auch mal angesehen ;-)
und hab die Dreh Tür der Weltmacht gefunden ?
www.zeit.de/2009/28/Goldman-Sachs
Weltmacht mit Drehtür
Die amerikanische Großbank Goldman Sachs pflegt beste Verbindungen zur hohen Politik. Die Krise hat sie bislang auffällig gut überstanden
Knapp 27.900 Mitarbeiter. Büros auf allen Kontinenten. Eine Marktkapitalisierung von 74 Milliarden Dollar. Goldman Sachs ist eine der ganz großen Banken an der Wall Street, doch für Mike Morgan steckt noch mehr dahinter. Der private Anlageberater aus Florida ist so überzeugt von der gefährlichen Übermacht Goldmans, dass er im April eine Internetseite namens goldmansachs666.com gestartet hat, um ans Licht zu bringen, »wie destruktiv dieses Unternehmen für unser Leben ist«. 666, die Zahl des Teufels. Schon lange sind im Internet über Goldman fast so viele Gerüchte im Umlauf wie über Ufos.
Doch seit die Weltfinanzkrise ihren Lauf genommen hat und seit Goldman Sachs diesen Sturm erstaunlich gut überlebt hat und sogar Rekorde bei den Handelsumsätzen schreibt, macht man sich nicht mehr nur in obskuren Ecken des Internets seine Gedanken: Geht das alles mit rechten Dingen zu? Ist das wirklich bloß eine ganz normale Bank? Goldman steuert Washington, titelte das Magazin Rolling Stone in seiner jüngsten Ausgabe. Der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds Simon Johnson sprach von einem »stillen Putsch« des Kapitals und meinte damit die Wall-Street-Häuser wie Goldman Sachs. Kurz darauf wurde er dazu zur besten Sendezeit im Fernsehen vernommen.
Was in einem Büroturm an der 85 Broad Street im Süden Manhattans sicher nicht gern gesehen wurde. Man mag dort kein Rampenlicht. Man mag überhaupt keine Öffentlichkeit. Man hat nicht einmal ein Firmenlogo an die eigene Fassade geklebt.
Das Hauptquartier von Goldman Sachs ist in einem bräunlich beigen Betonblock aus den achtziger Jahren untergebracht, so unauffällig, dass Touristen auf dem Weg zur New Yorker Börse unbeeindruckt vorbeilaufen. Die Leute, auf die es ankommt, wissen Bescheid. Für Wall-Street-Banker wie für ihre Gegner war 85 Broad Street bis zur Krise der Ort schlechthin, an dem man per Knopfdruck Milliardenströme auf der ganzen Welt kontrollierte und sich dabei über Nacht Vermögen aneignete.
Goldmine Sachs sagen sie an der Wall Street. 2007 erhielt der Goldman-Chef Lloyd Blankfein knapp 68 Millionen Dollar an Aktien, Optionen und Cash, mehr als je ein Boss an der Wall Street zuvor. Insgesamt wurden mehr als 20 Milliarden Dollar nach einem unbekannten Schlüssel an 30.500 Mitarbeiter verteilt, wobei manche Topleute ebenfalls zweistellige Millionenbeträge einstrichen. 2007 war das Jahr, in dem die Konkurrenten Merrill Lynch und Citigroup bereits Milliardenverluste eingestehen mussten und ihre Topmanager feuerten.
»Was ist der Unterschied zwischen Goldman Sachs und Tansania?«, fragte das linksliberale britische Blatt The Guardian einmal . »Das eine ist ein afrikanisches Land, in dem sich 25 Millionen Menschen 2,2 Milliarden Dollar teilen, das andere ist eine Investmentbank, in der sich 161 Menschen 2,6 Milliarden Dollar teilen.«
Die Handelsumsätze brechen Rekorde, rasant der Wiederaufstieg der Aktie
Im Katastrophenjahr 2008 sah es erst auch nach einem Absturz der Goldmänner aus: Die Goldman-Aktie verlor 80 Prozent ihres Wertes, und das Institut musste sich von einer Investmentbank in eine »normale« Geschäftsbank umzuwandeln – eine Bank also, bei der man theoretisch ein Sparbuch eröffnen kann.
Doch jede Schadenfreude war verfrüht. Die Finanzkrise ist noch nicht vorüber, da glänzt Goldman Sachs mit einem spektakulären Geschäftsergebnis. Goldman meldete für die ersten drei Monate dieses Jahres einen Gewinn von 1,81 Milliarden Dollar. Die Handelsumsätze brachen Rekorde. Rasant auch der Wiederaufstieg der Aktie: Inzwischen notiert das Papier an der New Yorker Börse wieder bei mehr als 140 Dollar. Immer noch weniger als beim Allzeithoch aus dem Herbst 2007 (250 Dollar), aber Welten besser als etwa Citigroup-Aktien (3 Dollar).
