Ausgeklüngelt und zurückgetreten

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ribald:

Ausgeklüngelt und zurückgetreten

 
05.03.02 16:59
SPIEGEL ONLINE - 05. März 2002, 12:53
URL: www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,185584,00.html

SPD-Spendenaffäre

Ausgeklüngelt und zurückgetreten

Ein mutmaßlicher Spendenskandal um den Bau einer Müllverbrennungsanlage erschüttert die nordrhein-westfälischen Genossen: Mindestens 174.000 illegale Euro sollen auf die Konten der Kölner SPD geflossen sein. Der Fraktionschef im Kölner Stadtrat, Norbert Rüther, ist bereits von allen Ämtern zurückgetreten.

Köln - Zumindest auf eines legen die Anwälte von Norbert Rüther wert: Nein, persönlich bereichert habe sich der SPD-Politiker nicht. Dafür soll Spitzengenosse Rüther aber jahrelang fleißig illegale Spendengelder innerhalb der Partei verteilt haben. Umgerechnet mindestens 174.000 Euro habe der 51-Jährige aus bisher unbekannten Quellen erhalten, heißt es aus der Partei. Rüthers erste Konsequenzen scheinen die Vorwürfe nur zu stützen: Bis gestern war er Fraktionschef im Kölner Stadtrat, Landtagsabgeordneter und Mitglied im nordrhein-westfälischen SPD-Präsidium - jetzt hat er alle Ämter niedergelegt und ist sogar aus der Partei ausgetreten.

Martin Börschel, der seit einem Jahr Schatzmeister der Kölner SPD ist, versucht den Spenden-Klüngel zu erklären: Die Geldsumme habe Rüther zwischen 1994 und 1999 erhalten, gemeinsam mit dem damaligen Schatzmeister Manfred Biciste aufgeteilt und über 38 Parteimitglieder in Teilbeträgen von weniger als 20.000 Mark an die Partei weitergeleitet. Die Quittungen dafür seien dann den Strohmännern ausgestellt worden, und diese konnten die angeblichen Spenden sogar von der Steuer absetzen.

Noch ist unklar, wie viele Personen in die Vorkommnisse verwickelt sind. Nach Angaben der Landespartei bestätigte Biciste aber, dass er von Rüther Spendengelder erhalten habe, "die widerrechtlich gesplittet wurden und über die Spendenquittungen ausgestellt wurden".

Grünen-Politiker Ströbele entdeckt "klar strafrechtliche Kategorie"

Während der SPD-Landesvorsitzende Harald Schartau erwartungsgemäß rückhaltslose Aufklärung und "gnadenlose Konsequenzen" ankündigt und nachdem die SPD Selbstanzeige bei der Oberfinanzdirektion erstattet hat, ermitteln mittlerweile auch die Kölner Staatsanwaltschaft, die Innenrevision der Bundespartei und das Büro des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse.

Thierse werde vermutlich ein mehrfaches der 174.000 Euro von der Partei zurückfordern, fürchtet der Generalsekretär der Landes-SPD, Michael Groschek. "Wir werden mindestens 350.000 Euro zahlen müssen", rechnete SPD-Bundesschatzmeisterin Inge-Wettig-Danielmeier schon einmal vor. Börschel sprach von einer Katastrophe angesichts der gespannten Finanzlage der SPD in der Domstadt. Und neben dem Etat leidet auch das Image: Der junge Kölner Partei-Vorsitzende Ott, der im vergangenen Jahr gewählt worden war, um mit dem sozialdemokratischen Klüngel in der Domstadt aufzuräumen, sprach von einem "schwarzen Tag" für seine Partei.

Bei der CDU in Berlin wurde die Vorlage aus Westfalen dankend aufgenommen. Andreas Schmidt, CDU/CSU-Obmann im Spenden-Untersuchungsauschuss des Bundestages, warf der SPD Scheinheiligkeit in "einer beispiellosen Hetzkampagne" gegen die Christdemokraten vor: "Jetzt ist im Landesverband Münteferings in Verbindung mit einer Schmiergeldaffäre ein ausgeklügeltes, illegales Parteispendensystem der SPD-NRW aufgeflogen". Schmidt forderte Wolfgang Thierse auf, "an seine Partei die gleiche Messlatte anzulegen wie an die CDU und unverzüglich alle nach dem Parteiengesetz zulässigen Sanktionen gegen die SPD zu verhängen."

Für Hans-Christian Ströbele, der als Obmann der Grünen im Untersuchungsauschuss sitzt, geht es bei den mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten um die Müllverbrennungsanlage sogar um eine "klar strafrechtliche Kategorie", die die Tatbestände der Vorteilsnahme und Untreue erfüllen könnte. Der Ausschuss in Berlin könne sich in dieser Wahlperiode aber nicht mehr mit den Vorfällen in Köln befassen, da die Beweisaufnahme bereits abgeschlossen sei, sagte Ströbeles gegenüber der "Berliner Morgenpost".

Die Spenden stehen offenbar in Zusammenhang mit dem Bau der Müllverbrennungsanlage MVA in Köln. Rüther, der am Rhein als einflussreicher politischer Strippenzieher gilt, schweigt zwar bisher zur Herkunft der Summe. Laut seinen Anwälten will er aber bei der Staatsanwaltschaft Köln zur Spendenpraxis aussagen und sich außerdem "zum Komplex Müllverbrennungsanlage Köln" äußern.


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