Moskau hat sich nach der Rubelkrise bedingungslos dem Kapitalismus geöffnet, Investoren treffen auf höhere Rechtssicherheit. Nur ein Haken bleibt
Von Annette Westhoff
Moskau - Die Stadt sieht frisch geliftet aus, aber Lenins Gesicht wirkt eingefallen. Und das macht seinen Konservatoren große Sorgen. Die Geheimtinkturen - stets hatten sie den toten Lenin aussehen lassen, als würde er schlafen in seinem Mausoleum nahe dem Kreml. Jetzt aber scheinen sie endgültig zu versagen, nach über 70 Jahren, und ein anständiges Begräbnis wäre dem großen Revolutionär womöglich sehr recht. Denn nichts ist mehr zu sehen von seinem Lebenstraum in der einstigen Welthauptstadt des Sozialismus.
Moskau unterscheidet sich kaum noch von einer westlichen Metropole. Das altehrwürdige Kaufhaus GUM steckt voller Luxusgüter, die Nachtclubs machen London Konkurrenz, und Geld wird hier auch verdient. Viel Geld, das Finanzkraft schafft.
Die Rubelkrise war für die Immobilienpreise ein heilsamer Schock. Zahlte man vor 1998 für Büroflächen internationalen Standards bis zu 1.200 US-Dollar pro Quadratmeter und Jahr, pendeln sich jetzt die Preise zwischen 400 und 500 Dollar ein und liegen somit auf dem Niveau von Frankfurt.
Moskau hat sich dem Kapitalismus bedingungslos geöffnet. Das sicherste Indiz dafür ist die Bodenreform. Sie passierte jetzt die zweite Lesung, die dritte Lesung gilt nur noch als Formsache. Dieser Gesetzentwurf ist ein Signal für Investoren im In- und Ausland. Mit ihm wird erstmals verfassungsmäßig bestätigt, dass der russische Staat das Prinzip des Eigentumserwerbs von Grund und Boden anerkennt. Einen "großer Schritt nach vorn für Russland" sieht der deutsche Botschafter in Moskau, Ernst-Jörg von Studnitz, in der Bodenreform: Somit gebe es eine Rechtsgrundlage für den Besitz von Eigentum, und das, so von Studnitz, "wird sicher ein Motor für die wirtschaftliche Entwicklung sein. Ausländischen Investoren wird ein Teil ihrer Angst genommen, in Russland Grund und Boden zu erwerben."
Wulff Aengevelt, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft Aengevelt mit Niederlassung in Moskau, erwartet durch diese Gesetzesänderung gar einen Durchbruch auf dem Moskauer Wohnungsmarkt: "Mit dem Rückenwind des neuen Bodengesetzes bestätigt sich unsere Prognose, dass Moskau zur Spitzengruppe der dynamischen und spannendsten Immobilienmärkte der Welt gehört."
Das Gesetz wird auch die Initiierung von Immobilienfonds erheblich erleichtern. Ihnen werden in Moskau Renditechancen von bis zu 30 Prozent eingeräumt.
Der Markt, so Aengevelt, habe sich in den letzten Jahren schon gewandelt. Heute suchen internationale Unternehmen nicht mehr nur in Zentrumslagen wie den Passagen am Manegenplatz Niederlassungen für ihre Einzelhandelsgeschäfte. Mehr und mehr Firmen interessieren sich für Standorte und Flächen, an denen die klassische Büronutzung mit der Produktion oder auch der Dienstleistung kombinierbar ist. Internationale Firmen wie Coca-Cola oder der Schoko-Riese Stollwerck verfahren längst nach diesem Konzept.
Die Immobiliengesellschaft Aengevelt, die in Moskau schon für DaimlerChrysler und Siemens Standorte vermittelte, sieht für diesen Markt große Entwicklungschancen. Zurzeit stehen 1.250.000 Quadratmeter Bürofläche internationalen und sieben Millionen qm russischen Standards bereit. Letztere sind potenzielle Sanierungsflächen.
