Sterben die Blondinen aus? Sind sie die besseren Partnerinnen? Wirken sie wirklich dümmer? Der Mythos blond beschäftigt nicht mehr nur Männerphantasien und Friseure. Auch Psychologen, Anthropologen und Genetiker suchen nach dem gewissen Etwas der hellhaarigen Frauen.
Können 1243 Menschen irren? So viele jedenfalls entschieden im Internet-Versuch der Universität in Saarbrücken, Fachrichtung Psychologie, Abteilung Attraktivitätsforschung, Projekt "Blondinen bevorzugt", eine der letzten relevanten Forschungsfragen der Menschheit mit "ja": Blondinen wirken dümmer - zumindest, wenn ihre Haare zu sehen sind.
Sind die Haare auf einem Foto verdeckt, wirkt die kahle Blondfrau immerhin intelligenter als die kahle Schwarzhaarige, nur wenig dümmlicher als eine Brünette mit Platte und genauso schlau wie eine glatzköpfige Rothaarige.
Wird weiter gefragt, ob die haarlosen Testfrauen gut aussehen, schneidet die Blonde schlechter ab als die Brünette. Ist ihr Schopf auch nur im Ansatz zu erkennen, wirkt sie sofort schöner - und wird gleichzeitig als ziemlich temperamentlos und unkreativ eingeschätzt.
Die Ergebnisse klingen abstrus und sind doch die Erkenntnisse seriöser Wissenschaft: Anhand von 72 Farbfotos, angewandter Statistik und Kriterien wie "attraktiv", "sinnlich", "temperamentvoll", "naiv", "zuverlässig", "kreativ", "selbstbewusst" untersuchten die Psychologen 14 Wochen lang, wie die Haarfarbe eines Menschen das Urteil anderer über ihn beeinflusst. Ob an der Saar, in Ulm, Kiel oder im schottischen Edinburgh - überall drängen Forscher nach Erkenntnis über Wesen, Wirkung und Beschaffenheit der Blondine: Ist sie cool oder blöd? Lässt sich Bettwäsche mit ihr besser vermarkten als Schokolade? Was will der gemeine Mann von ihr? Wie ist ihre Haut beschaffen? Taugt sie für eine Partnerschaft? Oder stirbt sie gar aus?
Anthropologen, Psychologen, Humangenetiker und Dermatologen arbeiten hart daran, den Schleier zu lüften: Dem "Mythos blond" droht die Entzauberung.
Dabei ist er gehegt worden wie kaum ein anderer. Dumme Sprüche - "`ne hübsche Blondine ist wie `ne hübsche Löwin" - oder Witze - "Was ist eine Blondine mit braun gefärbten Haaren? Künstliche Intelligenz" - konnten ihn so wenig beschädigen wie der dunkle Germanenwahn im 19. und 20. Jahrhundert. Elisabeth Nietzsche, die Schwester Friedrichs, verfrachtete schon 1886 eine kleine Gemeinschaft blonder Siedler für ein eugenisches Experiment in den Dschungel Paraguays. Noch heute heißt der Ort, bevölkert von zahlreichen Blondhaarigen und Blauäugigen, Nueva Germania. Hitler, der seinen Schäferhund "Blondi" rief, trieb die Perversion mit Entbindungsheimen des Vereins Lebensborn, wo Arierkinder aufwuchsen, auf die Spitze.
Doch der Mythos, befeuert durch Marlene Dietrich als unnahbare Schöne mit der Haarfarbe von Vanilleeis, überlebte den Zweiten Weltkrieg. Brigitte Bardot bediente ihre Zuschauer in den Sechzigern als Schnurrekätzchen mit Puppenaugen, Alfred Hitchcock besetzte seine Filme mit Blondschöpfen à la Grace Kelly, die, so der Meister, vor allem eine Qualität ausstrahlen mussten: "Im Salon eine Dame, im Taxi eine Hure." Andy Warhol setzte der blonden Ikone Marilyn Monroe gleich in Serie ein Denkmal. Madonna verkaufte sich in ihrer "Blond Ambition"-Tour 1990 aggressiv als neues Idol einer uralten Haarfarbe, die heute für Kinostoffe ("Natürlich blond") oder Talkshows ("Blond am Sonntag") herhalten muss - und plappernden Gewächsen wie Jenny Elvers fast so viele Fernsehauftritte verschafft wie dem Bundeskanzler.
