[02 Mar 2004 - 12:44]
- von Myria Mildenberger -
Frankfurt, 02. Mär (Reuters) - Zum Erstaunen von Aktienexperten wird der hohe Ölpreis an den Finanzmärkten als möglicher Belastungsfaktor derzeit weitgehend ignoriert. Börsianer warnten davor, die möglichen Auswirkungen eines nachhaltigen Anstiegs zu unterschätzen.
"Es überrascht mich, dass der hohe Ölpreis derzeit an den Märkten kein Thema ist", sagte Gertrud Traud, Aktienstrategin bei der Bankgesellschaft Berlin. "Das beunruhigt mich auch etwas, denn in der Vergangenheit hat ein hoher Ölpreis immer negative Auswirkungen auf den Aktienmarkt gehabt." Die Frage sei, wann das Thema von den Märkten wahrgenommen werde.
Auch Folker Hellmeyer, Analyst bei der Bremer Landesbank, sieht den Ölpreis als latente Gefahr für die Börsen. "Die Ölpreisentwicklung wird momentan vollkommen ausgeblendet. Das Thema wird unterschätzt und unterdrückt", sagte Hellmeyer. Der Markt konzentriere sich zurzeit vor allem auf positive Nachrichten und ignoriere mögliche Belastungsfaktoren.
"Die Auswirkungen halten sich bisher in Grenzen, da der deutliche Anstieg eher kurzfristig gesehen wird", sagte Fondsmanager Raimund Saxinger von Frankfurt Trust. Zudem habe zuletzt der starke Euro den Anstieg kompensiert. Öl wird in Dollar abgerechnet, so dass ein hoher Euro-Kurs die Preissteigerung mildert. Saxinger verwies allerdings darauf, dass der Euro in der jüngsten Zeit zum Dollar wieder etwas abgegeben habe, was den Kompensationseffekt wiederum abschwäche.
Am Dienstag lag der Preis für ein Barrel (159 liter) Öl der Nordseesorte Brent zur Lieferung im April gegen Mittag bei 33,12 Dollar, nachdem er am Vortag zeitweise auf 33,38 Dollar und damit auf den höchstem Stand seit fast einem Jahr geklettert war. Den Anstieg am Montag hatten Händler unter anderem auf das Erreichen technischer Marken zurückgeführt, die automatisch Kaufaufträge ausgelöst hätten. Berichte über geringe Vorräte in den USA vor allem bei Benzin hatten dem Preis zusätzlich Auftrieb gegeben.
NACHHALTIGER ANSTIEG NEGATIV GESEHEN
Negative Konsequenzen auf Wirtschaft und Börsen erwarten Aktienexperten vor allem dann, wenn der Ölpreis nachhaltig auf höherem Niveau bleibt. "Erst wenn der Preis drei bis vier Wochen auf dem jetzigen hohem Niveau liegt, dürfte der Markt dies negativ aufnehmen", sagte Saxinger. Dies könnten dann vor allem Fluggesellschaften, die viel Öl verbrauchen, zu spüren bekommen.
ÖLPREIS AUF HÖHENFLUG
Seit dem überraschenden Beschluss der Organisation Erdöl exportierender Staaten (Opec) im Februar, die Obergrenze für die tägliche Produktion ab April um eine Million Barrel zu drosseln, hat der Ölpreis für Brent um rund 15 Prozent zugelegt. Zudem hatte sich die Opec auf einen sofortigen Abbau der Überproduktion von 1,5 Millionen Barrel pro Tag geeinigt.
Die Erdöl exportierenden Staaten haben nach Worten des Opec-Präsidenten Purnomo Yusgiantoro allerdings entgegen ihrer jüngsten Vereinbarung die Überproduktion noch nicht abgebaut. Das zusätzliche Öl sei auch dringend nötig, um die Preise zu dämpfen, die sich derzeit auf dem höchsten Stand seit rund einem Jahr befänden, sagte Purnomo, der auch Indonesiens Ölminister ist, am Dienstag.
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