06.12.2002 - 14:18 Uhr
BÖRSEN-Kriegsängste gefährden die Jahresendrally
- von vwd Börsenkorrespondent Benjamin Krieger -
Wer wissen möchte, wie es an den Aktienmärkten bis Weihnachten weitergeht, für den lohnt sich möglicherweise ein Blick zurück. Am Donnerstag senkte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins um 50 Basispunkte. Obwohl weitgehend eingepreist, sorgte die Nachricht unter den Marktakteuren umgehend für einigen Optimismus. Nun seien die Chancen auf die erhoffte Jahresendrally gestiegen, hieß es, die Unsicherheit sei nun endlich aus dem Markt. Nur zwei Stunden später fiel der DAX aber wie ein Stein um 180 auf unter 3.200 Punkte.
Was war passiert? Vertreter des Weißen Hauses hatten sich in scharfer Form über den irakischen Präsidenten Saddam Hussein geäußert. Die Aussagen wurden dahin interpretiert, dass ein Krieg der USA gegen den Irak unausweichlich ist. In der Folge sicherten sich Marktteilnehmer über Verkäufe im DAX-Future ab, was wiederum die Kurse der DAX-Titel unter Druck setzte. Die Gewinne aus den vorangegangenen sechs Sitzungen waren auf einen Schlag dahin. Womit bewiesen wäre, dass ein Krieg gegen den Irak schwerlich "eskomptiert" sein kann.
Am Sonntag nun muss der Irak den Vereinten Nationen einen ersten Bericht über seine Waffenarsenale und Produktionsstätten vorlegen. Was in diesem Bericht steht und - noch wichtiger - wie der UN-Sicherheitsrat und die US-Regierung auf diesen reagieren, davon hängt kurzfristig das Schicksal der Märkte ab. Ein Aktienhändler brachte dies zum Ausdruck, indem er sagte, für eine realistische Prognose für die Finanzmärkte müsse man mittlerweile eher einen politischen Analysten als einen Charttechniker oder Fundamentalanalysten konsultieren.
Gleichwohl werden sich die Marktteilnehmer aber wieder dem Tagesgeschäft zuwenden müssen. Für dieses sind die Vorzeichen eher gemischt: Zwar haben die obersten europäischen Währungshüter mit der Zinssenkung ein positives Signal gesetzt, in den USA könnte sich aber die Tendenz widersprüchlicher Konjunkturdaten fortsetzen. Einen ersten Fingerzeig dürften die Lagerbestände und Umsätze im Großhandel am Mittwoch sowie die Einzelhandelsumsätze am Donnerstag liefern. Dann wird sich zeigen, ob die US-Verbraucher als die wichtigste Stütze der Wirtschaft weiterhin zum Konsum bereit sind.
Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA dürften am Donnerstag eine weitere Aufhellung der Stimmung am Arbeitsmarkt zeigen, glauben Ökonomen. Hiervon dürften die Aktienmärkte profitieren, denn weniger Arbeitslose in der Vorweihnachtszeit bedeuten erfahrungsgemäß steigende Einzelhandelsumsätze. Ob hingegen die hausgemachten Konjunkturdaten positive Impulse für den deutschen Markt setzen, darf bezweifelt werden. Im Blick stehen die ZEW-Konjunkturerwartungen für Dezember am Dienstag. Der Optimismus der vom ZEW befragten Finanzmarktakteure schwindet zusehends: Es wird ein Rückfall auf minus 4,2 von plus 3,5 erwartet. Als Grund nennen die Befragten in erster Linie die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung.
Nach wie vor anfällig bleiben die Börsen für schlechte Unternehmensnachrichten. Im Zentrum des Interesses steht noch einmal Nokia die am Dienstag ein so genanntes "Mid-Quarter-Update" präsentiert Branchenkenner machen auf zwei zentrale Probleme aufmerksam: Zum einen hätten AOL und Hewlett Packard zuletzt wieder für Pessimismus gesorgt, so dass von einem grundsätzlich positiven Trend bei Technologiewerten nicht gesprochen werden könne. Dies nähre Befürchtungen, dass gerade diese Unternehmen ihre Gewinnprognosen für das erste Halbjahr 2003 reduzieren könnten. "Das Tal der Tränen könnte tiefer sein als erwartet", heißt es von Stuttgarter Bankhaus Ellwanger & Geiger.
