22.11.01 10:23
Consors: Die Rache der „bel étage“
Lassen die Großbanken den Nürnberger Direkt-Broker fallen, weil er eine zu große Konkurrenz für die eigenen Töchter darstellt?
1994 zog Karl Matthäus Schmidt aus, um mit einem Discount-Broker die etablierte Bankenwelt zu ärgern. Die Anzeichen verdichten sich, dass die Geärgerten nun zurück schlagen – und dabei wenig Gnade walten lassen.
High-Noon im beschaulichen Hof im Freistaat Bayern. Spätestens mit dem Niedergang der Mutter Schmidt-Bank beginnt für den Direkt-Broker Consors der Leidensweg. Darbten die Nürnberger schon vorher an der schlappen Börse, scheinen die Auffanggesellschafter wenig Interesse an der Rettung der SchmidtBank und der Weiterführung von Consors zu haben.
Deutsche Bank, HypoVereinsbank, Commerzbank, Allianz-Tochter Dresdner Bank und die Bayerische Landesbank aus der Sparkassen-Gruppe sind zu jeweils 20 Prozent an der Auffanggesellschaft der SchmidtBank beteiligt und darüber Mehrheitsaktionär bei den Nürnbergern. Was Anfangs in der Öffentlichkeit als „Rettung“ des Brokers angesehen wurde, entpuppt sich mehr und mehr als Trugschluss. Ganz im Gegenteil scheinen die „Retter“ die Nürnberger sang- und klanglos untergehen zu lassen.
Trotz hochkochender Spekulationen um mögliche Aufkäufer scheint bei dem Auffangkonsortium nicht gerade der Arbeitsschweiß bezüglich Consors auf der Stirn zu stehen. Warum auch? 566.000 Kunden haben die Nürnberger unter Betreuung. Consors ist ein starker Konkurrent der Direkt-Töchter der Banken, die die SchmidtBank eigentlich auffangen sollten. Egal ob Commerzbank-Tochter Comdirect oder Deutsche-Bank-Tochter Maxblue: Man beginnt, um das Erbe von Consors zu werben. Die Kunden werden in aggressiven Werbekampagnen zum Wechsel bewogen – und das, bevor die Herz-Lungen-Maschine für den Patienten abgestellt wurde. Ähnliche Aktivitäten dürfen auch von der DAB bank oder dem Sparkassen eigenen S-Broker erwartet werden.
Warum sollte man ihn auch am Leben erhalten? Eine komplette Übernahme des Brokers wäre mit Millionen-Investitionen verbunden. Gelder, welche die ebenfalls tief in Restrukturierungen steckenden Großbanken wohl kaum aufbringen möchten, solange die eigenen Töchter noch massenhaft Kapazitäten frei haben. Da ist es interessanter, die Kunden von Consors zu den eigenen Direkt-Banken zu locken.
Der in letzter Zeit von Analysten ins Gespräch gebrachte Verkauf an E-Trade erscheint ebenfalls eher unwahrscheinlich. Die Amerikaner sind jüngst in Deutschland gestartet – mit wenig Brimborium und einem kleinen Werbeetat. Man sei offen für Akquisitionen bei sich ergebenden Gelegenheiten; ob Consors eine darstellt, ist allerdings mehr als zweifelhaft.
E-Trade stellt eine Option dar, die w:o-Lesern bereits bekannt sein dürfte. Vor einiger Zeit haben wir den US-Broker als Consors-Interessent bereits genannt: Zu einem Zeitpunkt, als die SchmidtBank noch über die Zukunft der Tochter entscheiden konnte. Dies ist nun endgültig vorbei; damit ist auch die Möglichkeit von E-Trade, an Consors zu gelangen, extrem klein geworden. Zu groß ist das Interesse der neuen Mehrheitsaktionäre von Consors, keine zusätzliche Konkurrenz im ohnehin hart umkämpften Markt für Direkt-Broker aufkommen zu lassen. Will E-Trade Consors kaufen, muss man wohl sehr tief in die Tasche greifen. Da E-Trade wohl kaum einen finanziellen „Selbstmord“ in Deutschland begehen will, dürfte auch diese Option zu Grabe getragen werden.
Bleibt die Filettierung des Brokers, die wir bereits mehrfach angesprochen haben – und die nun immer wahrscheinlicher wird. Nur wenige der Konsortialmitglieder dürften sich dagegen wehren, den Nürnbergern ohne viel Aufwand die Kunden abspenstig zumachen. Eine Hoffnung bleibt für die Aktionäre mit dem Einfluss der bayerischen Politik über die Bayerische Landesbank, doch dürfte diese auf Grund der Mehrheitsverhältnisse im Auffangkonsortium eher begrenzt sein. Die Mehrheitsverhältnisse dürften auch verhindern, dass sich eines der Konsortialmitglieder wesentliche Teile von Consors einverleibt – am Veto der Konkurrenten. Auch, wenn es fast undenkbar erscheint: Aktionäre dürfen nicht überrascht sein, wenn die Tage der Nürnberger gezählt sind.
Autor: Michael Barck, 10:23 22.11.01
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