Natürlich ist das alles Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker. Gehen die Banker von Goldman Sachs nicht in sämtlichen wichtigen Chefetagen, in den Regierungspalästen und Ministerien der Welt ein und aus? Hatten sich nicht der Präsident Bill Clinton und der Präsident George W. Bush ihre Finanzminister aus den Reihen von Goldman Sachs beschafft, hat nicht auch Barack Obama wichtige Schlüsselpositionen mit ehemaligen Goldmännern besetzt?
Und ist das nicht längst in aller Welt so ähnlich? Bei der Krisenbekämpfung der EU zum Beispiel geht kaum etwas am italienischen Notenbankgouverneur Mario Draghi vorbei, der gleichzeitig den internationalen Finanzstabilitätsrat leitet und von 2002 bis 2006 Partner bei Goldman Sachs war. Robert Zoellick, Präsident der Weltbank, war früher bei Goldman. Und so weiter und so fort. Folgt man den Verschwörungstheoretikern, dann fußt der Erfolg dieser Bank auf, nun ja, einer Verschwörung dieser Leute.
In ihrer 140-jährigen Geschichte hat sie es mehrfach geschafft, nach schweren Krisen wunderbar dazustehen. Fast wäre das Institut nach einem Spekulationsskandal in der Großen Depression untergegangen. Doch während Hunderte Wettbewerber verschwanden, schwang sich das Wertpapiermaklerbüro, das einst der deutsche Einwanderer Marcus Goldman gegründet hatte, zu einer der ersten Adressen der Wall Street auf.
Goldman, Sohn eines Viehhändlers aus Trappstadt in Unterfranken, hatte nach seiner Ankunft in New York zunächst als Straßenverkäufer einen Karren durch die Stadt gezogen. 1869 eröffnete er eine Firma, die mit Schuldverschreibungen von Diamantenhändlern handelte. Ein damals innovatives Finanzprodukt, das es zu vermarkten galt.
Heute gibt es kaum eine Nische am Finanzmarkt, die Goldman nicht bedient. Die Händler der Bank kaufen und verkaufen Aktien, Anleihen und Devisen im Auftrag von Pensionsfonds, Stiftungen und Versicherungen. Sie jonglieren mit Dollar und koreanischen Won, mit Öl, Kupfer und Orangensaft. Goldman-Banker beraten Topmanager bei Fusionen und Übernahmen und helfen bei der Finanzierung dieser Deals, indem sie die Ausgabe von Aktien und Anleihen arrangieren. Bei den in der Branche eifersüchtig studierten league tables, den Top-Ten-Listen der Banken nach Anzahl und Volumen der Transaktionen, belegt Goldman regelmäßig Spitzenplätze.
Wie keinem ihrer Konkurrenten gelang es den Bankern aus 85 Broad Street immer wieder, neue Märkte zu erschließen. Goldman Sachs war 2004 das erste und lange das einzige ausländische Finanzinstitut, das eine Lizenz als Investmentbank in China bekam. Jahrelanges Werben zahlte sich aus: Mehr als 70 Mal war der Vorstandschef Henry Paulson nach Peking gereist, häufiger als jeder Regierungsvertreter.
In Deutschland knackten die Wall-Street-Banker das Quasimonopol des Frankfurter Trios aus Deutscher Bank, Dresdner Bank und Commerzbank, die jahrzehntelang das Geschäft mit deutschen Großunternehmen unter sich aufgeteilt hatten. Geschickt rekrutierten die Amerikaner Insider, knüpften Kontakte zu den Bossen der Deutschland AG, und 1996 gelang ihnen der Durchbruch: Goldman durfte – gleichberechtigt mit der Deutschen Bank – die Deutsche Telekom an die Börse bringen. Zwei Jahre später fädelten sie die Megafusion von Daimler und Chrysler ein. Als der Karstadt-Konzern 2006 vor dem Aus stand, arrangierten die Goldmänner den – nun heftig umstrittenen – Verkauf der Filialen.
»Niemand betreibt eine derart brutale Selektion unter den Mitarbeitern«
Der Schlüssel zu so viel Erfolg? Für den langjährigen Bankenanalysten Richard Bove ist es kein großes Geheimnis. »Niemand betreibt eine derart brutale Selektion der Mitarbeiter«, sagt er.
