Wachstumssorgen im Vordergrund
Die weltweiten Aktienmärkte werden nach Ansicht von Analysten auch diese Woche nicht nachhaltig aus ihrer Abwärtsspirale herauskommen. Sie erwarten weitere Kursverluste, da die Unternehmensprognosen aus den USA für weitere Negativ-Überraschungen sorgen dürften.Speziell für den Techniksektor sieht Steven Milunovich von Merrill Lynch auch mittelfristig nur wenig Hoffnung. Für eine Erholung gebe es „keine fundamentalen Auslöser in der nächsten Zeit, so dass wir allenfalls auf eine Rally im vierten Quartal hoffen können." Die Unternehmen würden ihre Investitionen so lange aufschieben, bis sie sich über eine Erholung sicher seien.
Nach den Kurseinbrüchen im Wochenverlauf war das weltweite Börsen-Geschehen am Freitag vom großen Verfallstermin auf Aktien- und Index-Optionen sowie Future-Kontrakte geprägt. Der dreifache „Hexensabbat“ sorgte für starke Kursschwankungen. Die wichtigsten Börsenbarometer beendeten die Woche mit Verlusten.
Gebeutelte Telekom
Der Dax büßte am Freitag moderate 0,3 Prozent auf 4232 Punkte. Im Wochenvergleich war das ein Minus von 1,7 Prozent. Der Stoxx 50 fiel am Freitag um 0,4 Prozent auf 2973 Punkte. Binnen Wochenfrist sank er um 1,3 Prozent. Der FTSE-Index sackte am Freitag zeitweise auf den tiefsten Stand seit September 2001, schloss aber mit 4605 Punkten um 0,5 Prozent im Plus. Nicola Merrell, Analystin bei JP Morgan, schließt einen Rutsch bis auf 4200 Zähler nicht aus.Telekomwerte auf Tiefständen
Dramatische Kursstürze erlebten einige Schwergewichte im Technik-, Medien- und Telekom-Sektor. Bei der Deutschen Telekom ging es fast nur noch abwärts. Am Freitag fiel das Papier zeitweise auf ein Allzeittief von 8,93 Euro, ging aber mit 9,05 Euro aus dem Handel. France Telecom rutschten erstmals unter zwölf Euro. Zum Schluss notierte das Papier mit 12,41 Euro 3,7 Prozent schwächer.Joachim Paech von Julius Bär sieht eine Zweiteilung des Marktes, die diametral zur Situation im Februar 2000 steht. Während damals alle nur in den Markt wollten, heiße es jetzt durchweg ´raus aus den Aktien. Allerdings gebe e s viele auf werthaltige Anlagen (Value) spezialisierte Fondsmanager, die die überverkaufte Situation zu Käufen nutzten. Diese Woche könne es daher an den europäischen Börsen immer wieder zu einer technischen Erholung kommen. Dagegen werde der Dow Jones weiter in Richtung 9000 gehen. Am Freitag verlor der Dow 1,9 Prozent auf 9253 Zähler. Der Nasdaq Composite fiel um 1,6 Prozent auf 1440 Punkte.
„Die Nerven vieler Anleger scheinen derart blank zu liegen, dass ein finaler Ausverkauf jederzeit möglich erscheint“, schreiben dagegen die Analysten der Bankgesellschaft Berlin. Die Sorge sei sehr groß, dass ein konjunktureller Rückschlag die noch bestehenden Ertragshoffnungen vollends zerstören könnten.
Konjunkturdaten geben die Richtung vor
Diese Woche werden die Daten zum US-Verbrauchervertrauen und die Konjunktureinschätzung der US-Notenbank die Richtung vorgeben, auch wenn von der Fed am Mittwoch keine Zinserhöhung erwartet wird. Die Stimmung bei den US-Konsumenten hat sich nach Einschätzung der Deutschen Bank kräftig eingetrübt. Der Juni-Index des Wirtschaftsforschungsinstituts Conference Board am Dienstag dürfte von 109,8 im Mai auf 103 Punkte abgerutscht sein. Für den Vertrauensindex der Universität Michigan am Freitag sagen die Analysten einen Rückfall auf 90,8 von 96,9 Punkten im Mai voraus.Ian Shepherdson von High Frequency Economics hält aber die Sorgen über die Stimmung der Verbraucher für übertrieben. „Das erinnert an die Monate nach dem 11. September, als viele, wenn nicht alle Analysten und Investoren besessen waren vom Verbrauchervertrauen und dabei den durchaus positiven Cash Flow der Unternehmen völlig ignorierten."
Am Mittwoch werden die Auftragseingänge für langlebige Güter im Mai bekannt gegeben. Die endgültigen Zahlen für das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal folgen tags darauf. Für das zweite Quartal senkte die Deutsche Bank ihre Wachstumsprognose von vier auf drei Prozent und rechnet erst für November mit einer Zinserhöhung der Fed.
Geringeres Wirtschaftswachstum
Für die Euro-Zone sagen die Analysten des Bankhauses im zweiten Quartal nur noch ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent nach bislang gut drei Prozent voraus. Die Aufwertung des Euro erleichtere der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammen mit den verbesserten Inflationsaussichten eine Verschiebung der bislang für Jahresmitte erwarteten Zinsanhebung bis September.Dieter Wermuth von United Financial of Japan geht noch weiter. Euroland brauche eine Stimulierungsspritze durch die EZB.
Für den deutschen Ifo-Geschäftsklimaindex am Dienstag fallen die Prognosen der Analysten sehr unterschiedlich aus. UBS Warburg rechnet mit einem Anstieg von 91,5 im Mai auf 91,9 Punkte im Juni. Dagegen erwartet die Deutsche Bank einen Index-Rückgang auf 91,2, der Konsens liegt bei 92,4 Punkten.
Nur wenige Unternehmensnachrichten
Nur wenige Firmen stellen diese Woche konkrete Zahlen vor. Dazu gehören in den USA die Softwareschmiede Corel, Halbleiterhersteller Micron Technology und der Produzent von Handcomputern Palm. Darüber hinaus veröffentlichen die Lebensmittelkonzerne Conagra und General Mills sowie der Sportartikelhersteller Nike, die Drogeriemarktkette Walgreen und der Paketzusteller FedEx Quartalsergebnisse. In der Euro-Zone geben der Konsumgüterkonzern Unilever und die britische Bank Lloyds eine Einschätzung der Geschäftslage bekannt.Euro auf dem Weg zur Parität
Der Gewinner der vergangenen Woche war der Euro, der seine Aufwertung gegenüber dem Dollar fortsetzen dürfte. Am Freitag kletterte er über die Marke von 0,97 $. Die Gemeinschaftswährung wird nach Ansicht des Chef-Volkswirtes der Allianz/Dresdner Bank, Klaus Friedrich, noch in diesem Jahr einen Kurs von 1 Dollar erreichen.Die Luft für Kursgewinne an den Rentenmärkten wird nach der jüngsten Aufwärtsbewegung, die die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen unter fünf Prozent fallen ließ, wird dünner. Am Freitag lag sie bei 4,96 Prozent. Der Bund-Future schloss mit 107,38 Punkten um 25 Stellen höher.