Einen Tag nach der für die globalen Finanzmärkte wohl wichtigsten Fed-Sitzung des Jahres ist die Ernüchterung an den Aktienmärkten groß: Die US-Notenbank hat die Zinsen nicht gesenkt. Das war zwar gemeinhin erwartet worden, wahrhaben wollte es aber keiner; zumal das nach der Sitzung veröffentlichte Statement der Fed unmissverständlich auf die Risiken der sich abkühlenden Konjunktur abstellte. In einer ersten Reaktion malten einige Kommentatoren sogleich schaurige Rezessionsbilder der amerikanischen Wirtschaft, die ihrer Ansicht nach einen sofortigen Zinsschritt erfordert hätten. Das wäre jedoch genau das falsche Signal für die Finanzmärkte gewesen.
Im Herbst 1998 war Alan Greenspan schon einmal in die Bresche gesprungen, um über Zinssenkungen die damals drohende Weltwirtschaftskrise abzuwenden. Wie sich heute zeigt, hat sich der Fed-Chef damals wohl einen Bärendienst erwiesen, weil er den Konjunkturzyklus auf diesem Weg künstlich verlängerte. Das wäre vielleicht nicht so schlimm gewesen, wenn sich nicht zeitgleich auch noch das Ursachen-Wirkungen-Geflecht verkehrt hätte. Denn nicht nur die US-Wirtschaft ist ein Jahrzehnt lang in atemberaubendem Tempo gewachsen, sondern auch an den Aktienmärkten tobten fast fünf Jahre lang die Bullen. Die immer schneller und höher steigenden Kurse waren zuletzt ausschlaggebend für die nicht kleinzukriegende heimische Nachfrage, die den Wachstumspfad immer steiler werden ließ.
Die Inflation - gemessen an den Verbraucher- und Produzentenpreisen - konnte zwar im Griff gehalten werden, übersehen wurde dabei allerdings die inflatorische Blasenbildung an den Finanzmärkten - vor allem an den Aktienmärkten. Die Unternehmen schlüpften in die Rolle der Notenbank und warfen die Geldpresse über die Ausgabe neuer Aktien an.
Die Warnungen von Fed-Chef Alan Greenspan, der schon Ende 1996 voller Argwohn auf die sich aufplusternde Asset Bubble zeigte, schlugen die Investoren in den Wind. Zu schön war der Traum vom immer währenden Wachstum, als dass man länger als ein paar Tage nachdenklich geworden wäre. Zur Erinnerung: Damals notierte der Dow bei etwa 6000 Punkten und die Nasdaq bei 1400 Punkten. Erst als Greenspan mit fortgesetzten Zinserhöhungen die Landung der Konjunktur erzwingen wollte und im Herbst dieses Jahres die erste Welle an Gewinnwarnungen den Markt überrollte, wachten die Anleger langsam aus ihren Träumen auf.
Daher ist es auch zu begrüßen, dass Greenspan die Rufe nach Aktionismus geflissentlich überhört hat und damit der Gefahr eines neuerlichen Freudentaumels an der Börse entgegentrat. Nur so kann die noch verbliebene Luft aus der Blase entweichen, nur so wird jegliche Euphorie im Keim erstickt. Das mag im Einzelfall schmerzlich sein, für die Finanzmärkte insgesamt ist es heilsam. Greenspan hat seine Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Er weiß, dass er auf einem schmalen Grat wandelt - die harte Landung auf der einen Seite und ein überschwänglicher Aktienmarkt auf der anderen. Am Dienstag hat er klar gemacht, dass er unter allen Umständen die harte Landung vermeiden hilft, wohl schon im Januar mit der ersten Zinssenkung. Zuvor aber wollte er wohl sicher gehen, dass es sich an den US-Börsen "ausgebubbled" hat.