"Die Neidgesellschaft"
Good Neid, Ladies
Geschlechterkampf. Gibt es den noch? Oder schon wieder? Und was hat die Genom-Debatte mit dem Gebärneid zu tun?
In "L.A. Stories", einer romantischen Komödie mit Steve Martin, begegnen sich zwei Paare nach lautstark stattgehabtem Geschlechtsverkehr vor ihren jeweiligen Hotelzimmern in Palm Beach. Als der eine Mann hinter dem anderen die Treppe hinuntergeht, läuten die Glocken. Nur die Männer scheinen das Geräusch zu hören. "Wirklich lästig", sagt dann der Jüngere zum Älteren, "das sind meine Eier." Ach so! Man geht routiniert weiter.
Der Weg vom geheimen Familiensilber, den family jewels, als die das männliche Geschlecht noch zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in der Kulturgeschichte des Penis dastand, bis zur ironischen Gelassenheit der neunziger Jahre war weit und ist naturgemäß noch nicht zu Ende. Etliche Stationen auf diesem Weg waren heftig umkämpft, manche sind es bis heute. Die Idee vom Penisneid beispielsweise als der Felsstruktur allen weiblichen Erlebens, die von den individuellen Entwicklungen nur überwuchert, nie ersetzt werden kann, hatte etwas nachgerade Teuflisches. Jeder Protest gegen sie, auch aus der Feder autorisierter Analytikerinnen, schien sie nur umso machtvoller ins Recht zu setzen; wer den Penisneid bestreiten wollte, hatte ein echtes Problem, und was für eins: Das kleine Mädchen, so jedenfalls Freuds Ansicht, fühlt sich von der Entdeckung des Penis bis zur Entdeckung der Vagina als kastriertes Individuum mit einem verstümmelten Penis, der Klitoris. Sie wendet sich von der Mutter ab, weil sie überzeugt ist, dass diese ihr ein solch wichtiges Organ vorenthalten hat, mit dem man erst Eintritt erhält in die Welt des Geschlechts, und dem Vater zu, von dem sie zu erhalten hofft, was die Mutter ihr versagt hat, oder jedenfalls einen angemessenen Ersatz, einen Sohn oder so.
Die weibliche Sexualität stellte sich vor diesem Hintergrund als ein einziger Mängelkatalog dar: keine Vagina (jedenfalls bis zur Pubertät), kein Penis, und eigentlich überhaupt kein eigenes Geschlecht, weil ja erst der Penis eines verschafft; kein adäquates Liebesobjekt, denn der Vater ist ja nur Ersatz für die Mutter, die man durch den Besitz eines Penis zu gewinnen hoffte; keine genuin weibliche Qualität überhaupt, die libidinös besetzt werden könnte, denn alles ist nur ein Notkonstrukt, und schließlich fehlt es noch an Über-Ich-Stärke, die von Jungen während des Kastrationskomplexes erworben wird; es mangelt Frauen also auch an Gerechtigkeitssinn, Fähigkeiten zur Sublimation und so weiter. Kein Wunder, dass nicht nur Feministinnen gegen diese Idee Sturm liefen. Und dennoch, oder gerade deshalb, lebt sie. Und wer eigenen Töchtern beim Verfertigen erster Sexualtheorien zuhören kann, spürt schnell, dass sie mehr war als bloß eine Idee.