Zum anderen stellt sich die Frage, ob die starken Kurssteigerungen gerade bei Technologieaktien nicht zu hoch ausgefallen sind angesichts der sehr gedämpften Analystenkommentare. Bereits auf dem aktuellen Niveau seien deutlich bessere Geschäftsperspektiven eingepreist. Dass Cisco mit Verweis auf die unsichere Konjunkturlage einen Geschäftsausblick verweigert, dürfte das Sentiment für diese Werte ebenfalls nicht verbessern. Unter dem Strich raten die Analysten der Commerzbank zu einem sehr selektiven Vorgehen. Vor allem Siemens und Bayer halten sie für "kaufenswert". Auch defensive Titel wie Nestle, L'Oreal und Schering seien weiterhin attraktiv, heißt es von Ellwanger & Geiger.
Fazit: Die Märkte dürften in eine Seitwärtsbewegung eintreten. Sollten sich die volkswirtschaftlichen Rahmendaten, insbesondere in den USA stabilisieren, so könnten wir bis zum Jahresende eine freundliche Kursentwicklung erleben. Diese dürfte aber deutlich volatiler ausfallen als in den zurückliegenden Wochen. Aus technischer Sicht ist im DAX ein Sprung über den Widerstand bei 3.450 Punkten kaum zu erwarten. Wiederholte Versuche waren vergeblich, die Marke erwies sich als zu stark. "Richtig Druck auf die Kurse wird aber erst dann aufkommen, wenn der DAX die Marke von etwa 3.000 Punkten unterschreitet", prognostiziert ein technischer Beobachter.
vwd/6.12.2002/bek/gos
BÖRSEN-Kriegsängste gefährden die Jahresendrally
- von vwd Börsenkorrespondent Benjamin Krieger -
Wer wissen möchte, wie es an den Aktienmärkten bis Weihnachten weitergeht, für den lohnt sich möglicherweise ein Blick zurück. Am Donnerstag senkte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins um 50 Basispunkte. Obwohl weitgehend eingepreist, sorgte die Nachricht unter den Marktakteuren umgehend für einigen Optimismus. Nun seien die Chancen auf die erhoffte Jahresendrally gestiegen, hieß es, die Unsicherheit sei nun endlich aus dem Markt. Nur zwei Stunden später fiel der DAX aber wie ein Stein um 180 auf unter 3.200 Punkte.
Was war passiert? Vertreter des Weißen Hauses hatten sich in scharfer Form über den irakischen Präsidenten Saddam Hussein geäußert. Die Aussagen wurden dahin interpretiert, dass ein Krieg der USA gegen den Irak unausweichlich ist. In der Folge sicherten sich Marktteilnehmer über Verkäufe im DAX-Future ab, was wiederum die Kurse der DAX-Titel unter Druck setzte. Die Gewinne aus den vorangegangenen sechs Sitzungen waren auf einen Schlag dahin. Womit bewiesen wäre, dass ein Krieg gegen den Irak schwerlich "eskomptiert" sein kann.
Am Sonntag nun muss der Irak den Vereinten Nationen einen ersten Bericht über seine Waffenarsenale und Produktionsstätten vorlegen. Was in diesem Bericht steht und - noch wichtiger - wie der UN-Sicherheitsrat und die US-Regierung auf diesen reagieren, davon hängt kurzfristig das Schicksal der Märkte ab. Ein Aktienhändler brachte dies zum Ausdruck, indem er sagte, für eine realistische Prognose für die Finanzmärkte müsse man mittlerweile eher einen politischen Analysten als einen Charttechniker oder Fundamentalanalysten konsultieren.