Wer, wie Margaret Thatcher oder Hillary Clinton, Erfolg haben will, wird auf dem Weg nach oben sichtbar, wenn auch künstlich, heller. Denn blond, palavert der Münchner Psychologe, Biologe und Paartherapeut Stephan Lermer, ist das Helle, das Engelhafte, das Reine und die Sonne: "Nur Penner sitzen im Schatten. Im Licht thront der Potentat, inmitten Champagner und fruchtbarem Weizen."
Tatsächlich ist die Geschichte der Blonden die der Götter, Verführer und Gutmenschen: Botticellis Venus, die Männer mordende Loreley oder Eva - als Urmutter der Menschheit garantiert nicht hellhaarig, sondern afrikanisch schwarz - lächeln so blond von den Gemälden, wie die Märchenfrauen vom Schlage Rapunzels oder Aschenputtels ihre Ritter ums Blondhaar wickeln. Böse Hexen tragen schwarze oder rote Ponys; die gute Fee darf, gegeben von Franziska Reichenbacher, als blonde Lichtgestalt sogar die Ziehung der Lottozahlen präsentieren.
Warum nur dieses strahlende Image? In Wahrheit liegt es gar nicht an den Haaren selbst, glaubt Lermer herausgefunden zu haben. "Es sind die Pupillen", so der Psychologe. "Sie wirken bei den eher helläugigen Blonden größer als bei einer dunklen Iris. Sie scheinen Befindlichkeiten und Stimmungen ungetrübt auszudrücken. Insofern wirken Blonde ehrlicher und besser einschätzbar." Solche Augen, so die Botschaft, können nicht lügen.
Hans Wilhelm Jürgens, Anthropologe an der Universität Kiel, findet solche Stereotypen zwar grotesk, doch in seinen Untersuchungen immer wieder bestätigt. "Mir ist völlig unklar, warum blond etwas mit Wahrheit zu tun hat", sagt er. "In den blauen Augen Blonder stecken auch gar keine blauen, sondern braune, optisch geschickt gebrochene Pigmente." Blaue Augen, meint der Wissenschaftler, sind "eine permanente Täuschung wie der Blauschimmer eines …Öltropfens auf nassem Asphalt".
Seit über 20 Jahren betreut der Professor, der sich früher mit Themen wie "menschliche Rassenmischungen", "menschliche Typenkunde" und "Asozialität als biologisches und sozialbiologisches Problem" einen umstrittenen Ruf erworben hat, auch Arbeiten über "das Typenbild der Blondine" in der Werbung - und kann biedersinnige Ergebnisse präsentieren: Meister Proper und der General hätten ihren Weg ohne blonde Frauen nie gemacht.
"Wird es sinnlich und lustbetont, kommt die Brünette zum Einsatz", sagt Jürgens, "geht es um Sauber- und Langlebigkeit, ist garantiert eine Blondine im Spiel."
Allerdings taugt nicht jede gleichermaßen als Reinheitsapostolin. Platin- und Silbrigblonde wie Marlene Dietrich und Marilyn Monroe schließt der Anthropologe als Prototypen "größtmöglicher Luderhaftigkeit" ausdrücklich aus. "Gold- und Rotblonde hingegen stehen, auch beim Thema Heirat, für garantierte Qualität." Rund 260 Zuschriften hat der Wissenschaftler auf zwei fast gleich lautende, in mehreren überregionalen Tageszeitungen geschaltete Annoncen erhalten: "Medizinisch-Technische Assistentin, 26 Jahre alt, sucht passenden Ehepartner", hieß es da. Es gab nur einen Unterschied: In einer Version suchte eine blonde, blauäugige MTA einen Mann fürs Leben - in der anderen war es eine dunkelhaarige und dunkeläugige.
Der Pigmentierungsunterschied zog Verblüffendes nach sich: Mit fast 200 Zuschriften erhielt die Dunkle dreimal so viele Zuschriften voll feuriger Offerten - nur heiraten wollte sie kein Mann. Für Bausparvertrag, Kinderglück und den künftigen Rentnerspaziergang schien die Blonde geeigneter. Die ganz Eifrigen schrieben sogar beiden angeblichen MTA - mit dem jeweiligen Spezialangebot.
