´Bild´-Auflage fällt unter 4 Millionen
Von Lutz Meier, Hamburg Zum ersten Mal seit 28 Jahren ist die Auflage der "Bild"-Zeitung unter vier Millionen Exemplare gefallen. Ein höherer Preis soll den Käuferschwund auffangen.
Laut Verlagskreisen plant der Springer Verlag, in dieser Woche der Auflagenprüfinstanz IVW zu melden, dass er im vierten Quartal 2002 durchschnittlich rund 3,952 Millionen Exemplare der immer noch meistgelesenen Zeitung Europas verkauft hat. Damit ist ein neuer Tiefpunkt der "Bild"-Auflage erreicht, die in den frühen 80er Jahren noch stetig über fünf Millionen lag. Seither sinkt sie, abgesehen von einem Zwischenhoch nach der Wiedervereinigung.
In der Branche wird das Abschneiden von "Bild" mit Argusaugen verfolgt. Das liegt daran, dass das Boulevardblatt der mit Abstand größte Umsatzbringer des Springer Verlags ist. Noch wichtiger ist die Zeitung für die Gewinne des Konzerns, der sich dank "Bild" Europas größtes Pressehaus nennen kann. Ein weiterer Umstand lässt auch die Finanzwelt die Erfolgskurven des Blatts genau betrachten: Der Verlag sucht neue Investoren für ein 30-Prozent-Aktienpaket, das bei der Deutschen Bank liegt - und die Aussichten für das Hauptobjekt markieren die Erwartungen für den Verlag.
Daher bemüht sich Springer, den jüngsten Auflagensturz als nicht gravierend darzustellen. "Wenn ,Bild‘ Schnupfen hat, hat Springer eine Lungenentzündung, heißt es - aber ,Bild‘ hat keinen Schnupfen", sagte der Verlagsleiter der "Bild"-Gruppe, Christian Nienhaus, im Gespräch mit der FTD. Nienhaus begründet seine optimistische Interpretation mit anderen Daten als der Auflage: "Wir haben einen Rekordvertriebsumsatz, die höchste Reichweite aller Zeiten und vergleichsweise geringe Rückgänge im Anzeigengeschäft."
Erlöse bleiben stabil
Tatsächlich hat der Verlag laut Springer-Zahlen den Kiosk-Umsatz von "Bild" in den vergangenen zwei Jahren konstant gehalten und davor deutlich gesteigert. Er liegt bei gut 330 Mio. Euro. Zusammen mit dem Werbeumsatz können die "Bild"-Erlöse auf rund 560 Mio. Euro geschätzt werden. Zum Gewinn schweigt Springer sich aus. Die Umsatzrendite dürfte jedoch trotz Auflagenverfall und Anzeigenkonjunktur noch gut zweistellig sein und den Löwenanteil der Erträge von Springers Zeitungsgeschäft liefern. Laut Nienhaus ist das Ergebnis 2002 sogar um rund fünf Prozent gewachsen - nicht zuletzt, weil auch bei "Bild" gespart wird. Nienhaus sagt, das habe eine zweistellige Millionensumme gebracht.
Im Anzeigengeschäft hat das Blatt laut Nienhaus 2002 rund drei Prozent verloren und damit weniger als der Gesamtmarkt. Als dritte Größe führt der Manager die Leserreichweite ins Feld, die mit 12,11 Millionen tatsächlich ein Niveau erreicht wie seit neun Jahren nicht mehr. Die Reichweite stellt die Zahl der Leser dar und resultiert aus einer demoskopischen Umfrage. Dadurch bildet die Reichweite auch die Imagewerte und den Werbedruck eines Blatts ab.
Kontinuierliche Preiserhöhungen
Die Kiosk-Umsätze konnte Springer allerdings nur dadurch stabil halten, dass der Verlag bei den "Bild"- Lesern stärker zulangt. Die Zeitung, die Tariferhöhungen in anderen Bereichen gern als "Preis-Schock" tituliert, hat ihren Verkaufspreis im vergangenen Jahr um bis zu 25 Prozent bei einzelnen Ausgaben gesteigert. Und der Verlag will damit weitermachen. "Mein Ziel ist, dass wir kontinuierlich Preiserhöhungen machen", sagt Verlagschef Nienhaus.
In den vergangenen Jahren lagen bei "Bild" oft fünf Jahre oder mehr zwischen zwei Preiserhöhungen. Nun kommt es Schlag auf Schlag: "Wir werden aller Voraussicht nach Mitte des Jahres den Preis für die Bundesausgabe auf 50 Cent erhöhen", sagt Nienhaus. Die Bundesausgabe, die außerhalb der Großstädte verkauft wird, kostet derzeit 45 Cent.
Suche nach neuen Vertriebswegen
Auf ein Gesamtjahr gerechnet wird "Bild" die zusätzliche Preiserhöhung 30 bis 40 Mio. Euro einbringen. Dabei kalkuliert der Verlag in der Folge einen weiteren Auflagenrückgang ein - allerdings rechnet er damit, dass "Bild" Anfang des Jahres zunächst wieder über vier Millionen liegt. Überdies plant der Verlag rund 15 Mio. Euro zusätzlich als Resultat einer neuen Vereinbarung mit den Grossisten ein. "Die Auflage von ,Bild‘ wird in Bewegung bleiben", sagt Nienhaus, "dabei ist die Schwelle von vier Millionen Käufern nicht die relevante Kategorie, solange unsere Reichweite weiter steigt".
Abgesehen vom höheren Preis führt der Verlag auch die schlechte Konjunktur und die Arbeitslosigkeit als Ursachen für den Auflagenrückgang an. Um seine Kunden besser erreichen zu können, sucht der Verlag nach neuen Vertriebswegen - trotz der jüngsten Einigung mit den Grossisten, die die Kioske beliefern. So wurde zuletzt - ohne Ergebnis - mit Aldi verhandelt. Nun sagt Nienhaus: "Wir sind mit mehreren Discountern im Gespräch, die noch keine Zeitungen verkaufen." Unter den Gesprächspartnern können die Ladenkette Plus und der Brötchenfilialist Kamps vermutet werden.
Quelle: www.ftd.de
Grüße Max