Tatsächlich kann sich Goldman an den Eliteuniversitäten die Begabtesten aussuchen. Die Bewerber werden rigorosen Befragungen unterzogen, auch um ihre Reaktion unter Stress zu testen. Jahr für Jahr wird die Leistung der Mitarbeiter bewertet, und wer die Ansprüche nicht erfüllt, muss gehen. Goldman sei »ein vernichtendes Arbeitsumfeld, oft beherrscht von arroganten und aggressiven Kollegen, die sehr von ihren Fähigkeiten überzeugt sind«, klagt ein Mitarbeiter anonym auf einer Internetseite, auf der Angestellte ihre Arbeitgeber bewerten. Bei Goldman gebe es »null Rücksicht auf Familie oder andere Lebensumstände«, ist da auch zu lesen.
Doch dass so vernehmlich geschimpft wird, ist eine Ausnahme. Verschwiegenheit gehört zu den obersten Tugenden bei Goldman. Neulingen wird der Korpsgeist eingeimpft. »Sag niemals ich, sondern immer wir«, fasst Charles Ellis die Lehre zusammen, der 30 Jahre lang als externer Berater für verschiedene Wall-Street-Banken gearbeitet und danach ein Buch über Goldman Sachs verfasst hat.
Tatsächlich: Wie kaum ein anderes Wall-Street-Institut schafft es Goldman, missliebige Schlagzeilen zu vermeiden. Keine Klatschgeschichten über millionenteure Partys, über Luxusbüros oder Allüren der ranghohen Mitarbeiter. Das einzige Laster, das das Wirtschaftsmagazin Business Week dem Vorstandschef Lloyd Blankfein bislang nachsagen mag, sind die fünf Historienschinken, die der Geschichtsfan einpackt, wenn er mit seiner Frau Lara in Ferien fährt. Journalisten, die an einer Geschichte über Goldman Sachs schreiben, bekommen übrigens schon mal einen unerwarteten Anruf aus der Pressestelle, in dem sie vor dem Aufgreifen einer »völlig falschen« Darstellung dieses oder jenes Umstandes gewarnt werden.
Doch diese bewunderte und beneidete Bank hat eine Schwäche: Sie ist inzwischen an so vielen Geschäften beteiligt, dass ihr unweigerlich auch Interessenkonflikte nachgesagt werden.
Ein Beispiel aus Deutschland: Der Karstadt-Konzern, den die Goldman-Berater zum Verkauf der Immobilien gedrängt hatten, wurde seine Filialen schließlich an ein Konsortium los, an dem die Goldman-Tochter Whitehall 51 Prozent hält. Ein Beispiel aus Amerika: In den vergangenen Jahren halfen Goldman-Mitarbeiter dem kalifornischen Finanzminister bei der Herausgabe und Platzierung von Anleihen, aber im Herbst 2008 empfahl dann eine andere Goldman-Abteilung ihren Kunden, mit Kreditderivaten gegen die kalifornischen Staatspapiere zu wetten. So berichteten es Reporter der Stiftung ProPublica und der Los Angeles Times, die Einblick in vertrauliche Unterlagen erhalten hatten. Auf Anfrage erklärte ein Sprecher, dabei habe es sich um eine »kurzfristige Empfehlung« gehandelt, die nicht mehr gelte. Goldmans Anlageberater arbeiteten im Übrigen, wie gesetzlich vorgeschrieben, streng getrennt von den anderen Abteilungen.
Und dann ist da dieses Beziehungsgeflecht aus Männerfreundschaften und Gefälligkeiten, das die Wall Street mit Washington verbindet. Keine Institution hat so viele ihrer Ehemaligen in Schlüsselpositionen. »Es braucht keine Verschwörung«, sagt William Black, ein Jurist und Bankenexperte an der University of Missouri. »Goldman Sachs erntet die höchste Rendite durch Einfluss und Information.« Nicht alle Kenner der Bank sehen das so. Goldman, hält der Autor Ellis dagegen, ziehe nun mal die brillantesten Köpfe an. Da sei es kein Wunder, dass sie später auf wichtigen Posten in der Politik landeten.
Unbestritten ist, dass die Bank in der US-Regierung intime Verbindungen zu jenen Verantwortlichen hat, die die Bankenkrise bekämpfen. So war der ehemalige Goldman-Chefmanager Henry Paulson Finanzminister, als die Krise im vergangenen Herbst in eine entscheidende Phase ging. Vermittelt hatte die Nominierung der Stabschef im Weißen Haus, Josh Bolten, auch ein Ehemaliger von Goldman Sachs.