Natürlich kennen Experten wie Psychologe Lermer einen Grund für solch selektives Paarungsverhalten: Er heißt "Small-man-Syndrome" und besagt, dass sich ein am unteren Rand des Selbstwertgefühls krebsender Mann nur toll fühlen kann, wenn er so etwas Seltenes wie eine blonde Frau dauerhaft an sich bindet. Denn echte Blondinen haben nicht nur Qualität versprechende Pupillen. Sie sind auch noch rar.
Weil die helle Haarfarbe rezessiv vererbt wird, müssen in der Regel Vater und Mutter blond sein, um auch hellhaarige Kinder zu bekommen. Trifft ein Blonder auf eine Dunkelhaarige - oder umgekehrt -, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass der Nachwuchs dunkles Haar trägt. Die genetische Bestimmung für blond kommt sozusagen nicht zum Zug.
Rein rechnerisch, so der Ulmer Anthropologe Friedrich Rösing, werde der Phänotyp der Dunkelhaarigen den der Hellhaarigen immer mehr zurückdrängen - auch, weil die Hellhaarigen im Norden Europas auf Grund von Zuzug und Einwanderung immer weniger isoliert lebten.
Nach einer Studie des Kosmetikkonzerns Wella ist der Anteil der Hellblonden in den vergangenen 20 Jahren tatsächlich schon stark zurückgegangen. Doch wie viele "Deerns" an der Waterkant in 1000 Jahren noch geboren werden, wagt Rösing nicht zu sagen: "Wir können keine seriösen Modellrechnungen anstellen. Wir wissen ja nicht, wie sich etwa das Heiratsverhalten zwischen Türken und Deutschen entwickelt."
Noch rätseln die Genetiker, wie genau die Gene die Farbe der Mähne bestimmen. Immerhin wissen die Forscher, dass ein Zusammenhang zwischen Haarfarbe und Hautbeschaffenheit besteht. Im vergangenen Jahr entdeckten schottische Forscher eine Genmutation, die sie für die blasse, sonnenempfindliche Haut Rothaariger verantwortlich machen. Der Dermatologe Jonathan Rees von der Edinburgh University untersucht nun auch die DNS von hundert Naturblonden. Er will herausfinden, was genau die Haut mancher Blonder so anfällig für intensive UV-Strahlen macht.
Lange boten helle Haut und blonde Haare dem Schattengewächs Nordeuropäer einen Selektionsvorteil. Denn sein genetisches Konzept bedeutete eine optimale Anpassung an die sonnenarme Umgebung: Um das lebensnotwendige Vitamin D zu bilden, braucht der Mensch UV-Licht - das schwach pigmentierte Haut besser durchdringt als schwarze. Heute kann, dank Höhensonne, Lebertran und Vitaminzusätzen, auch der dunkelhäutigste Schwarzschopf sich, ohne Vitamin-D-Mangel fürchten zu müssen, unter die Nordlichter mischen.
Sollten die Naturblonden tatsächlich irgendwann aussterben, bleibt immer noch ein von zwei Männern entwickelter Zaubersud. 1867 bescherten der Brite E. H. Thiellay und der Franzose Léon Hugo den Damen der Pariser Gesellschaft ihr "Eau de fontaine de jouvence d`or" - Wasserstoffperoxid. Das "Wasser vom goldenen Jungbrunnen", chemisch nüchtern H2O2, machte mit einem Coiffeurbesuch alle verzweifelten Anstrengungen vergangener Zeiten hinfällig. Seither muss, wer blond sein will, weder wie die alten Ägypterinnen Perücken aus Schafswolle, Pferdehaar und Pflanzenfasern basteln, noch sich wie einst reiche Römerinnen teuren Goldstaub aufs Haar schütten. Inzwischen steht die aggressive Chemikalie für ein gigantisches Täuschungsmanöver: 90 Prozent aller hellhaarigen Frauen in Deutschland haben mit H2O2 nachgeholfen.
Ihnen fehlt der richtige Melanin-Mix. Denn jede natürliche Haarfarbe ergibt sich durch eine spezielle Mischung aus dem schwarz-braunen Eumelanin und dem gelb-roten, schwefelhaltigen Phäomelanin. Beide Farbstoffe werden in Zellen der Haarwurzel produziert. Dabei wirkt das Haar umso aschiger, je weniger das gelb-rote Phäomelanin zum Zuge kommt. Naturblond entsteht aus einem schwachen, aber ausgewogenen Cocktail beider Pigmente. Künstlich blondiertes Haar erscheint deshalb heller, weil das Wasserstoffperoxid die Melanine angreift und das Haar sozusagen entfärbt. Auch wenn Haare mit dem Alter immer weißer werden, verlieren sie die Melanine.
