Die Deutsche Börse plant einen radikalen Umbau der Aktienmarktsegmente. Bis spätestens Ende 2003 sollen Neuer Markt und Smax aufgelöst werden. Die Meinungen der Händler gehen weit auseinander.
In Zukunft werde es ein mit hohen Zugangsvoraussetzungen ausgestattetes Segment "Prime Standard" und ein Einstiegssegment mit dem Namen "Domestic Standard" geben, teilte die Börse am Donnerstag mit. Mit der Neuregelung werde man für den "Prime Standard" die höchsten Transparenzanforderungen in Europa einführen und so die Positionierung der Firmen bei internationalen Investoren erleichtern, hieß es zur Erklärung.
Volker Potthoff, im Vorstand der Deutschen Börse für den Kassamarkt verantwortlich, sagte: "Wir wollen unsere Märkte zukünftig konsequent nach den Bedürfnissen der Investoren organisieren."
Innerhalb des "Prime Standards" wird es die Indizes Dax, MDax und ein Börsenbarometer für Technologieaktien geben. Letzteres werde voraussichtlich ähnlich viele Unternehmen enthalten wie der Auswahlindex des Neuen Marktes, Nemax50. Über den Namen dafür sei noch nicht entschieden, hieß es. Den Neuen Markt, wie man ihn heute als privatrechtlich organisiertes Segment kennt, wird es nicht mehr geben.
Zielgruppe des "Domestic Standard" sollen Emittenten mit eher nationaler Ausrichtung sein, während "Prime Standard" den Emittenten den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt eröffnen soll.
Die Zulassungsvoraussetzungen für "Prime Standard" werden Quartalsberichterstattung, internationale Rechnungslegungsstandards, die Durchführung einer jährlichen Analystenkonferenz und Berichterstattung in englischer Sprache sein. Die Neuordnung muss als nächstes vom Börsenrat genehmigt werden.
Aktienhändler haben sehr unterschiedlich auf die Entscheidung der Deutschen Börse reagiert. "Das ist das Beste was dem deutschen Kapitalmarkt passieren kann", sagte Händler Wolfgang Kuhl von der SEB Bank. Zahlreiche Händler hatten schon länger das Ende des Neuen Marktes gefordert. Vor allem als sich Privatanleger nach den Skandalgeschichten um EM.TV und Comroad immer weniger im Neuen Markt engagiert hatten. Nach Ansicht eines Händlers einer Frankfurter Großbank hat der Neue Markt zuletzt seine wichtigste Aufgabe nicht mehr erfüllt, weil er weder von professioneller noch von privater Seite angenommen wurde.
Andere Händler sehen in der Entscheidung der Deutschen Börse hingegen eine Mogelpackung. "Mit der Neuordnung wird versucht, das ramponierte Image des Neuen Marktes neu zu beleben", sagte Aktienhändler Norbert Empting vom Börsenmakler Schnigge. Ein Chef-Aktienhändler, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Das ist wie immer bei der Deutschen Börse: eine vielversprechende Ankündigung, aber letztendlich wird sich nicht viel ändern." Es handele sich nur um eine neue Verpackung, ohne die tatsächlichen Probleme zu lösen.
Der Neue Markt war vor fünf Jahren als Handelssegment für Wachstumsunternehmen gegründet worden. Zu Boomzeiten der "New Economy" lag der Nemax 50 im März 2000 bei 9665 Punkten. Am Donnerstag notierte er lediglich 349 Stellen. Damit hat er mehr als 95 Prozent seines Wertes verloren. Zuletzt hatten diverse Skandale unter anderem um gefälschte Bilanzen den Bedeutungsverfall des Segmentes beschleunigt.