BERATER IST NICHT GLEICH BERATER

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Tanzender Dax:

BERATER IST NICHT GLEICH BERATER

 
20.11.01 08:52
ftd.de, Di, 20.11.2001, 7:00  
Geldanlage: Berater ist nicht gleich Berater
Von Torsten Engelbrecht

Turbulenzen an den Börsen und ungewisse Aussichten für die Weltwirtschaft verunsichern die Investoren. Wohl dem, der einen Finanzplaner hat. Worauf Anleger bei der Auswahl ihres Vermögensplaners achten sollten.

 

Veränderung des Anlegerverhaltens


Keine leichten Zeiten für Investoren. Nicht nur die lange Baisse am Aktienmarkt ließ viele Aktionäre verzweifeln. Selbst die Rally im Oktober war für zahlreiche Anleger wenig erquickend: Viele haben den Aufsprung auf den Kurs-Zug verpasst. Und soll man jetzt noch einsteigen? Nicht leichter gemacht wird es denjenigen, die mit Anleihen liebäugeln. Bonds sind zwar sichere Investments. Doch die Kapitalmarktzinsen sind im Keller, weshalb viele Experten Anleihen als relativ renditeschwach einstufen. Unterdessen wird so mancher Anleger der Informationsflut nicht mehr Herr. Alternative Investments sind zwar en vogue, werden aber oft nur von Profis verstanden. Wie gesagt, keine leichten Zeiten für Investoren. Wohl dem, der sich da einen Financial Planner leisten kann.

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Nicht allen steht freilich solch ein persönlicher Finanzberater mit Rat und Tat zur Seite. Doch nehmen sich jetzt viele Banken und andere Finanzdienstleister des Themas an. "Die private Finanzplanung war bislang in Deutschland nur bei wenigen ,Exoten‘ unter den Beratern Standard", so Jörg Richter vom Institut für Qualitätssicherung und Prüfung von Finanzdienstleistungen. "Statt auf schnellen Produktverkauf, wird nun auf professionelle Analyse und Planung der finanziellen Situation des Kunden Wert gelegt."



Betuchte Anleger


Zum einen "wird in den kommenden Jahren die Zahl der betuchten Anleger, die an der Verwaltung und Gestaltung ihres Vermögens partizipieren und hierfür einen Berater nutzen wollen, zunehmen", ist Rolf Tilmes, Financial-Planning-Experte an der European Business School, überzeugt (siehe Grafik). Zum anderen geht die Entwicklung dahin, dass sich Banken, Privatinstitute und Vermögensberater zunehmend auch Kunden, die mit einem Vermögen zwischen 100.000 und 500.000 $ nicht zu den Super-Reichen zählen, zuwenden werden.


Treibender Faktor für die Entwicklung ist das Wachstum des Privat-Banking-Marktes. Studien zufolge soll der Markt für vermögende Privatkunden in Europa in den kommenden Jahren um rund 15 Prozent pro Jahr zulegen. Ursache hierfür ist die in vielen Ländern der Alten Welt und auch in Deutschland zum Teil noch unterentwickelte Kapitalmarktkultur - gerade auch im Vergleich zu den Vereinigten Staaten (siehe dazu auch Portfolio vom 5. Oktober 2001).



Begehrte Kunden


Dabei werden "von den 16 Millionen Private-Banking-Kunden in der OECD diejenigen überproportional zunehmen, die über liquide Mittel von mehr als fünf Mio. Euro verfügen", so Rolf Tilmes auf einer Veranstaltung der Wirtschaftsseminare Frankfurt. Tilmes beruft sich auf eine Studie der Beratungsfirma Booz Allen Hamilton, derzufolge dieser Gruppe von Vermögenden bis 2004 ein jährliches Wachstum von 9,3 Prozent prognostiziert wird.


Die Attraktivität dieses Marktes lockt zahlreiche neue Wettbewerber an - was dazu führt, dass die Institute ihr Angebot anspruchsvoller gestalten müssen, um keine Kunden zu verlieren. "Die Kundenloyalität sinkt rapide", so Tilmes. "Während sich 1998 nur ein Drittel der Wohlhabenden latent abwanderungsbereit zeigte, waren es 1999 schon fast zwei Drittel." Service-, Performancemängel und Personalwechsel werden von den potenziellen "Springern" als Gründe für die Abwanderungsbereitschaft genannt, auf persönlicher Ebene kommen noch anstehende Vermögenskonsolidierungen und Wandel des Anlageziels hinzu.



Beliebte Erben


Besonders in Deutschland empfiehlt es sich, die Erbengeneration bei der Stange zu halten. "In den nächsten zehn Jahren werden hier zu Lande Vermögen in Höhe von 2000 Mrd. Euro an nachfolgende Generationen weitergereicht", so Rainer Zierhofer von Arthur Andersen Business Consulting. Schnell könne jemand infolge einer Erbschaft von einem durchschnittlich vermögenden Anleger zu einem Super-Reichen mutieren, einem so genannten Very High Networth Individual mit einem Vermögen im zweistelligen Millionenbereich. "Professionelles Financial Planning kommt um die Einbeziehung des Zeit- oder Generationenfaktors nicht herum", so Zierhofer. Ebenso rückt die Familiensituation der Anleger verstärkt in den Mittelpunkt des Financial Planning ("Family-Office-Angebote").


Für reichlich Fantasie sorgt auch die so genannte Riester-Rente. "Infolge der Beschlüsse der Bundesregierung zur Einführung der Eigenvorsorge bei der Altersvorsorge ist mit einem erweiterten Produktangebot und einer Beschleunigung der Vertriebsaktivitäten bei den Finanzinstituten zu rechnen", erwartet Henry Schäfer, Wirtschafts-Professor an der Universität Stuttgart.