Ob falsch oder echt: Hat sich der Mann erst einmal mit einer Blondfrau aufgewertet, muss er - so viel weiß Paarspezialist Lermer aus "jahrzehntelanger deskriptiver Psychologie" - sein Päckchen tragen. Die Haarfarbe, und das meint der Forscher tatsächlich ernst, wirke "charakterbildend". Ihr "Rote-Listen-Dasein" veranlasse Blondinen zu "aufgeblähtem Selbstbewusstsein" und gar, Lermer kann es kaum fassen, Sprüchen wie "Dann geh ich in eine Bar und schäl mir einen Kerl vom Tresen".
Von klein auf als hübsche Minderheit verwöhnt, so Lermer, hätten sie nie Leistungsfähigkeit und soziale Kompetenz entwickeln müssen. "Wer mauerblümchenmäßig brünett aufwächst und übersehen wird, wird eher Professor oder Nobelpreisträger", meint der Psychologe und hält auch diese These für so seriös, dass er gleich noch hinterherschiebt: "Von zwei weiß bekittelten Frauen auf einem Klinikflur ist die Brünette Ärztin und die blonde Krankenschwester. Die musste kein Abitur machen - Chefarzt und sozialer Aufstieg sind ihr sowieso sicher."
Wen kann es da noch wundern, dass sich die Natur-Blondine in einer Beziehung als die schwierigere Partnerin entpuppt. Aufbrausend und immer bereit zu leiden, schiebt die Hellhaarige, einmal der rauen Wirklichkeit ausgesetzt, nur noch Frust: "Etwa wenn sie plötzlich erkennt, dass sie genauso an der roten Ampel oder der Kasse anstehen muss", erklärt Experte Lermer. Als Prinzessin habe sie das Warten einfach nicht gelernt und gelte deshalb oft als zickig.
"Menschen", schließt der Psychologe, "assoziieren nun einmal schrecklich schlicht." So ist das wohl.
Können 1243 Menschen irren? So viele jedenfalls entschieden im Internet-Versuch der Universität in Saarbrücken, Fachrichtung Psychologie, Abteilung Attraktivitätsforschung, Projekt "Blondinen bevorzugt", eine der letzten relevanten Forschungsfragen der Menschheit mit "ja": Blondinen wirken dümmer - zumindest, wenn ihre Haare zu sehen sind.
Sind die Haare auf einem Foto verdeckt, wirkt die kahle Blondfrau immerhin intelligenter als die kahle Schwarzhaarige, nur wenig dümmlicher als eine Brünette mit Platte und genauso schlau wie eine glatzköpfige Rothaarige.
Wird weiter gefragt, ob die haarlosen Testfrauen gut aussehen, schneidet die Blonde schlechter ab als die Brünette. Ist ihr Schopf auch nur im Ansatz zu erkennen, wirkt sie sofort schöner - und wird gleichzeitig als ziemlich temperamentlos und unkreativ eingeschätzt.
Die Ergebnisse klingen abstrus und sind doch die Erkenntnisse seriöser Wissenschaft: Anhand von 72 Farbfotos, angewandter Statistik und Kriterien wie "attraktiv", "sinnlich", "temperamentvoll", "naiv", "zuverlässig", "kreativ", "selbstbewusst" untersuchten die Psychologen 14 Wochen lang, wie die Haarfarbe eines Menschen das Urteil anderer über ihn beeinflusst. Ob an der Saar, in Ulm, Kiel oder im schottischen Edinburgh - überall drängen Forscher nach Erkenntnis über Wesen, Wirkung und Beschaffenheit der Blondine: Ist sie cool oder blöd? Lässt sich Bettwäsche mit ihr besser vermarkten als Schokolade? Was will der gemeine Mann von ihr? Wie ist ihre Haut beschaffen? Taugt sie für eine Partnerschaft? Oder stirbt sie gar aus?
