Der Traditionskonzern Beiersdorf wird zum Streitobjekt. Konkurrenten und der Tchibo-Clan sind scharf auf die Topmarken
Seit mehr als neunzig Jahren verströmt sie den typischen Duft. Auch der markante Schriftzug auf ihrem Deckel hat sich seither kaum verändert. Nivea, ein treuer Helfer bei Sonnenbränden, Spülhänden und wunden Popos, eine Konstante im Leben - vom Kinderwagen bis zum Krankenbett. Über den Hersteller der Creme, die Hamburger Beiersdorf AG (Nivea, Tesa, Hansaplast), machten sich bisher die wenigsten Freunde der blauen Dose Gedanken. Doch in jüngster Zeit ist das Unternehmen ins Gerede gekommen. Nicht etwa, weil die Zahl der Nivea-Fans schrumpfen würde. Dank immer neuer Produktvarianten unter dem Markendach ist sogar das Gegenteil der Fall. Aber es kursieren hartnäckig Gerüchte von Verkauf, sogar Zerschlagung. Und das, obwohl der Traditionsbetrieb seinen Aktionären - von einem Formtief bei der Klebebandmarke Tesa abgesehen - immer ordentliche Gewinne beschert hat.
Schuld an den Spekulationen ist Finanzminister Hans Eichel, der durchsetzte, dass Kapitalgesellschaften keine Steuern mehr bezahlen müssen, wenn sie Beteiligungen an anderen Firmen verkaufen. Seitdem fragen sich die Mitarbeiter im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel, ob die derzeitigen Großaktionäre Allianz und Tchibo dem Unternehmen die Treue halten oder es vielleicht doch lieber an die begehrliche Konkurrenz in der Kosmetikbranche verkaufen wollen. Seit Jahresbeginn ist die neue Steuerregelung in Kraft. Viele bezweifeln jedoch, ob sie die kommende Bundestagswahl überleben wird. Das Steuergeschenk an die Großunternehmen steht zu sehr in der Kritik. Wer etwas zu verkaufen hat, wird es deshalb schnell tun.
Da muss es nicht verwundern, dass sich bei gut laufenden Unternehmen wie Beiersdorf die Spekulationen häufen. So erschien das Handelsblatt am Montag mit der Schlagzeile, der Großaktionär Tchibo Holding wolle das Hamburger Unternehmen ganz übernehmen, um den einen Zweig des zerstrittenen Clans der Kaffeerösterfamilie Herz damit abzufinden. Zeitgleich druckte das Schwesterblatt Wirtschaftswoche allerdings eine ganz andere Botschaft aus dem Umfeld der Herz-Familie: Man werde die 30 Prozent Aktien abstoßen, wenn es nicht endlich gelinge, die Mehrheit zu erringen. Auch beim zweiten Großaktionär, der Allianz, gibt es widersprüchliche Einschätzungen. Als der Versicherungskonzern kürzlich seinen Anteil an Beiersdorf auf mehr als 40 Prozent erhöhte, dachte mancher Beobachter, die Versicherung wolle sich nun doch langfristig binden. Vermutlich soll die in aller Stille durchgeführte Aufstockung jedoch eher bei einem Verkauf einen schönen Paketzuschlag einbringen.
