwartet, dass sich die Aktienkurse bestenfalls auf dem jetzigen Niveau halten werden. "Einen großen Aufwärtstrend kann ich nicht erkennen." Einziger Lichtblick: Das Erwartungsniveau ist offenbar sehr niedrig. "Die Anleger sind derzeit für jeden Strohhalm dankbar", sagte Köbel.
Optimistisch sind die Strategen der Bankgesellschaft Berlin. Sie halten den Dax für deutlich unterbewertet. Auf Sicht von einem Jahr erwartet Aktienmarktstrategin Gertrud Traud, dass der Dax auf 5000 Punkte steigt. Das wäre ein Gewinn von 71 Prozent.
In dieser Woche stehen eine ganze Reihe vielbeachteter Konjunkturindikatoren auf der Agenda. Den Anfang macht am Montag der Index der Einkaufsmanager Chicagos für September. Große Bedeutung wird dem US-Einkaufsmanagerindex des Institute for Supply Management (ISM) eingeräumt, der am Dienstag veröffentlicht wird. Im August lag der Wert bei 50,5 Zählern. "Wegen der Verschärfung der Tonlage im Irak-Krieg, dem gestiegenen Ölpreis und den weiter nachgebenden Aktienmärkten steht zu befürchten, dass der ISM-Index zum ersten Mal seit Januar wieder unter die Marke von 50 Punkten fällt", sagen die Analysten von HSBC Trinkaus & Burkhardt.
Außerdem befürchten die meisten Volkswirte, dass die Konsumausgaben im August mit 0,5 Prozent nur halb so stark gestiegen sein dürften wie im Vormonat. Auch im Hinblick auf den Arbeitsmarkt herrscht wenig Optimismus: Die durchschnittliche Prognose für die Arbeitslosenrate lautet auf 5,9 Prozent nach 5,7 Prozent im August. Bei den Fabrikaufträgen rechnen die meisten mit einem Rückgang. In der Euro-Zone dürften am Dienstag vor allem die Reuters-Einkaufsmanagerindizes für September und das Verbrauchervertrauen in Frankreich für September Beachtung finden.
An Unternehmensergebnissen ist hingegen in dieser Woche fast gar nichts zu erwarten. Viele Händler befürchten, dass aus den USA einige Gewinnwarnungen kommen könnten. Erst vergangenen Donnerstag hatte der weltgrößte Zigarettenhersteller Philip Morris den Markt mit einer Reduzierung seiner Gewinnprognose geschockt. Ende der Woche läutet der US-Aluminiumkonzern Alcoa , der traditionell als erstes großes US-Unternehmen seine Quartalszahlen vorstellt, die Bilanzsaison ein.
US-Renditen markieren neue Tiefs
An den Rentenmärkten erwarten die meisten Händler eher steigende Renditen, nachdem sie in den USA in der vergangenen Woche auf neue Tiefstände gefallen sind. Potenzial für weiter sinkende Renditen bestehe nach Aussage vieler Händler nur noch bei einer Zuspitzung der Irak-Krise oder wenn sich die Börsen aus ihrem Abwärtstrend nicht befreien können. Die Analysten der DZ Bank erwarten eine Korrektur: "Die Kurse der zehnjährigen US-Treasuries haben neue Höchststände markiert. Wir schätzen dies als extreme Übertreibung ein."Die Aussichten für den Euro sind zumindest aus charttechnischer Sicht wenig verheißungsvoll. "Der Euro hat an Schwung verloren", sagte Devisenmarktstratege Eugen Keller vom Bankhaus Metzler. "Es besteht die Gefahr, dass der Euro auf 96 US-Cent abtaucht." Eine wichtige Unterstützungsmarke liege bei 0,9740 $. Ein Euro kostete am Freitagabend 0,9809 $ und damit nahezu unverändert zum Vorwochenschluss.
Nicht ganz so pessimistisch sind die Charttechniker von HSBC Trinkhaus & Burkhardt: "Die Indikatoren geben derzeit wenig Hilfestellung und deuten auf eine Fortsetzung der Seitwärtsbewegung hin."