Als Krisenmanager ließ Paulson den Goldman-Konkurrenten Lehman Brothers in die Pleite rutschen. Kurz darauf entschied er, den Versicherungskonzern und wichtigen Goldman-Geschäftspartner AIG aufzufangen – eine Aktion, die den Steuerzahler bisher 180 Milliarden Dollar gekostet hat. Eine besonders schillernde Geschichte. Neuer AIG-Chef wurde Ed Lilly, bis dahin ein Aufsichtsrat bei Goldman Sachs. Dank Paulsons Staatsmilliarden konnte AIG die Ansprüche seiner Vertragspartner wieder befriedigen, weigerte sich aber monatelang, die Empfänger zu nennen. Erst auf massiven Druck aufgebrachter Kongressmitglieder veröffentlichte der Versicherer die Liste. Goldman Sachs hatte mit 12,9 Milliarden Dollar den größten Anteil erhalten. Auf Platz zwei fand sich die französische Société Générale mit 11,9 Milliarden und auf Platz drei die Deutsche Bank mit 11,8 Milliarden. Gegen die Gerüchte, die Rettung von AIG habe Goldman gedient, wehrt sich die Bank vehement. Die Transaktionen mit AIG seien über andere Partner vollständig abgesichert gewesen.
Paulson boxte auch ein Rekordhilfspaket von 700 Milliarden Dollar zugunsten amerikanischer Banken durch und stellte zu ihrer Verwaltung den ehemaligen Goldman-Fusionsberater Neel Kashkari ein. Der Regierungswechsel änderte an der Präsenz der Goldmänner kaum etwas. Der neue Finanzminister Timothy Geithner kommt nicht von Goldman, er begann seine Karriere aber als Protegé von Robert Rubin, dem US-Finanzminister unter Bill Clinton und ehemaligen Goldman-Vorstand. Auch Larry Summers, der Obamas Wirtschaftspolitik federführend gestaltet, verdankt seine Karriere Rubins Einfluss.
Die Verbindungen reichen weiter. Vor seiner Nominierung war Geithner Chef der Notenbank in New York und neben Paulson damit der wichtigste Krisenmanager im heißen Herbst. Geithners Aufsichtsratschef bei der New York Fed war Stephen Friedman, bis heute ein Mitglied des Goldman-Aufsichtsrates. Friedman half auch bei der Suche nach Geithners Nachfolger bei der Zentralbank. Eine wichtige Entscheidung, denn die Institution wird künftig eine noch größere Rolle spielen: Sie soll nach dem Willen Obamas das gesamte Finanzsystem überwachen. Die Wahl fiel auf William Dudley, der zuvor Chefvolkswirt bei – richtig – Goldman Sachs war. Nachdem das Wall Street Journal berichtet hatte, dass Friedman als Aufsichtsratschef der New York Fed Goldman-Papiere hielt und im Dezember 371.000 Aktien sowie im Januar ein weiteres Paket zugekauft hatte, trat er im Mai zurück.
Die engen Verflechtungen haben in den vergangenen Wochen zunehmend Kritiker auf den Plan gerufen. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz prangerte an, was er die »amerikanische Drehtür« nannte. »Die Leute gehen von der Wall Street ins Finanzministerium und dann zurück an die Wall Street«, wetterte er in einem Fernsehinterview. So entwickelten sie eine gemeinsame Weltsicht – die wiederum verhindere im Augenblick trotz der Krise eine wirkungsvolle Reform des Finanzsystems. Auch der Jurist William Black sieht das so. Seiner Meinung nach fürchten die Volksvertreter um die Wettbewerbsfähigkeit der USA, falls sie den Finanzinstituten zu enge Regeln auferlegten. Solche Zurückhaltung könne Obamas Reformvorhaben untergraben.
Bisher sind die Krisenreaktionen in aller Welt allerdings ganz nach dem Geschmack von Goldman Sachs und Konsorten. Die Regierungen müssen sich hoch verschulden und neue Staatspapiere im Wert mehrerer Billionen Dollar ausgeben. Für die Banker verheißt das Hunderte Millionen Dollar an Gebühren. Seit dem Untergang von Bear Stearns und Lehman Brothers bleibt ein einziges bedeutendes Wall-Street-Haus übrig, das auf dieses Geschäft spezialisiert ist. Es residiert in 85 Broad Street in Manhattan.