Anthropologen, Psychologen, Humangenetiker und Dermatologen arbeiten hart daran, den Schleier zu lüften: Dem "Mythos blond" droht die Entzauberung.
Dabei ist er gehegt worden wie kaum ein anderer. Dumme Sprüche - "`ne hübsche Blondine ist wie `ne hübsche Löwin" - oder Witze - "Was ist eine Blondine mit braun gefärbten Haaren? Künstliche Intelligenz" - konnten ihn so wenig beschädigen wie der dunkle Germanenwahn im 19. und 20. Jahrhundert. Elisabeth Nietzsche, die Schwester Friedrichs, verfrachtete schon 1886 eine kleine Gemeinschaft blonder Siedler für ein eugenisches Experiment in den Dschungel Paraguays. Noch heute heißt der Ort, bevölkert von zahlreichen Blondhaarigen und Blauäugigen, Nueva Germania. Hitler, der seinen Schäferhund "Blondi" rief, trieb die Perversion mit Entbindungsheimen des Vereins Lebensborn, wo Arierkinder aufwuchsen, auf die Spitze.
Doch der Mythos, befeuert durch Marlene Dietrich als unnahbare Schöne mit der Haarfarbe von Vanilleeis, überlebte den Zweiten Weltkrieg. Brigitte Bardot bediente ihre Zuschauer in den Sechzigern als Schnurrekätzchen mit Puppenaugen, Alfred Hitchcock besetzte seine Filme mit Blondschöpfen à la Grace Kelly, die, so der Meister, vor allem eine Qualität ausstrahlen mussten: "Im Salon eine Dame, im Taxi eine Hure." Andy Warhol setzte der blonden Ikone Marilyn Monroe gleich in Serie ein Denkmal. Madonna verkaufte sich in ihrer "Blond Ambition"-Tour 1990 aggressiv als neues Idol einer uralten Haarfarbe, die heute für Kinostoffe ("Natürlich blond") oder Talkshows ("Blond am Sonntag") herhalten muss - und plappernden Gewächsen wie Jenny Elvers fast so viele Fernsehauftritte verschafft wie dem Bundeskanzler.
Wer, wie Margaret Thatcher oder Hillary Clinton, Erfolg haben will, wird auf dem Weg nach oben sichtbar, wenn auch künstlich, heller. Denn blond, palavert der Münchner Psychologe, Biologe und Paartherapeut Stephan Lermer, ist das Helle, das Engelhafte, das Reine und die Sonne: "Nur Penner sitzen im Schatten. Im Licht thront der Potentat, inmitten Champagner und fruchtbarem Weizen."
Tatsächlich ist die Geschichte der Blonden die der Götter, Verführer und Gutmenschen: Botticellis Venus, die Männer mordende Loreley oder Eva - als Urmutter der Menschheit garantiert nicht hellhaarig, sondern afrikanisch schwarz - lächeln so blond von den Gemälden, wie die Märchenfrauen vom Schlage Rapunzels oder Aschenputtels ihre Ritter ums Blondhaar wickeln. Böse Hexen tragen schwarze oder rote Ponys; die gute Fee darf, gegeben von Franziska Reichenbacher, als blonde Lichtgestalt sogar die Ziehung der Lottozahlen präsentieren.
Warum nur dieses strahlende Image? In Wahrheit liegt es gar nicht an den Haaren selbst, glaubt Lermer herausgefunden zu haben. "Es sind die Pupillen", so der Psychologe. "Sie wirken bei den eher helläugigen Blonden größer als bei einer dunklen Iris. Sie scheinen Befindlichkeiten und Stimmungen ungetrübt auszudrücken. Insofern wirken Blonde ehrlicher und besser einschätzbar." Solche Augen, so die Botschaft, können nicht lügen.
Hans Wilhelm Jürgens, Anthropologe an der Universität Kiel, findet solche Stereotypen zwar grotesk, doch in seinen Untersuchungen immer wieder bestätigt. "Mir ist völlig unklar, warum blond etwas mit Wahrheit zu tun hat", sagt er. "In den blauen Augen Blonder stecken auch gar keine blauen, sondern braune, optisch geschickt gebrochene Pigmente." Blaue Augen, meint der Wissenschaftler, sind "eine permanente Täuschung wie der Blauschimmer eines …Öltropfens auf nassem Asphalt".
