Autozulieferer entdecken Standort Deutschland neu.

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Peddy78:

Autozulieferer entdecken Standort Deutschland neu.

 
05.06.07 09:31
News - 05.06.07 07:01
Autozulieferer entdecken Standort Deutschland neu

Viele blechverarbeitende Unternehmen stocken ihre Fertigung in der Heimat auf. Denn wo Innovation groß geschrieben wird und qualifiziertes Personal gefragt ist, rentiert sich der Umzug über die Grenzen oft nicht. Die Gefahr einer Produktionsverlagerung ist aber nicht gänzlich gebannt.



KÖLN. Der Weg nach Osten endet für die Arnold AG in Steinbach-Hallenberg. In dem thüringischen Ort hat der Blechverarbeiter im März seine neue Produktionsstätte fertig gestellt. In den Hallen entstehen Metallrahmen für Gepäck-Röntgenanlagen auf Flughäfen und Bauteile für die Medizintechnik. Aber die 109 Mitarbeiter fertigen auch Designelemente für Wandverkleidungen oder hochmoderne Treppenanlagen. "Die kleinen Stückzahlen machen es für uns rentabel, in Deutschland zu produzieren", sagt Geschäftsführer Uwe Arnold. Zwar hatte man bei dem Unternehmen mit Sitz in Friedrichsdorf durchaus überlegt, Teile der Fertigung nach Osteuropa oder gar Fernost zu verlagern, sagt der Chef. "Aber nach sorgfältiger Abwägung aller Vor- und Nachteile ist für uns die Produktion in Deutschland optimal."

Während viele Unternehmen längst gen Osten aufgebrochen sind und Polen, Bulgarien, Indien oder China als verlängerte Werkbank nutzen, gibt es zunehmend Betriebe, die sich ganz bewusst wieder für den Standort Deutschland entscheiden. Wo Innovation groß geschrieben wird und qualifiziertes Personal gefragt ist, rentiert sich der Umzug über die Grenzen nämlich oft nicht.

Das gilt gerade für Blechverarbeiter: Die Unternehmensberatung Ernst & Young hat kürzlich in einer Studie ermittelt, dass drei Viertel der Unternehmen ihre Produktion in Deutschland für die kommenden Jahre konstant halten wollen. 22 Prozent planen sogar eine Ausweitung der Fertigung hierzulande. Befragt wurden Auto-Zulieferer, zu denen etwa jedes zweite Mitgliedsunternehmen des Industrieverbandes Blechumformung zählt. "Nachdem jahrelang vor allem die hohen Kosten in Deutschland gesehen wurden, geraten nun die Vorteile des Standorts wieder verstärkt ins Blickfeld der Unternehmen", sagt Peter Fuß, Leiter des Bereichs Automotive bei Ernst & Young insbesondere die gute Infrastruktur und die hervorragende Ausbildung der Mitarbeiter seien wichtige Argumente. Zwar könne Deutschland bei den Arbeitskosten auf absehbare Zeit nicht mit Osteuropa konkurrieren. "Hiesige Unternehmen werden aber eine Art Powerhouse der Automobilindustrie bleiben, indem neue Technologien vorangetrieben werden und die heimische Spezialisten somit in punkto Qualität und Innovation führend bleiben", sagt Automotive-Experte Fuß.

"Zwar spielen die Lohnkosten in unserer Branche eine große Rolle", weiß auch Blechverarbeiter Arnold. Allerdings sei dies nur einer von vielen Faktoren. "Man muss das Ganze betrachten", sagt er. So seien die Materialkosten in der Vergangenheit stets stärker gestiegen als die Personalkosten und würden somit jeden Betrieb treffen - egal ob er in Thüringen produziert oder in Taiwan. Zudem sei die Rechtssicherheit und damit verbundene bessere Planbarkeit in Deutschland ein entscheidender Standortfaktor. Aus China höre man Geschichten von Arbeitern, die sofort zu Konkurrenten abwandern, sobald die ein paar Cent mehr Lohn bieten. "Die Loyalität der Mitarbeiter spielt eine entscheidende Rolle", sagt Arnold. Die gemeinsame Sprache und Kultur seien ein weiterer Grund sich für die Produktion in Deutschland zu entscheiden.

Auch für Burkhard Seeling, Geschäftsführer der Riachtschieko Automotive GmbH & Co. KG aus Wuppertal kommt eine Verlagerung nach Fernost nicht in Frage. Das Unternehmen, das 1926 gegründet wurde und dessen Name sich aus den Silben der vier angemeldeten Patente für Ring, Acht, Schiene und Kopf zusammensetzt, produziert an zwei Standorten in Wuppertal und beschäftigt 65 Mitarbeiter. "Im Bereich der Elektronik und Befestigungstechnik finden wir in Deutschland einfach das beste Personal", sagt Seeling. Prozesssichere Stanz-Maschinen für die Produktion von Mittelkonsolen und Armaturen nach Ungarn zu fahren, würde sich für das Unternehmen nicht lohnen. "Einzig bei der Montagetechnik spielen die Lohnkosten langfristig eine Rolle", sagt Seeling. Doch dieses Problem ließe sich auch hierzulande lösen - für einfache Tätigkeiten arbeitet mancher Mittelständler mit Behindertenwerkstätten zusammen.

