Börsenaufsicht: Zahnloser Tiger

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Börsenaufsicht: Zahnloser Tiger

 
20.06.01 16:17
Börsenaufsicht: Zahnloser Tiger
Von Heino Reents, Hamburg

Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel muss sich verstärkt mit Insiderhandel, Kursmanipulationen und irreführende Ad-hoc-Meldungen beschäftigen. Doch der jetzt vorgelegte Jahresbericht 2000 beweist: Die Erfolgsquote fällt bescheiden aus.

Von einem "turbulenten Börsenjahr 2000" spricht das Amt in seinem Jahresbericht, der am Mittwoch in Frankfurt vorgestellt wird. Angeregt durch auffällige Kursverläufe, Informationen von Anlegern und Analysten sowie durch die Handelsüberwachungsstellen der Börsen verfolgte die Börsenaufsicht im vergangenen Jahr zahlreiche Fälle wegen des Verdachts des Insiderhandels. Zumeist im Blickpunkt: Unternehmen des Neuen Marktes.

Doch die Erfolgsquote des BAWe hält sich in Grenzen: Im Jahr 2000 hat die Behörde neben den aus den Vorjahren 45 anhängigen Verfahren 51 Fälle wegen Insiderhandels untersucht, von denen sie 22 Fälle der Staatsanwaltschaft übergeben hat. Die Staatsanwälte ihrerseits haben 2000 gegen 40 Beschuldigte Verfahren abgeschlossen, dabei vier Geldauflagen verhängt, zwei Strafbefehle ausgestellt und eine rechtskräftige Verurteilung erreicht. 37 Verfahren wurden eingestellt, der Rest ist noch in Bearbeitung.




Anhaltspunkte für Kursmanipulationen

Nach eigenen Angaben stieß das BAWe bei der Untersuchung möglicher Insidergeschäfte auch immer wieder im Internet auf Anhaltspunkte für Kursmanipulationen. Diese "erstreckten sich von der Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen über gefälschte Aktionärsbriefe und Berichte von Presseagenturen bis hin zur Anpreisung wertloser Aktien in spezialisierten Internet-Publikationen", heißt es in dem Jahresbericht. Da das Aufsichtsamt für die Untersuchung und Verfolgung von Kursmanipulation (§ 88 Börsengesetz) jedoch keine eigenen Befugnisse hat, übersendete sie die gesammelten Erkenntnisse an die Börsenaufsichtsbehörden der Länder oder erstattete Anzeige bei den Staatsanwaltschaften. Das war im vergangenen Jahr 20mal der Fall.


Auch die Behörde selbst weiß von ihrer fehlenden Durchschlagskraft. Im Jahresbericht heißt es: "Die bisher fehlende Überwachung des Verbots der Kursmanipulation durch eine zentrale Aufsichtsinstanz erschwert die Bekämpfung derartiger Delikte. Dies betrifft insbesondere Aktivitäten im Internet, deren Aufklärung in vielen Fällen eine Zusammenarbeit mit ausländischen Aufsichtsbehörden erfordert."




Beschwerden wegen IPOs

Viel zu tun hatte das Bundesaufsichtsamt auch mit den zahlreichen IPOs im Jahr 2000. Viele zeichnungswillige und enttäuschte Anleger hatten sich an das BAWe gewandt und vor allem die mangelnde Transparenz des Zuteilungsverfahrens und die schlechte Erreichbarkeit von Direktbanken beklagt. "Der Öffentlichkeit war überwiegend nicht bewusst, dass es keinen individuellen Anspruch auf Zuteilung gibt", so das BAWe. Immerhin 1702 Beschwerden über Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute trudelten in Frankfurt ein. Zum Vergleich: 1999 waren es noch 578 Beschwerden. Doch lediglich in zwei Fällen verhängte das Bundesamt Geldbußen in Höhe von 4000 bzw. 10.000 DM wegen Verletzung von Aufzeichnungspflichten.


Zur Verbesserung der Markttransparenz sollte auch die Pflicht zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen beigetragen. Die Zahl dieser Meldungen börsennotierter Aktiengesellschaften über neue kursrelevante Unternehmensinformationen ist seit 1995 kontinuierlich angestiegen. Im Jahr 2000 gingen beim BAWe 5057 (1999: 3.219) Ad-hoc-Mitteilungen inländischer Emittenten ein. "Einige Emittenten, insbesondere im Neuen Markt, setzten das Instrument der Ad-hoc-Publizität vor allem für Zwecke der Selbstdarstellung und Werbung ein", heißt es in dem Jahresbericht.



Keine echte Abschreckung

Aber auch hier ist es schwierig, Missbrauch nachzuweisen: So schreibt zwar Paragraph 15 des Wertpapierhandelsgesetzes vor, dass ein Unternehmen unverzüglich Daten melden muss, die den Aktienkurs beeinflussen können. Verschweigt ein Unternehmen in einer Ad-hoc-Mitteilung wichtige Ereignisse oder fälscht es sogar Zahlen, droht ein Bußgeld bis drei Mio. DM. Das Ergebnis 2000: Das Bundesaufsichtsamt verhängte lediglich sechs Bußgelder in Höhe von 10.000 bis 200.000 DM. Angesichts der möglichen Kursgewinne sind das keine Beträge, die die Schwarzen Schafe am Markt wirklich abschrecken könnten. Zumal das BAWe die Namen der betroffenen Unternehmen nicht veröffentlicht.



Doch selbst schärfere Gesetze dürften das Problem mit den Meldungen wohl nicht lösen. Denn das Amt kommt mit der Bewältigung der Informationsflut kaum nach. Obwohl die Zahl der Meldungen stark angestiegen ist, sei die Personaldecke der Frankfurter Behörde nicht nennenswert aufgestockt worden. Derzeit verfügt das BAWe nach eigenen Angaben über 138 Angestellte. 25 bis 30 von ihnen prüfen nicht nur, ob die Ad-hocs rechtzeitig abgeschickt wurden, sie müssen auch den Inhalt überprüfen. Und das kann dauern.



Künftig mehr Kompetenzen

Mehr Machtfülle soll das BAWe aber nun mit dem von der Bundesregierung geplanten vierten Finanzmarktförderungsgesetz und der von EU-Kommission vorgeschlagenen Richtlinie zur Bekämpfung von Marktmissbrauch erhalten. Statt sich wie bislang allein auf strafrechtliche Ermittlungen zu verlassen, die zumeist einschliefen, dürfen die Aufseher künftig drastische Geldbußen verhängen. Zudem wird neben dem Insiderhandel auch die Manipulation von Märkten als Straftatbestand angesehen. Erweiterte Zugriffe auf Akten, Dokumente, Chatrooms und Konten sollen helfen, die Täter schneller zu überführen.



© 2001 Financial Times Deutschland
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