WASHINGTON (dpa-AFX) - Die politischen Aufseher des internationalen Währungsfonds (IWF) haben am Wochenende Gelegenheit, die Scherben der Argentinien-Politik des IWF zu begutachten. Die schwere Finanzkrise des einst reichsten Landes Lateinamerikas steht ganz oben auf der Tagesordnung der Frühjahrstagung der Finanzminister und Notenbankpräsidenten der 183 Mitgliedsländer. Nach Meinung vieler Beobachter hat der Fonds in der Bewältigung der Krise alles andere als erfolgreich gehandelt.
Die deutlichste Kritik kommt von einem, der es wirklich wissen müsste: "Absurd" nannte Michael Mussa, bis Sommer vergangenen Jahres Chefökonom der Institution, den IWF-Kredit für Argentinien im August vergangenen Jahres. "Das Spiel war gelaufen. Nur ein Trottel würde das anders beurteilen", schrieb Mussa gerade in einer vernichtenden Analyse. Der Fonds habe die Risiken der argentinischen Schulden "einfach ignoriert und unter den Teppich gekehrt".
WENIG ZEIT FÜR FEHLERANALYSE
Angesichts der akuten Krise in Argentinien ist jetzt wenig Zeit für Fehleranalysen. Argentinien hat Auslandsschulden von mehr als 140 Milliarden Dollar (159 Mrd. Euro) angehäuft. Die Minister müssen sich auf die unmittelbare Marschrichtung verständigen. Der IWF ist zwar grundsätzlich zu neuen Krediten bereit, fordert von Buenos Aires aber ein fundiertes Wirtschaftsprogramm mit glaubhafter Schuldensenkung.
Doch die bisherigen Vorschläge aus Buenos Aires haben die meisten Ökonomen wenig beeindruckt. Der Zweifel wächst, ob Präsident Eduardo Duhalde und seine Regierung den Willen und die Möglichkeit haben, ein schmerzhaftes Sparprogramm durchzusetzen. Die Minister müssen entscheiden, ob der IWF von seiner Forderung abrücken und neue Kredite auch ohne überzeugendes Programm bewilligen oder Argentinien noch tiefer in die Krise sinken lassen soll. Schnelle Hilfe ist bislang nicht in Sicht.
US-REGIERUNG WILL HART BLEIBEN
Die US-Regierung, die schon den Kredit im vergangenen Sommer nur nach langem Widerstand passieren ließ, will hart bleiben. Weil die USA mit 25 Prozent Geld- und Stimmanteil im IWF praktisch die Strippen ziehen, hängt das Wohl und Wehe neuer Kredite vom Signal Washingtons ab. "Es fließt kein Geld, bis die Löcher im Eimer gestopft sind", drohte Finanzminister Paul O'Neill an.
Auch der IWF zeigt sich bislang hart. "Wir werden mit Sicherheit kein Geld dorthin ausleihen, wo es einfach versickert", sagt die stellvertretende IWF-Direktorin Anne Krueger. Die argentinische Regierung braucht nach eigenen Angaben mindestens 20 Mrd. USD, um eine "tickenden Zeitbombe" zu entschärfen, wie Wirtschaftsminister Jorge Remes Lenicov sagte.
'ARGENTINISCHE REGIERUNG BEI STEUERANGELEGENHEITEN WIE EIN ALKOHOLIKER'
Wenn es nach Mussa ginge, bekäme Buenos Aires höchstens ein Viertel davon. "Die argentinische Regierung ist bei der Verwaltung ihrer Steuerangelegenheiten wie ein Alkoholiker - wenn sie einmal von dem politischen Nektar der Defizitausgaben nippt, macht sie weiter und weiter bis sie das wirtschaftliche Äquivalent der völligen Trunkenheit erreicht," schrieb Mussa, inzwischen Vordenker beim Institute for International Economics.
Im jüngsten Weltwirtschaftsbericht macht auch der IWF deutlich, wo er die Ursachen für die ständig wiederkehrenden Finanzkrisen in Lateinamerika sieht: in mangelnder Ausgabendisziplin der Regierungen und unzulänglichen Steuersystemen. Dort müsse grundsätzlich angesetzt werden, um den Teufelskreis von niedrigen Staatseinnahmen, Armut, geringer Sparrate, schwachen heimischen Finanzmärkten und hoher Auslandsverschuldung zu durchbrechen.