Gleichwohl werden sich die Marktteilnehmer aber wieder dem Tagesgeschäft zuwenden müssen. Für dieses sind die Vorzeichen eher gemischt: Zwar haben die obersten europäischen Währungshüter mit der Zinssenkung ein positives Signal gesetzt, in den USA könnte sich aber die Tendenz widersprüchlicher Konjunkturdaten fortsetzen. Einen ersten Fingerzeig dürften die Lagerbestände und Umsätze im Großhandel am Mittwoch sowie die Einzelhandelsumsätze am Donnerstag liefern. Dann wird sich zeigen, ob die US-Verbraucher als die wichtigste Stütze der Wirtschaft weiterhin zum Konsum bereit sind.
Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA dürften am Donnerstag eine weitere Aufhellung der Stimmung am Arbeitsmarkt zeigen, glauben Ökonomen. Hiervon dürften die Aktienmärkte profitieren, denn weniger Arbeitslose in der Vorweihnachtszeit bedeuten erfahrungsgemäß steigende Einzelhandelsumsätze. Ob hingegen die hausgemachten Konjunkturdaten positive Impulse für den deutschen Markt setzen, darf bezweifelt werden. Im Blick stehen die ZEW-Konjunkturerwartungen für Dezember am Dienstag. Der Optimismus der vom ZEW befragten Finanzmarktakteure schwindet zusehends: Es wird ein Rückfall auf minus 4,2 von plus 3,5 erwartet. Als Grund nennen die Befragten in erster Linie die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung.
Nach wie vor anfällig bleiben die Börsen für schlechte Unternehmensnachrichten. Im Zentrum des Interesses steht noch einmal Nokia die am Dienstag ein so genanntes "Mid-Quarter-Update" präsentiert Branchenkenner machen auf zwei zentrale Probleme aufmerksam: Zum einen hätten AOL und Hewlett Packard zuletzt wieder für Pessimismus gesorgt, so dass von einem grundsätzlich positiven Trend bei Technologiewerten nicht gesprochen werden könne. Dies nähre Befürchtungen, dass gerade diese Unternehmen ihre Gewinnprognosen für das erste Halbjahr 2003 reduzieren könnten. "Das Tal der Tränen könnte tiefer sein als erwartet", heißt es von Stuttgarter Bankhaus Ellwanger & Geiger.
Zum anderen stellt sich die Frage, ob die starken Kurssteigerungen gerade bei Technologieaktien nicht zu hoch ausgefallen sind angesichts der sehr gedämpften Analystenkommentare. Bereits auf dem aktuellen Niveau seien deutlich bessere Geschäftsperspektiven eingepreist. Dass Cisco mit Verweis auf die unsichere Konjunkturlage einen Geschäftsausblick verweigert, dürfte das Sentiment für diese Werte ebenfalls nicht verbessern. Unter dem Strich raten die Analysten der Commerzbank zu einem sehr selektiven Vorgehen. Vor allem Siemens und Bayer halten sie für "kaufenswert". Auch defensive Titel wie Nestle, L'Oreal und Schering seien weiterhin attraktiv, heißt es von Ellwanger & Geiger.
Fazit: Die Märkte dürften in eine Seitwärtsbewegung eintreten. Sollten sich die volkswirtschaftlichen Rahmendaten, insbesondere in den USA stabilisieren, so könnten wir bis zum Jahresende eine freundliche Kursentwicklung erleben. Diese dürfte aber deutlich volatiler ausfallen als in den zurückliegenden Wochen. Aus technischer Sicht ist im DAX ein Sprung über den Widerstand bei 3.450 Punkten kaum zu erwarten. Wiederholte Versuche waren vergeblich, die Marke erwies sich als zu stark. "Richtig Druck auf die Kurse wird aber erst dann aufkommen, wenn der DAX die Marke von etwa 3.000 Punkten unterschreitet", prognostiziert ein technischer Beobachter.
vwd/6.12.2002/bek/gos