boerse.de: J. Ehrhardt: Aktien oder

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boerse.de: J. Ehrhardt: Aktien oder

 
17.01.02 17:27
Jens Ehrhardt

            Aktien oder Anleihen?

            In den letzten zwei Jahren hat sich das Denken der Anleger
            wieder mehr in Richtung auf Rendite und risikoarme Anlage
            verlagert. Wenn man bedenkt, wie ungesund Aktien z.B. im
            Technologiebereich bewertet waren und wie in den USA
            häufig die Gewinne von Aktien künstlich nach oben
            getrieben werden, ist dies sicherlich eine Entwicklung, die
            auch in Zukunft anhalten wird. Der Anleger sieht erstmals
            mehr das Risiko. Auf den ersten Blick scheinen Anleihen
            risikoärmer als Aktien zu sein. Dies gilt allerdings nur dann,
            wenn es sich um solide Schuldner handelt. Während die
            Unternehmen im letzten Jahr kaum Aktien ausgeben
            konnten (mangels Nachfrage), explodierten in den USA und
            Europa die Neuausgaben von Unternehmensanleihen.
            Teilweise werden hier sehr hohe Zinssätze gezahlt. Viele
            Investment-Fonds, die auf Hochzins-Anleihen ausgerichtet
            sind, schossen aus dem Boden. Die oft negative

            Entwicklung solcher Fonds mit teilweise deutlichen
            Kursverlusten zeigt, daß Hochzins-Anleihen oft
            Risikopapiere sind. Die Ausfallquote solcher Anleihen ist in
            den USA auf fast 10% gestiegen. Höhere Zinsen müssen
            also auch mit höherem Risiko bezahlt werden. Aus dieser
            Sicht sind Anleihen mit schlechter Bonität sogar ein
            deutlich gefährlicheres Investment als Aktien. Das Beispiel
            Argentinien macht dies deutlich. Argentinien-Anleihen fielen
            im abgelaufenen Jahr in der Spitze um fast drei Viertel,
            während Aktien „nur“ in der Spitze die Hälfte verloren und
            sich vor allen Dingen bis heute wieder auf einen Kursverlust
            von rund einem Fünftel seit Jahresanfang 2001 erholten.
            Aktien sind Eigenkapital und verkörpern eine Substanz,
            während Anleihen nichts anderes als Schulden mehr oder
            minder guter Schuldner sind. Mit dem de facto
            Staatsbankrott von Argentinien sind Anleihen mit einem
            Nominalwert von rund 155 Mrd. Dollar nur noch
            Hoffnungswerte. Das Land hat die Zinszahlungen und
            Rückzahlungen von Krediten ausgesetzt. Auch die teilweise
            von 25% auf 40% erholten Kurse von Argentinien-Anleihen
            dürften kaum der Realität entsprechen. Das Land hat nicht
            die Mittel, auf absehbare Zeit die Schulden zu bedienen
            oder gar zurückzuzahlen. Zwar ist mit der 30%igen
            Abwertung der Landeswährung Peso endlich ein Schritt in
            die richtige Richtung getan worden, tatsächlich dürfte die
            Abwertung aber noch auf ca. 50% steigen, was bedeutet,
            daß Argentinien, bezogen auf die in realistischer Währung
            ausgerechnete Landeswährung, sehr hoch verschuldet ist
            und zudem die Peso-Abwertung viele Argentinier zusätzlich
            in eine höhere Verschuldung treibt (weil man vorher in
            US-Dollar verschuldet war).