Laut eines Beschlusses der Bezirksregierung müssen zudem noch 69 Produktionsfirmen der Leichtindustrie die Innenstadt verlassen. Die Räumlichkeiten dieser Industrieanlagen eignen sich hervorragend für Lofts. Da die russischen Besitzer oft nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, das Gebäude zu sanieren, wird das den Mietern überlassen. Dafür sinkt die Jahresmiete auf 150 bis 200 Dollar pro Quadratmeter. "Die meisten Mieter", so Hans Georg Feesche, Leiter der Aengevelt-Niederlassung in Moskau, "bekommen komplette Etagen mit 700 oder 800 qm in einer Toplage und können sie für ihre eigenen Bedürfnisse gestalten."
Toplagen, das sind solche, die innerhalb oder wenig außerhalb des ersten Rings liegen. Auf jeden Fall sollten die Objekte nicht weit jenseits des zweiten Rings liegen. Laut Feesche sind die Spitzenmieten für Bürofläche auch jetzt noch meist zu hoch: "Die mangelhafte Infrastruktur rechtfertigt Mieten bis zu 500 Dollar oft nicht." Auch ein Vergleich der Leerstandsquoten bestätigt Feesches These. Frankfurts Quote liegt im Büroflächensektor bei 2,8 Prozent, Moskaus - laut Aengevelt - bei 17,5 Prozent. Sie stieg in diesem Jahr nochmals um 2,5 Prozent an.
Und auch die rechtliche Seite zeigt, dass Investoren noch lange nicht mit westlichen Verhältnissen rechnen können. "Erst wenn das Grundbuchwesen eingeführt wird, gibt es für ausländische Investoren keine Hindernisse mehr", sagt Botschafter von Studnitz. Wer heute in Russland ein Grundstück erwerbe, muss fürchten, dass sich eventuelle Vorbesitzer melden. Wann und ob es überhaupt irgendwann wieder Grundbücher geben wird, steht laut von Studnitz nicht fest.
Die Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber potenzielle Investoren sollten zumindest wissen, dass während der russischen Revolution 1917 alle Grundbücher verbrannt wurden.
Von Annette Westhoff
Moskau - Die Stadt sieht frisch geliftet aus, aber Lenins Gesicht wirkt eingefallen. Und das macht seinen Konservatoren große Sorgen. Die Geheimtinkturen - stets hatten sie den toten Lenin aussehen lassen, als würde er schlafen in seinem Mausoleum nahe dem Kreml. Jetzt aber scheinen sie endgültig zu versagen, nach über 70 Jahren, und ein anständiges Begräbnis wäre dem großen Revolutionär womöglich sehr recht. Denn nichts ist mehr zu sehen von seinem Lebenstraum in der einstigen Welthauptstadt des Sozialismus.
Moskau unterscheidet sich kaum noch von einer westlichen Metropole. Das altehrwürdige Kaufhaus GUM steckt voller Luxusgüter, die Nachtclubs machen London Konkurrenz, und Geld wird hier auch verdient. Viel Geld, das Finanzkraft schafft.
Die Rubelkrise war für die Immobilienpreise ein heilsamer Schock. Zahlte man vor 1998 für Büroflächen internationalen Standards bis zu 1.200 US-Dollar pro Quadratmeter und Jahr, pendeln sich jetzt die Preise zwischen 400 und 500 Dollar ein und liegen somit auf dem Niveau von Frankfurt.
Moskau hat sich dem Kapitalismus bedingungslos geöffnet. Das sicherste Indiz dafür ist die Bodenreform. Sie passierte jetzt die zweite Lesung, die dritte Lesung gilt nur noch als Formsache. Dieser Gesetzentwurf ist ein Signal für Investoren im In- und Ausland. Mit ihm wird erstmals verfassungsmäßig bestätigt, dass der russische Staat das Prinzip des Eigentumserwerbs von Grund und Boden anerkennt. Einen "großer Schritt nach vorn für Russland" sieht der deutsche Botschafter in Moskau, Ernst-Jörg von Studnitz, in der Bodenreform: Somit gebe es eine Rechtsgrundlage für den Besitz von Eigentum, und das, so von Studnitz, "wird sicher ein Motor für die wirtschaftliche Entwicklung sein. Ausländischen Investoren wird ein Teil ihrer Angst genommen, in Russland Grund und Boden zu erwerben."