An externen Interessenten mangelt es nicht. "Wir haben hier das reinste St.-Pauli-Milieu", klagt ein Mitarbeiter, "ständig ist ein neuer Freier im Gespräch." Kein Wunder. Für den Henkel-Konzern etwa, selbst im Geschäft mit Kosmetik und Klebstoffen (Schauma, Fa, Pritt) tätig, wären die Produkte aus Hamburg eine hervorragende Ergänzung. Verkauften die Düsseldorfer doch eigens ihr Rohstoffgeschäft, um Geld für eine Expansion bei den Markenartikeln zu bekommen. Auch Wettbewerber Wella - mit Dauerwellen und Haartinkturen bisher hauptsächlich in Friseursalons vertreten - könnte das Beiersdorf-Sortiment gebrauchen, um mit den Kundinnen direkt ins Geschäft zu kommen. Internationale Markenartikelmultis wie der US-Konzern Procter & Gamble, der britisch-niederländische Multi Unilever und nicht zuletzt Kosmetikmarktführer L'Oréal wären vermutlich ebenso begierig, die zugkräftige blaue Marke zu übernehmen. So erfolgreich der französische Konzern mit Luxusmarken wie Lancôme, Vichy oder Biotherm ist, bei der preiswerteren Kosmetik liegt Beiersdorf vorn - selbst Französinnen bekämpfen ihre Falten oft mit Nivea Visage. Dieses Ärgernis ließe sich am einfachsten durch eine Übernahme aus der Welt schaffen.
Aus der Sicht eines Investmentbankers wären Großunternehmen wie L'Oréal, Procter & Gamble oder Unilever ideale Käufer, weil sie am meisten bezahlen können. Allerdings hätten sie vermutlich wenig Interesse an Hansaplast-Pflastern, Stützstrümpfen und vielen anderen bewährten Artikeln aus dem Hause Beiersdorf. Ob die Gesundheitssparte dann ebenso an die Luft gesetzt würde wie die Klebstofftochter Tesa, die in drei Jahren an die Börse gehen soll? Einiges würde von einem neuen Besitzer wohl einfach verkauft, manche Stelle eingespart werden. Erstmals seit Jahrzehnten bangen die Beiersdorf-Mitarbeiter ernsthaft um ihre Zukunft. Selbst die, die für die begehrte Kosmetiksparte arbeiten: Eine eigene Forschungs- oder Marketingabteilung wäre nach einer Übernahme purer Luxus.
In Eimsbüttel geht die Angst um
Der Belegschaft von Beiersdorf käme deshalb ein Investor gelegen, dessen Herz für Markenartikel im Allgemeinen schlägt und nicht für die Kosmetik im Speziellen. So könnten die Hamburger weiter schalten und walten wie bisher. Deshalb wäre vielen Beiersdorfern die Tchibo-Lösung am genehmsten. Das liefe darauf hinaus, dass der Familienzweig unter Günter Herz mit dem Geld aus dem geplanten Verkauf der Anteile am Zigarettenhersteller Reemtsma (siehe Schaubild) die Beiersdorf-Anteile aufstocken würde und der andere Familienzweig das traditionelle Kaffeegeschäft ganz übernähme. Nur dass ein Günter Herz, der das Tchibo-Imperium leitete, bevor ihn seine Geschwister aus dem Amt drängten, sich vermutlich stärker einmischen würd als bisher, das müsste das Beiersdorf-Management wohl hinnehmen.
In der Eimsbütteler Chefetage traut sich allerdings niemand, so etwas offen zu sagen. Der Konzern stehe einer Übernahme durch die Großaktionäre "Allianz oder Tschibo offen gegenüber", heißt es diplomatisch, auch ein anderer Mehrheitseigentümer sei "kein Problem". Klar, in einer solch sensiblen Situation möchte es sich das Management mit keiner Seite verscherzen. Peinlich genug, dass der Verkauf von knapp fünf Prozent Beiersdorf-Anteilen durch deren formell unabhängige Pensionskasse an die Allianz Lebensversicherung Ende vergangenen Jahres offenbar ohne Wissen der Tchibo-Leute ablief. Damit das nicht wie ein Votum gegen Tchibo wirkt, betont man jetzt die Unabhängigkeit dieser Stiftung.
Noch wird hinter den Kulissen gerungen. Doch wenn erst einmal die Verhältnisse bei Tchibo geklärt sind, wird sich die Anteilsstruktur bei Beiersdorf ebenso rasch bereinigen. Wer mit Nivea davonzieht, ist noch offen. Bis dahin darf in Eimsbüttel gebangt werden.
