Handelsblatt schreibt :
Unternehmen und Märkte: Hintergrund
Der neue Deutschland-Chef glaubt weiter an eine eigenständige Zukunft des Software-Konzerns
Baan sieht sich bei Internet-Integration vorn
Während einige in der Software-Branche schon die Tage zählen, die dem Baan-Konzern noch
bleiben, verbreitet der neue Deutschland-Chef Optimismus. Bei den Produkten sieht Stefan
Exner die Niederländer ganz vorn, jetzt sei vor allem Vertrauensarbeit angesagt.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 16. Februar 2000
stw HANNOVER. Nach den Schlagzeilen der vergangenen Wochen und Monate hat der
niederländische Software-Anbieter Baan N.V. vor allem Vertrauensarbeit zu leisten. Stefan
Exner, seit Dienstag neuer Geschäftsführer der Baan Deutschland GmbH mit Sitz in Hannover,
sieht auf diesem Gebiet die größte Herausforderung. Strategisch sei Baan gerade beim großen
Thema E-Commerce besser gerüstet als die Konkurrenz, sagte er im Gespräch mit dem
Handelsblatt.
Baan hatte in der vergangenen Woche völlig überraschend die Ablösung seines
Deutschland-Statthalters Jürgen Richter gemeldet (Handelsblatt v. 11.2.). Die Niederländer
machen hier knapp 15 % ihres Konzernumsatzes, der 1999 um 14 % auf 635 Mill. $ gesunken
ist. Nach Exners Aussage war der Wechsel seit Monaten geplant. Der 41-Jährige kommt vom
hannoverschen Elektronikunternehmen Sennheiser, wo er seinen Vertrag als Geschäftsführer für
Finanzen und Marketing im vergangenen Herbst nicht mehr verlängerte. Vorher vermarktete er
bei IBM unter anderem Konkurrenzprodukte zur Baan-Software.
Exner glaubt trotz eines Konzernverlusts von 289 Mill. $ im vergangenen Jahr weiter an eine
unabhängige Zukunft: „Ich bin unter der Maxime angetreten, dass Baan selbstständig bleibt.“
Wegen der breiten Produktpalette hätten Käufer aus der Branche immer Überschneidungen zum
eigenen Programm. Andererseits könne man den Konzern nicht ohne weiteres zerlegen, weil
die Produkte aufeinander abgestimmt seien.
In der Integration der Software sieht Exner die größte Chance. Baan habe als erster die
Programme zur Unternehmenssteuerung, ERP-Software genannt, direkt mit Internet-
Schnittstellen versehen und Programme für den Kunden- und Lieferantenkontakt via Netz darauf
abgestimmt. „Das unterscheidet uns von allen Anbietern“, behauptet Marketing-Chefin Susanne
Melchior. Die Unternehmen hätten immer mehr Mühe mit der Integration ihrer
Software-Systeme. Baan könne sie bereits integriert liefern, brauche dafür keine
Kooperationspartner und könne die Weiterentwicklung im Gesamtsystem betreiben.
Entsprechend sieht Exner die Zukunft in „allem, was mit E- anfängt“. Der Vertrieb müsse darauf
noch ausgerichtet werden, sagt er. Die vorhandenen Partner seien stark auf das ERP-Umfeld
ausgerichtet, und offenbar wird nicht jedem der Wechsel zu den neuen Produkten zugetraut.
Eine erste Vertriebspartnerschaft für diesen Bereich gibt es mit der hannoverschen
Neugründung Netshare. Exner mag sich allerdings noch nicht auf Umsatzziele festlegen.
Mit der eigentlichen Sanierung wird er nach eigener Einschätzung nur noch in Maßen zu tun
haben. Der Konzern sei ein „erhebliches Stück“ voran gekommen, und auch in Deutschland hat
sein Vorgänger Richter Weichen gestellt: Stellen wurden gestrichen, Tochtergesellschaften
verkauft. Richter hatte für Ende dieses Jahres das Erreichen schwarzer Zahlen in Aussicht
gestellt. In der Strategie jedenfalls entdeckt Exner keinen Makel. Auch für das Personal auf
allen Ebenen findet er nur lobende Worte, obwohl mitten in seinen Vertragsverhandlungen
Konzernchefin Mary Coleman ging.
Es sei eine „sicher nicht leichte Situation“, sagt Exner, aber das ist auch schon alles
Zweifelnde, was man ihm entlocken kann. Das vierte Quartal 1999 habe im Neugeschäft eine
„deutliche Trendwende“ gebracht. Die Ursachen der aktuellen Krise sieht er im Wildwuchs der
Jahre 1996/97. Damals hätten sich Strukturschwächen eingeschlichen, die er für weitgehend
beseitigt hält. Außerdem hätten schlechte Nachrichten ein langes Leben in einer Branche, wo
sich der Kunde auf Jahre festlegen muss. Hinzu kam Athmosphärisches: „Wir sind manchmal
vielleicht zu selbstbewusst aufgetreten.“ Richter hatte lange mit dem Investitionsstau wegen des
Jahr-2000-Problems argumentiert, aber das ist Exner „ein bisschen zu einfach“.