Trend zum Internet

Die betuchten Anleger zieht es ins Web

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Zu einem Schlüsselfaktor könnte das Internet werden. Nach dem "Private Banking/Wealth Management Survey 2002" von PricewaterhouseCoopers wird auch an den Vermögenden der Internettrend nicht vorübergehen. So sollen in den kommenden zwei Jahren weit mehr als doppelt so viele Reiche, die über ein Vermögen von 500.000 $ oder mehr verfügen, das Internet bei ihren Anlageentscheidungen nutzen (siehe Grafik). "Der ,hybride Bankkunde‘, der Zugang über alle Kanäle wie Call-center und Internet zu jeder Zeit verlangt, ist auf dem Vormarsch", so Zierhofer. Dies gelte vor allem für die jungen reichen Anleger, die risikobereiter sind und anspruchsvollere Produkte suchen.


In den USA sind bereits erste Financial-Planning-Angebote im Web gestartet. Dazu zählen vor allem Advice America, Direct Advice und Financial Engines. "Die Angebote können sich sehen lassen", urteilt Rolf Tilmes. Doch profitiere Amerika von seiner relativ einfachen Steuergesetzgebung, die einer Aufbereitung des Financial Planning im Netz zu Gute kommt. Das komplizierte Steuerregelwerk in Deutschland hingegen wirkt hier kontraproduktiv. Daher ist man hier zu Lande noch nicht so weit. Vielversprechende Ansätze bieten etwa Incam Finanzplanung oder auch die Site der Baden-Württembergischen Bank.



Wissen um das Steuerrecht als Wettbewerbsvorteil


Viele Experten halten es für unabdingbar, dass der Berater die Finessen der hiesigen Steuergesetzgebung kennt. "Auf jeden Fall sollte die Finanzberatung mindestens die Familien- und Einkommenssituation, die Vermögenswerte des Kunden insgesamt, die Betreuungswünsche und Finanzierungen sowie die Preis- und Service-Orientierung des Kunden einschließen", fasst Wolfgang Reittinger seine Ansprüche zusammen. Reittinger ist Geschäftsführer der Commerzbank-Tochter Commerz Finanz, der von Experten das breiteste Finanzplanungsangebot in Deutschland bescheinigt wird.


Die von vielen Beratern angebotene Finanz- und Steueranalyse erfüllt nach Meinung vieler Experten die hohen Anforderungen des Financial Planning aber nicht. Dies ist umso bedauerlicher, als die Berater in Deutschland für ihre Tätigkeit mit Beträgen von nicht weniger als 3000 Mark für die erstmalige Durchleuchtung der persönlichen Finanzen zur Kasse bitten. "Im Schnitt müssen vermögende Privatkunden gar 5000 bis 10.000 Mark hinblättern", so Jörg Richter. "Wobei die Grenze nach oben praktisch offen ist."


Wer in dieser "neuen Unübersichtlichkeit" - gekennzeichnet durch komplexe Kapitalmärkte und die schwierige Frage, wo es professionelle Beratung gibt - einen adäquaten Finanzplaner sucht, sollte nach Auffassung von Experten wie Jörg Richter oder Henry Schäfer Folgendes beachten:



Qualitätskriterien


1. In Sachen Fachkompetenz ist "Certified Financial Planner" (CFP) der anerkannte Titel und erstes Qualitätssiegel. Andere Titel wie "Zert_FP" haben nicht diese Bedeutung, zumal CFP eine Weiterbildungsverpflichtung haben und bei Fehlverhalten aus dem offiziellen Register gestrichen werden können. Für den (noch jungen) Beratungsbereich "Vermögensnachfolgeplanung" ist "Certified Estate Planner" (CEP) der führende Titel.


2. Schon der gesunde Menschenverstand sagt: Ein 23-jähriger Bankberater kann in der Regel nicht die soziale Reife haben, die für einen Berater, der mit seinem Kunden über Vermögenswerte und Lebensziele philosophiert, notwendig ist. Ein Finanzplaner sollte zwei bis drei Jahre Erfahrungen haben, bevor er eigenständig berät. Es sollte kein "Wald und Wiesen"-Berater sein, der gleichermaßen Unternehmer, Mediziner, leitender Angestellte, Vorstände etc. berät. Wer ganzheitlich beraten will - und das will ein Financial Planner - muss seine Zielgruppe mit den speziellen Bedürfnissen sehr gut kennen.


3. Professionelle Finanzplanung kommt einem "Financial Striptease" gleicht, denn der Kunde zieht sich ja mit allen Daten vor dem Berater aus. Wenn das Vertrauen fehlt oder der Bauch sagt, dass der Berater nicht zu einem passt, sollte man darauf hören.


4. Unabhängigkeit ist am ehesten bei der reinen Honorarberatung gegeben. Hier agiert der Berater produktunabhängig und bekommt nur für seine Dienstleistung Geld. Dadurch werden viele Interessenkonflikte ausgeschaltet.


"Financial-Planning-Angebote im Internet" - mit diesem Thema wird sich Portfolio in einer der nächsten Ausgaben eingehend beschäftigen

mothy:

Wenn ich das so lese, dann macht mir mein Beruf

 
20.11.01 09:05
als Bänker bald keinen Spaß mehr.
Man hört immer mehr von entlassungen in der Bankenbranche und die privaten Vermögensverwalter sind immer weiter auf dem Vormarsch.
Vielleicht sollte ich langsam die Rente beantragen.
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