Seit mehr als neunzig Jahren verströmt sie den typischen Duft. Auch der markante Schriftzug auf ihrem Deckel hat sich seither kaum verändert. Nivea, ein treuer Helfer bei Sonnenbränden, Spülhänden und wunden Popos, eine Konstante im Leben - vom Kinderwagen bis zum Krankenbett. Über den Hersteller der Creme, die Hamburger Beiersdorf AG (Nivea, Tesa, Hansaplast), machten sich bisher die wenigsten Freunde der blauen Dose Gedanken. Doch in jüngster Zeit ist das Unternehmen ins Gerede gekommen. Nicht etwa, weil die Zahl der Nivea-Fans schrumpfen würde. Dank immer neuer Produktvarianten unter dem Markendach ist sogar das Gegenteil der Fall. Aber es kursieren hartnäckig Gerüchte von Verkauf, sogar Zerschlagung. Und das, obwohl der Traditionsbetrieb seinen Aktionären - von einem Formtief bei der Klebebandmarke Tesa abgesehen - immer ordentliche Gewinne beschert hat.
Schuld an den Spekulationen ist Finanzminister Hans Eichel, der durchsetzte, dass Kapitalgesellschaften keine Steuern mehr bezahlen müssen, wenn sie Beteiligungen an anderen Firmen verkaufen. Seitdem fragen sich die Mitarbeiter im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel, ob die derzeitigen Großaktionäre Allianz und Tchibo dem Unternehmen die Treue halten oder es vielleicht doch lieber an die begehrliche Konkurrenz in der Kosmetikbranche verkaufen wollen. Seit Jahresbeginn ist die neue Steuerregelung in Kraft. Viele bezweifeln jedoch, ob sie die kommende Bundestagswahl überleben wird. Das Steuergeschenk an die Großunternehmen steht zu sehr in der Kritik. Wer etwas zu verkaufen hat, wird es deshalb schnell tun.
Da muss es nicht verwundern, dass sich bei gut laufenden Unternehmen wie Beiersdorf die Spekulationen häufen. So erschien das Handelsblatt am Montag mit der Schlagzeile, der Großaktionär Tchibo Holding wolle das Hamburger Unternehmen ganz übernehmen, um den einen Zweig des zerstrittenen Clans der Kaffeerösterfamilie Herz damit abzufinden. Zeitgleich druckte das Schwesterblatt Wirtschaftswoche allerdings eine ganz andere Botschaft aus dem Umfeld der Herz-Familie: Man werde die 30 Prozent Aktien abstoßen, wenn es nicht endlich gelinge, die Mehrheit zu erringen. Auch beim zweiten Großaktionär, der Allianz, gibt es widersprüchliche Einschätzungen. Als der Versicherungskonzern kürzlich seinen Anteil an Beiersdorf auf mehr als 40 Prozent erhöhte, dachte mancher Beobachter, die Versicherung wolle sich nun doch langfristig binden. Vermutlich soll die in aller Stille durchgeführte Aufstockung jedoch eher bei einem Verkauf einen schönen Paketzuschlag einbringen.