Seit über 20 Jahren betreut der Professor, der sich früher mit Themen wie "menschliche Rassenmischungen", "menschliche Typenkunde" und "Asozialität als biologisches und sozialbiologisches Problem" einen umstrittenen Ruf erworben hat, auch Arbeiten über "das Typenbild der Blondine" in der Werbung - und kann biedersinnige Ergebnisse präsentieren: Meister Proper und der General hätten ihren Weg ohne blonde Frauen nie gemacht.
"Wird es sinnlich und lustbetont, kommt die Brünette zum Einsatz", sagt Jürgens, "geht es um Sauber- und Langlebigkeit, ist garantiert eine Blondine im Spiel."
Allerdings taugt nicht jede gleichermaßen als Reinheitsapostolin. Platin- und Silbrigblonde wie Marlene Dietrich und Marilyn Monroe schließt der Anthropologe als Prototypen "größtmöglicher Luderhaftigkeit" ausdrücklich aus. "Gold- und Rotblonde hingegen stehen, auch beim Thema Heirat, für garantierte Qualität." Rund 260 Zuschriften hat der Wissenschaftler auf zwei fast gleich lautende, in mehreren überregionalen Tageszeitungen geschaltete Annoncen erhalten: "Medizinisch-Technische Assistentin, 26 Jahre alt, sucht passenden Ehepartner", hieß es da. Es gab nur einen Unterschied: In einer Version suchte eine blonde, blauäugige MTA einen Mann fürs Leben - in der anderen war es eine dunkelhaarige und dunkeläugige.
Der Pigmentierungsunterschied zog Verblüffendes nach sich: Mit fast 200 Zuschriften erhielt die Dunkle dreimal so viele Zuschriften voll feuriger Offerten - nur heiraten wollte sie kein Mann. Für Bausparvertrag, Kinderglück und den künftigen Rentnerspaziergang schien die Blonde geeigneter. Die ganz Eifrigen schrieben sogar beiden angeblichen MTA - mit dem jeweiligen Spezialangebot.
Natürlich kennen Experten wie Psychologe Lermer einen Grund für solch selektives Paarungsverhalten: Er heißt "Small-man-Syndrome" und besagt, dass sich ein am unteren Rand des Selbstwertgefühls krebsender Mann nur toll fühlen kann, wenn er so etwas Seltenes wie eine blonde Frau dauerhaft an sich bindet. Denn echte Blondinen haben nicht nur Qualität versprechende Pupillen. Sie sind auch noch rar.
Weil die helle Haarfarbe rezessiv vererbt wird, müssen in der Regel Vater und Mutter blond sein, um auch hellhaarige Kinder zu bekommen. Trifft ein Blonder auf eine Dunkelhaarige - oder umgekehrt -, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass der Nachwuchs dunkles Haar trägt. Die genetische Bestimmung für blond kommt sozusagen nicht zum Zug.
Rein rechnerisch, so der Ulmer Anthropologe Friedrich Rösing, werde der Phänotyp der Dunkelhaarigen den der Hellhaarigen immer mehr zurückdrängen - auch, weil die Hellhaarigen im Norden Europas auf Grund von Zuzug und Einwanderung immer weniger isoliert lebten.
Nach einer Studie des Kosmetikkonzerns Wella ist der Anteil der Hellblonden in den vergangenen 20 Jahren tatsächlich schon stark zurückgegangen. Doch wie viele "Deerns" an der Waterkant in 1000 Jahren noch geboren werden, wagt Rösing nicht zu sagen: "Wir können keine seriösen Modellrechnungen anstellen. Wir wissen ja nicht, wie sich etwa das Heiratsverhalten zwischen Türken und Deutschen entwickelt."
Noch rätseln die Genetiker, wie genau die Gene die Farbe der Mähne bestimmen. Immerhin wissen die Forscher, dass ein Zusammenhang zwischen Haarfarbe und Hautbeschaffenheit besteht. Im vergangenen Jahr entdeckten schottische Forscher eine Genmutation, die sie für die blasse, sonnenempfindliche Haut Rothaariger verantwortlich machen. Der Dermatologe Jonathan Rees von der Edinburgh University untersucht nun auch die DNS von hundert Naturblonden. Er will herausfinden, was genau die Haut mancher Blonder so anfällig für intensive UV-Strahlen macht.