VERHANDLUNGEN ZWISCHEN IWF UND ARGENTINIEN GEHEN WEITER
Unterdessen gehen die Verhandlungen zwischen dem IWF und Argentinien weiter. "Wir arbeiten beide hart, um einen Weg aus der Krise zu finden", sagte IWF-Direktor Horst Köhler unlängst. "Aber eins ist klar: es gibt keine schnelle Lösung in dieser sehr komplexen Situation."/oe/DP/js
+++Von Christiane Oelrich, dpa+++
Quelle: wiwo.de / dpa-AFX
Die deutlichste Kritik kommt von einem, der es wirklich wissen müsste: "Absurd" nannte Michael Mussa, bis Sommer vergangenen Jahres Chefökonom der Institution, den IWF-Kredit für Argentinien im August vergangenen Jahres. "Das Spiel war gelaufen. Nur ein Trottel würde das anders beurteilen", schrieb Mussa gerade in einer vernichtenden Analyse. Der Fonds habe die Risiken der argentinischen Schulden "einfach ignoriert und unter den Teppich gekehrt".
WENIG ZEIT FÜR FEHLERANALYSE
Angesichts der akuten Krise in Argentinien ist jetzt wenig Zeit für Fehleranalysen. Argentinien hat Auslandsschulden von mehr als 140 Milliarden Dollar (159 Mrd. Euro) angehäuft. Die Minister müssen sich auf die unmittelbare Marschrichtung verständigen. Der IWF ist zwar grundsätzlich zu neuen Krediten bereit, fordert von Buenos Aires aber ein fundiertes Wirtschaftsprogramm mit glaubhafter Schuldensenkung.
Doch die bisherigen Vorschläge aus Buenos Aires haben die meisten Ökonomen wenig beeindruckt. Der Zweifel wächst, ob Präsident Eduardo Duhalde und seine Regierung den Willen und die Möglichkeit haben, ein schmerzhaftes Sparprogramm durchzusetzen. Die Minister müssen entscheiden, ob der IWF von seiner Forderung abrücken und neue Kredite auch ohne überzeugendes Programm bewilligen oder Argentinien noch tiefer in die Krise sinken lassen soll. Schnelle Hilfe ist bislang nicht in Sicht.
US-REGIERUNG WILL HART BLEIBEN
Die US-Regierung, die schon den Kredit im vergangenen Sommer nur nach langem Widerstand passieren ließ, will hart bleiben. Weil die USA mit 25 Prozent Geld- und Stimmanteil im IWF praktisch die Strippen ziehen, hängt das Wohl und Wehe neuer Kredite vom Signal Washingtons ab. "Es fließt kein Geld, bis die Löcher im Eimer gestopft sind", drohte Finanzminister Paul O'Neill an.
Auch der IWF zeigt sich bislang hart. "Wir werden mit Sicherheit kein Geld dorthin ausleihen, wo es einfach versickert", sagt die stellvertretende IWF-Direktorin Anne Krueger. Die argentinische Regierung braucht nach eigenen Angaben mindestens 20 Mrd. USD, um eine "tickenden Zeitbombe" zu entschärfen, wie Wirtschaftsminister Jorge Remes Lenicov sagte.
'ARGENTINISCHE REGIERUNG BEI STEUERANGELEGENHEITEN WIE EIN ALKOHOLIKER'
Wenn es nach Mussa ginge, bekäme Buenos Aires höchstens ein Viertel davon. "Die argentinische Regierung ist bei der Verwaltung ihrer Steuerangelegenheiten wie ein Alkoholiker - wenn sie einmal von dem politischen Nektar der Defizitausgaben nippt, macht sie weiter und weiter bis sie das wirtschaftliche Äquivalent der völligen Trunkenheit erreicht," schrieb Mussa, inzwischen Vordenker beim Institute for International Economics.
Im jüngsten Weltwirtschaftsbericht macht auch der IWF deutlich, wo er die Ursachen für die ständig wiederkehrenden Finanzkrisen in Lateinamerika sieht: in mangelnder Ausgabendisziplin der Regierungen und unzulänglichen Steuersystemen. Dort müsse grundsätzlich angesetzt werden, um den Teufelskreis von niedrigen Staatseinnahmen, Armut, geringer Sparrate, schwachen heimischen Finanzmärkten und hoher Auslandsverschuldung zu durchbrechen.
VERHANDLUNGEN ZWISCHEN IWF UND ARGENTINIEN GEHEN WEITER
Unterdessen gehen die Verhandlungen zwischen dem IWF und Argentinien weiter. "Wir arbeiten beide hart, um einen Weg aus der Krise zu finden", sagte IWF-Direktor Horst Köhler unlängst. "Aber eins ist klar: es gibt keine schnelle Lösung in dieser sehr komplexen Situation."/oe/DP/js
+++Von Christiane Oelrich, dpa+++
Quelle: wiwo.de / dpa-AFX