An externen Interessenten mangelt es nicht. "Wir haben hier das reinste St.-Pauli-Milieu", klagt ein Mitarbeiter, "ständig ist ein neuer Freier im Gespräch." Kein Wunder. Für den Henkel-Konzern etwa, selbst im Geschäft mit Kosmetik und Klebstoffen (Schauma, Fa, Pritt) tätig, wären die Produkte aus Hamburg eine hervorragende Ergänzung. Verkauften die Düsseldorfer doch eigens ihr Rohstoffgeschäft, um Geld für eine Expansion bei den Markenartikeln zu bekommen. Auch Wettbewerber Wella - mit Dauerwellen und Haartinkturen bisher hauptsächlich in Friseursalons vertreten - könnte das Beiersdorf-Sortiment gebrauchen, um mit den Kundinnen direkt ins Geschäft zu kommen. Internationale Markenartikelmultis wie der US-Konzern Procter & Gamble, der britisch-niederländische Multi Unilever und nicht zuletzt Kosmetikmarktführer L'Oréal wären vermutlich ebenso begierig, die zugkräftige blaue Marke zu übernehmen. So erfolgreich der französische Konzern mit Luxusmarken wie Lancôme, Vichy oder Biotherm ist, bei der preiswerteren Kosmetik liegt Beiersdorf vorn - selbst Französinnen bekämpfen ihre Falten oft mit Nivea Visage. Dieses Ärgernis ließe sich am einfachsten durch eine Übernahme aus der Welt schaffen.
Aus der Sicht eines Investmentbankers wären Großunternehmen wie L'Oréal, Procter & Gamble oder Unilever ideale Käufer, weil sie am meisten bezahlen können. Allerdings hätten sie vermutlich wenig Interesse an Hansaplast-Pflastern, Stützstrümpfen und vielen anderen bewährten Artikeln aus dem Hause Beiersdorf. Ob die Gesundheitssparte dann ebenso an die Luft gesetzt würde wie die Klebstofftochter Tesa, die in drei Jahren an die Börse gehen soll? Einiges würde von einem neuen Besitzer wohl einfach verkauft, manche Stelle eingespart werden. Erstmals seit Jahrzehnten bangen die Beiersdorf-Mitarbeiter ernsthaft um ihre Zukunft. Selbst die, die für die begehrte Kosmetiksparte arbeiten: Eine eigene Forschungs- oder Marketingabteilung wäre nach einer Übernahme purer Luxus.
In Eimsbüttel geht die Angst um
Der Belegschaft von Beiersdorf käme deshalb ein Investor gelegen, dessen Herz für Markenartikel im Allgemeinen schlägt und nicht für die Kosmetik im Speziellen. So könnten die Hamburger weiter schalten und walten wie bisher. Deshalb wäre vielen Beiersdorfern die Tchibo-Lösung am genehmsten. Das liefe darauf hinaus, dass der Familienzweig unter Günter Herz mit dem Geld aus dem geplanten Verkauf der Anteile am Zigarettenhersteller Reemtsma (siehe Schaubild) die Beiersdorf-Anteile aufstocken würde und der andere Familienzweig das traditionelle Kaffeegeschäft ganz übernähme. Nur dass ein Günter Herz, der das Tchibo-Imperium leitete, bevor ihn seine Geschwister aus dem Amt drängten, sich vermutlich stärker einmischen würd als bisher, das müsste das Beiersdorf-Management wohl hinnehmen.
In der Eimsbütteler Chefetage traut sich allerdings niemand, so etwas offen zu sagen. Der Konzern stehe einer Übernahme durch die Großaktionäre "Allianz oder Tschibo offen gegenüber", heißt es diplomatisch, auch ein anderer Mehrheitseigentümer sei "kein Problem". Klar, in einer solch sensiblen Situation möchte es sich das Management mit keiner Seite verscherzen. Peinlich genug, dass der Verkauf von knapp fünf Prozent Beiersdorf-Anteilen durch deren formell unabhängige Pensionskasse an die Allianz Lebensversicherung Ende vergangenen Jahres offenbar ohne Wissen der Tchibo-Leute ablief. Damit das nicht wie ein Votum gegen Tchibo wirkt, betont man jetzt die Unabhängigkeit dieser Stiftung.
Noch wird hinter den Kulissen gerungen. Doch wenn erst einmal die Verhältnisse bei Tchibo geklärt sind, wird sich die Anteilsstruktur bei Beiersdorf ebenso rasch bereinigen. Wer mit Nivea davonzieht, ist noch offen. Bis dahin darf in Eimsbüttel gebangt werden.