            Da man in Argentinien viel zu lange mit einer Abwertung
            wartete, wird eine Gesundung wesentlich länger dauern als
            bei einem anderen Land, wie Brasilien oder der Türkei, die
            rechtzeitig abwerteten. Beide Länder sind zwar hoch
            verschuldet, aber die Abwertung führt zu besserem Export
            und einer Verbesserung der Leistungsbilanz. Brasilien hat
            z.B. bereits hohe Exportüberschüsse als Folge des stark
            abgewerteten brasilianischen Real. Obwohl Brasilien nach
            Argentinien die meisten Entwicklungsländer-Anleihen
            ausgegeben hat (beide zusammen 40% aller
            Entwicklungsländer-Anleihen), und obwohl in diesem Jahr
            niedrigere Auslandsinvestitionen in Brasilien zu erwarten
            sind (weniger Kapitalzuflüsse!), sind die Anleihen des
            Landes doch voraussichtlich auf absehbare Zeit kein
            ähnliches Problem wie in Argentinien, weil der
            Schuldendienst im Verhältnis zu den Exporten des Landes
            in wesentlich gesünderem Verhältnis steht als in anderen
            Problemländern. Die Abwertung in Argentinien führt
            zunächst kurzfristig zwar zu einer verschlechterten
            Exportsituation für Brasilien im Hinblick auf die erzielten
            Preise, längerfristig werden die Mengen der Exporte nach
            Argentinien aber wieder steigen, wenn das Land gesundet.
            Längerfristig ist die Abwertung in Argentinien also auch für
            Brasilien positiv. Günstig in Brasilien ist auch die
            vergleichsweise niedrige Inflation, die trotz der massiven
            Abwertung der Währung (höhere Importpreise!) im
            einstelligen Bereich blieb. Wer mit
            Entwicklungsländer-Anleihen spekulieren will, sollte am
            ehesten brasilianische Anleihen erwerben Wer auf
            Substanz, langfristiges Wachstum und gleichzeitig hohe
            Verzinsung setzt, findet aber auch bei einigen Aktien eine
            Alternative, die wahrscheinlich sogar solider und weniger
            risikoreich ist als Anleihen von Ländern mit schlechter
            Finanzsituation. Besonders im Bereich der mittelgroßen
            Aktien finden sich hier unverändert aussichtsreiche Titel,
            wie z.B. Koenig & Bauer oder K + S mit erwarteten
            Dividendenrenditen von ca. 3& – 4% Nach den neuen
            Gesetzen sind Dividenden ab 2002 nur zur Hälfte
            einkommensteuerpflichtig. Unter den Standardwerten haben
            Titel, wie Daimler und Deutsche Telekom, mit gut 4% bzw.
            3% hohe Dividendenrenditen. Allerdings ist es hier
            keineswegs hundertprozentig sicher, daß diese Dividenden
            auch in unveränderter Höhe gezahlt werden. Generell sind
            Standardaktien heute aus dem Blickwinkel der
            Dividendenrendite immer noch nicht preiswert. In den USA
            beträgt die Durchschnittsrendite z.B. 1,3% gegenüber ca.
            5% bei Anleihen. Wenn man bedenkt, daß wir
            wirtschaftlich in den nächsten fünf Jahren vor äußerst
            schwierigen Zeiten stehen und Dividenden damit
            keineswegs sicher sind, so müßten Aktien eigentlich höhere
            Dividenden zahlen, als Staatsanleihen Verzinsung abwerfen.
            Im 20. Jahrhundert war dies bis 1955 der Fall. Erst die
            ungesunde Nachkriegsinflation (die inzwischen kein Thema
            mehr ist) führte zu der einseitigen Aufwertung von Aktien
            gegenüber Anleihen. Wegen der auf absehbare Zeit
            niedrigen Inflationsraten besteht jedoch kein Grund mehr,
            auf eine angemessene Verzinsung bei Aktien zu verzichten.
            Es ist deshalb damit zu rechnen, daß Standardaktien in den
            nächsten Jahren im Trend im Kurs fallen und dadurch ihre
            Dividendenrenditen steigen. Nur bei Sondersituationen, wie
            z.B. den genannten Koenig & Bauer sowie K + S, werden
            mit den Dividenden nur ein kleiner Teil der Gewinne
            ausgezahlt, so daß die Dividendenauszahlungen in Zukunft
            eher steigen als fallen dürften. Hier wird deutlich, daß gute
            Aktien Anleihen weiterhin vorzuziehen sind.

            Wandelanleihen sind im letzten Jahr in Mode gekommen.
            Auch hier meinen Anleger, mehr Sicherheit bei gleichzeitiger
            Rendite zu finden. Tatsächlich sind die Verzinsungen bei
            solchen Titeln in der Regel völlig ungenügend, und die
            Sicherheit ist ähnlich schlecht wie bei
            Unternehmensanleihen.

            Wandelanleihen dürften damit eine der schlechtesten
            Methoden sein, sein Geld anzulegen. Entweder entschließt
            man sich nach genauer Analyse für den Kauf einer Anleihe
            mit überdurchschnittlicher Verzinsung, oder man
            entschließt sich – was in der Regel besser ist – für den
            Kauf einer soliden Aktie, die auch über schlimmste
            Krisenzeiten hinweg (sogar Kriege) in der Vergangenheit die
            bessere Anlageform war. Anleihegläubiger sind meistens
            leer ausgegangen. Wenn man bedenkt, daß die
            Verschuldung heute weltweit höher ist (bezogen auf die
            jeweiligen Bruttosozialprodukte der Länder) als zu jedem
            anderen Zeitpunkt der Wirtschaftsgeschichte, so sind
            Anleihen, die weltweit über 30.000 Mrd. Dollar im Wert
            ausmachen (alles mehr oder minder ungedeckte Schulden!)
            bestimmt die schlechtere Alternative.  
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