HANDELSBLATT, Mittwoch, 15. November 2006, 14:08 Uhr |
Wiebes WeitwinkelBlasen statt InflationVon Frank WiebeAlle reden darüber, aber keiner sagt es deutlich: In den vergangenen Jahren hat es einen Paradigmenwechsel in der Geldpolitik gegeben. Auf die Gefahr hin, von allen Notenbankern der Welt gescholten zu werden, würde ich es gerne einmal ganz überspitzt formulieren: Nicht mehr die Verhinderung der Inflation ist das zentrale Ziel der Geldpolitik, sondern nur noch, die Kapitalmärkte nicht allzu sehr mit Geld aufzupumpen.Die Inflationsgefahr ist in den letzten Jahren aus zwei Gründen gesunken. Erstens stellen die modernen Kapitalmärkte ein beinahe unerschöpfliches Auffangbecken für überschüssige Liquidität dar. Und zweitens werden die Preise vieler internationaler Waren durch die neue Konkurrenz großer Schwellenländer, vor allem Chinas, nach unten gedrückt. Die Folge: Es gibt Blasen statt Inflation. Kein Wunder, dass klassische Theorien über den Zusammenhang von Geldmenge und Inflation nicht mehr so richtig funktionieren. Das eigentliche Problem der Notenbanker sind daher heute die Kapitalmärkte. In den vergangenen Jahren haben sie die Welt mit einer gigantischen Welle von Liquidität überschwemmt. Die Finanzmärkte baden in Geld und toben sich darin aus. Der Triumphzug der Hedge-Fonds und die riesigen Gewinne im Eigenhandel der Investmentbanken sind auch hieraus zu erklären. Der Verfall der Renditen an wichtigen Märkten – etwa bei den Anleihen – steht gewaltigen Spekulationsgewinnen, zum Beispiel bei Immobilien gegenüber. Die Notenbanker reden nicht gerne über diesen Paradigmenwechsel. Für Ungleichgewichte an den Kapitalmärkten sind sie offiziell nicht zuständig – daher können sie sich in diesem Punkt gut herausreden. Solange sie sich rein als Inflationshüter definieren, sieht es so aus, als hätten sie einen guten Job gemacht. Außerdem: Wenn man zugibt, dass die Inflation gar nicht das zentrale Problem ist, öffnet man eine Flanke für politische Angriffe. Wie dauerhaft ist der Paradigmenwechsel? Wenn die Notenbanken es zu weit trieben, würden die Blasen der Finanzmärkte irgendwann doch noch auf die Verbraucherpreise überschwappen. Aber wahrscheinlich schaffen sie noch rechtzeitig die Kurve. Doch sie werden sich immer schwerer tun zu erklären, was eigentlich ihre Aufgabe ist. <!-- ISI_LISTEN_STOP --> |