Den Schritt Richtung Osten wagen Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht in der Regel nur dann, wenn sich dadurch Kosteneinsparungen von mehr als 30 Prozent ergeben. "Andernfalls können Risikoaspekte den Vorteil der niedrigeren Kosten überwiegen", sagt Michael Linnhoff, Berater bei Kienbaum Management Consultants, der zusammen mit dem Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre (WZL) der RWTH Aachen eine Studie zum Standort Deutschland verfasst hat. Personalengpässe, hohe Fluktuation und politische Unsicherheiten seien bei einem Engagement im Ausland nicht zu unterschätzen. Zudem müsse eine gewisse Übergangszeit eingeplant werden, bis die gleiche Produktivität wie im Heimatland erreicht wird.

Die Bedeutung des Labels "Made in Germany", die kundennahe Entwicklung individueller Problemlösungen und das nutzbare Know-how der Zulieferer sind für mehr als 80 Prozent der Befragten entscheidende Argumente. Die Nähe zu den Geschäftspartnern sieht auch Blechspezialist Arnold als entscheidenden Wettbewerbsvorteil: "Wenn einer unserer Kunden hustet, dann sind wir noch am selben Tag bei ihm."

Welteroberer im Windschatten der Großen

Die Maschinen der Läpple AG laufen auf Hochtouren - und zwar in Spartanburg in South Carolina. Bislang spucken die Anlagen zwar nur Prototypen und Vor-Serienprodukte aus. Aber schon im Herbst soll der Blechverarbeiter mit Stammsitz in Heilbronn hier Türen und Heckklappen für die US-Werke von BMW liefern. Zurzeit produziert der bayrische Autobauer in den USA seinen Flitzer Z4 und den Geländewagen X5, im kommenden Jahr soll der größere X6 dazu kommen. BMW will die Produktion allein in seinem Werk Spartanburg von 140 000 auf mehr als 200 000 Fahrzeuge pro Jahr ausweiten.

Wenn die Großen der Branche rufen, dann steht die Läpple AG aus Heilbronn Gewehr bei Fuß. "Als Partner der Automobilindustrie fertigen wir dort, wo wir unsere Kunden effizient und schnell versorgen können", sagt Vorstandssprecher Wolf-Peter Graeser. Schon 1972 haben die Karosseriebauer in Südafrika ein Presswerk gebaut und später wegen hoher Nachfrage der deutschen Automobilindustrie weitere Produktionsstätten aus dem Boden gestampft. Heute ist Läpple dort der Marktführer mit mehr als 1400 Beschäftigten.

"Vielen Blechverarbeitern bleibt aber auch nichts anderes übrig, als mit den großen Produzenten nach China oder Indien zu gehen", sagt Bernhard Jacobs, Geschäftsführer des Industrieverbandes Blechumformung (IBU). Wenn ein Autobauer einen Standort den USA oder Asien eröffnet, müssen die Zulieferer mit. "Allein im Bereich Karosseriebau folgen pro Autohersteller mindestens drei Unternehmen nach Fernost", sagt Mathias Liewald, Leiter des Instituts für Umformtechnik (IFU) an der Universität Stuttgart. "Vor allem technisch anspruchsvolle Teile stammen in der Regel von mitgereisten Unternehmen aus dem Heimatland."

Die Friedrich Gustav Theis Kaltwalzwerke GmbH produziert mittlerweile nicht nur an verschiedenen Standorten in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten und in Fernost. Das Hagener Traditionsunternehmen betreibt im indischen Navsari seit April dieses Jahres ein Kaltwalzwerk. "Die Produktion vor Ort hat handfeste Vorteile - der Kontakt zu den Kunden ist wesentlich intensiver", sagt Geschäftsführer Roland Newe. Auch Kosten spielen eine Rolle, aber anders als erwartet: So könne das Unternehmen, das hauptsächlich andere Automobilzulieferer mit umgeformten Blechen und Rohren versorgt, vor Ort wesentlich günstiger Rohmaterialien einkaufen, sagt Newe. "Für uns ist der Gang nach Fernost mehr als eine einfache Alternative zum Export." Schließlich seien gerade in der Blechbranche die Frachtkosten nicht zu unterschätzen.

Auch den Blechspezialisten Läpple wird es deshalb künftig in Richtung Osten ziehen. Zwar sind die Vereinigten Staaten noch immer der größte Automarkt der Welt. "Osteuropa, Indien, China und die anderen asiatischen Märkte werden für uns zunehmend interessant", sagt Läpple-Chef Graeser, "und wenn unsere Kunden dorthin gehen, wollen sie auf unsere Leistungen sicherlich nicht verzichten."



Quelle: Handelsblatt.com



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