Wulff Aengevelt, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft Aengevelt mit Niederlassung in Moskau, erwartet durch diese Gesetzesänderung gar einen Durchbruch auf dem Moskauer Wohnungsmarkt: "Mit dem Rückenwind des neuen Bodengesetzes bestätigt sich unsere Prognose, dass Moskau zur Spitzengruppe der dynamischen und spannendsten Immobilienmärkte der Welt gehört."
Das Gesetz wird auch die Initiierung von Immobilienfonds erheblich erleichtern. Ihnen werden in Moskau Renditechancen von bis zu 30 Prozent eingeräumt.
Der Markt, so Aengevelt, habe sich in den letzten Jahren schon gewandelt. Heute suchen internationale Unternehmen nicht mehr nur in Zentrumslagen wie den Passagen am Manegenplatz Niederlassungen für ihre Einzelhandelsgeschäfte. Mehr und mehr Firmen interessieren sich für Standorte und Flächen, an denen die klassische Büronutzung mit der Produktion oder auch der Dienstleistung kombinierbar ist. Internationale Firmen wie Coca-Cola oder der Schoko-Riese Stollwerck verfahren längst nach diesem Konzept.
Die Immobiliengesellschaft Aengevelt, die in Moskau schon für DaimlerChrysler und Siemens Standorte vermittelte, sieht für diesen Markt große Entwicklungschancen. Zurzeit stehen 1.250.000 Quadratmeter Bürofläche internationalen und sieben Millionen qm russischen Standards bereit. Letztere sind potenzielle Sanierungsflächen.
Laut eines Beschlusses der Bezirksregierung müssen zudem noch 69 Produktionsfirmen der Leichtindustrie die Innenstadt verlassen. Die Räumlichkeiten dieser Industrieanlagen eignen sich hervorragend für Lofts. Da die russischen Besitzer oft nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, das Gebäude zu sanieren, wird das den Mietern überlassen. Dafür sinkt die Jahresmiete auf 150 bis 200 Dollar pro Quadratmeter. "Die meisten Mieter", so Hans Georg Feesche, Leiter der Aengevelt-Niederlassung in Moskau, "bekommen komplette Etagen mit 700 oder 800 qm in einer Toplage und können sie für ihre eigenen Bedürfnisse gestalten."
Toplagen, das sind solche, die innerhalb oder wenig außerhalb des ersten Rings liegen. Auf jeden Fall sollten die Objekte nicht weit jenseits des zweiten Rings liegen. Laut Feesche sind die Spitzenmieten für Bürofläche auch jetzt noch meist zu hoch: "Die mangelhafte Infrastruktur rechtfertigt Mieten bis zu 500 Dollar oft nicht." Auch ein Vergleich der Leerstandsquoten bestätigt Feesches These. Frankfurts Quote liegt im Büroflächensektor bei 2,8 Prozent, Moskaus - laut Aengevelt - bei 17,5 Prozent. Sie stieg in diesem Jahr nochmals um 2,5 Prozent an.
Und auch die rechtliche Seite zeigt, dass Investoren noch lange nicht mit westlichen Verhältnissen rechnen können. "Erst wenn das Grundbuchwesen eingeführt wird, gibt es für ausländische Investoren keine Hindernisse mehr", sagt Botschafter von Studnitz. Wer heute in Russland ein Grundstück erwerbe, muss fürchten, dass sich eventuelle Vorbesitzer melden. Wann und ob es überhaupt irgendwann wieder Grundbücher geben wird, steht laut von Studnitz nicht fest.
Die Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber potenzielle Investoren sollten zumindest wissen, dass während der russischen Revolution 1917 alle Grundbücher verbrannt wurden.