Lange boten helle Haut und blonde Haare dem Schattengewächs Nordeuropäer einen Selektionsvorteil. Denn sein genetisches Konzept bedeutete eine optimale Anpassung an die sonnenarme Umgebung: Um das lebensnotwendige Vitamin D zu bilden, braucht der Mensch UV-Licht - das schwach pigmentierte Haut besser durchdringt als schwarze. Heute kann, dank Höhensonne, Lebertran und Vitaminzusätzen, auch der dunkelhäutigste Schwarzschopf sich, ohne Vitamin-D-Mangel fürchten zu müssen, unter die Nordlichter mischen.
Sollten die Naturblonden tatsächlich irgendwann aussterben, bleibt immer noch ein von zwei Männern entwickelter Zaubersud. 1867 bescherten der Brite E. H. Thiellay und der Franzose Léon Hugo den Damen der Pariser Gesellschaft ihr "Eau de fontaine de jouvence d`or" - Wasserstoffperoxid. Das "Wasser vom goldenen Jungbrunnen", chemisch nüchtern H2O2, machte mit einem Coiffeurbesuch alle verzweifelten Anstrengungen vergangener Zeiten hinfällig. Seither muss, wer blond sein will, weder wie die alten Ägypterinnen Perücken aus Schafswolle, Pferdehaar und Pflanzenfasern basteln, noch sich wie einst reiche Römerinnen teuren Goldstaub aufs Haar schütten. Inzwischen steht die aggressive Chemikalie für ein gigantisches Täuschungsmanöver: 90 Prozent aller hellhaarigen Frauen in Deutschland haben mit H2O2 nachgeholfen.
Ihnen fehlt der richtige Melanin-Mix. Denn jede natürliche Haarfarbe ergibt sich durch eine spezielle Mischung aus dem schwarz-braunen Eumelanin und dem gelb-roten, schwefelhaltigen Phäomelanin. Beide Farbstoffe werden in Zellen der Haarwurzel produziert. Dabei wirkt das Haar umso aschiger, je weniger das gelb-rote Phäomelanin zum Zuge kommt. Naturblond entsteht aus einem schwachen, aber ausgewogenen Cocktail beider Pigmente. Künstlich blondiertes Haar erscheint deshalb heller, weil das Wasserstoffperoxid die Melanine angreift und das Haar sozusagen entfärbt. Auch wenn Haare mit dem Alter immer weißer werden, verlieren sie die Melanine.
Ob falsch oder echt: Hat sich der Mann erst einmal mit einer Blondfrau aufgewertet, muss er - so viel weiß Paarspezialist Lermer aus "jahrzehntelanger deskriptiver Psychologie" - sein Päckchen tragen. Die Haarfarbe, und das meint der Forscher tatsächlich ernst, wirke "charakterbildend". Ihr "Rote-Listen-Dasein" veranlasse Blondinen zu "aufgeblähtem Selbstbewusstsein" und gar, Lermer kann es kaum fassen, Sprüchen wie "Dann geh ich in eine Bar und schäl mir einen Kerl vom Tresen".
Von klein auf als hübsche Minderheit verwöhnt, so Lermer, hätten sie nie Leistungsfähigkeit und soziale Kompetenz entwickeln müssen. "Wer mauerblümchenmäßig brünett aufwächst und übersehen wird, wird eher Professor oder Nobelpreisträger", meint der Psychologe und hält auch diese These für so seriös, dass er gleich noch hinterherschiebt: "Von zwei weiß bekittelten Frauen auf einem Klinikflur ist die Brünette Ärztin und die blonde Krankenschwester. Die musste kein Abitur machen - Chefarzt und sozialer Aufstieg sind ihr sowieso sicher."
Wen kann es da noch wundern, dass sich die Natur-Blondine in einer Beziehung als die schwierigere Partnerin entpuppt. Aufbrausend und immer bereit zu leiden, schiebt die Hellhaarige, einmal der rauen Wirklichkeit ausgesetzt, nur noch Frust: "Etwa wenn sie plötzlich erkennt, dass sie genauso an der roten Ampel oder der Kasse anstehen muss", erklärt Experte Lermer. Als Prinzessin habe sie das Warten einfach nicht gelernt und gelte deshalb oft als zickig.
"Menschen", schließt der Psychologe, "assoziieren nun einmal schrecklich schlicht." So ist das wohl.