Wie Kraftmeier kündigen Konzernchefs wie Deutsche-Bank-Sprecher Rolf Breuer Personalabbau an, sie wollen damit Stärke beweisen. Doch das nimmt ihnen nicht einmal mehr die Börse ab.
Zum 125. Firmenjubiläum belohnt Henkel seine Kunden mit einem netten Geschenk: Persil gibt es jetzt als Treuepaket mit roter Schleife und 15 Prozent mehr Inhalt.
Für die Mitarbeiter hatte der Waschmittelriese in der vergangenen Woche ebenfalls eine Überraschung parat: Der Konzern präsentierte ein Restrukturierungsprogramm mit Standortschließungen - und gleichsam fünf Prozent weniger Inhalt.
Bis zu 3000 der weltweit 60 400 Stellen werden gestrichen, ließ Henkel-Chef Ulrich Lehner mitteilen. Nur so könne er "die starke Position der Henkel-Gruppe langfristig sichern". Keine Frage, für "Unser Bestes" gibt der Mann alles.
Beinahe täglich verkünden Manager mit dramatisch klingenden Zahlen, in welch großem Umfang sie Personal abbauen wollen. Sie tun dies zuweilen so kraftmeierisch, als wären es Erfolgsmeldungen: Infineon minus 5000 Stellen, HypoVereinsbank minus 9000, Siemens minus 17 000 - warum eigentlich nicht 16 652 oder 17 104? Tausenderzahlen sind eben eingängig und erzielen die gewünschte Wirkung. Die Story darf nicht lauten: "Sorry, wir haben mit unserer Personalplanung daneben gelegen", sondern: "Seht her, wir tun was."
Die Botschaft kommt an. "Commerzbank-Chef greift durch", schreiben dann die Zeitungen, wenn Klaus-Peter Müller den Verlust von 3400 Arbeitsplätzen mitteilt und zum Beweis seiner Entschlossenheit Sätze formuliert wie: "Die Maßnahmen sind naturgemäß unpopulär, dulden aber keinen Aufschub."
Stolz lässt Deutsche-Bank-Finanzvorstand Clemens Börsig die Investoren im Quartalsbericht wissen, dass sein Haus beim Abbau von 7100 Stellen "über dem Zeitplan" liege: "Wir haben Mitarbeiter schneller freigesetzt als geplant."
Ankündigungen wie Resultate gefeiert
Auch Dresdner-Bank-Chef Bernd Fahrholz blickt kraftvoll nach vorn, wenn er den Verlust von 5500 Jobs begründet: "Die Maßnahmen sind unumgänglich, um die Ertragskraft und Zukunftsfähigkeit der Dresdner Bank zu stärken."
Und August Fischer, Noch-Chef des Verlagshauses Springer, versichert streng, bei der Streichung von 1400 Stellen seien "alle Bereiche des Unternehmens" betroffen.
Sind solche Zahlen erst mal in der Welt, werden sie bereits gefeiert wie Resultate. Da ist fast vergessen, dass die Konzernführer kürzlich noch das Hohelied auf den Mitarbeiter als wichtigstes Kapital angestimmt haben. Jetzt sind die Zeiten anders, jetzt regiert nicht die Politik der ruhigen, sondern der starken Hand. "Es gibt keine Tabus mehr", drohte Siemens-Chef Heinrich von Pierer, als er im Sommer weiteren Stellenabbau ankündigte.
Solche Sprüche sollen Handlungsfähigkeit demonstrieren, die Manager erreichen damit aber nur eines: Sie verunsichern die gesamte Belegschaft, das Betriebsklima wird frostig, jeder fragt sich: Trifft es mich als Nächstes? Und mancher verabschiedet sich in die innere Emigration.
Lästiger Streit mit dem Betriebsrat
Dabei könnten die Mitarbeiter eigentlich relativ entspannt sein. Denn bei genauer Betrachtung verlieren die vermeintlichen Horrorzahlen einiges von ihrem Schrecken, sie wirken eher wie ein Bluff.
Bauen Firmen Personal ab, bedeutet dies keinesfalls, dass auf einen Schlag Tausende auf der Straße stehen. Tatsächlich erstreckt sich der Zeitraum, auf den sich die jüngsten Ankündigungen beziehen, weit in die Zukunft - bis 2003 oder gar 2004.
Im seltensten Fall sprechen die Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen aus - das führt nur zu lästigem Streit mit dem Betriebsrat. Zunächst versuchen sie die weiche Tour: Sie bieten Teilzeitarbeit, Vorruhestand oder Aufhebungsverträge gegen Abfindung. Oft genügt es sogar schon, die natürliche Fluktuation auszunutzen.
Wenn sich zum Beispiel die Deutsche Bank bis 2003 von 7100 Mitarbeitern trennen will, dann sind das gerade 7,2 Prozent ihrer Gesamtbelegschaft von 98 000. Die Prozentzahl entspricht in etwa dem Mitarbeiterschwund, den das Haus ohnehin jedes Jahr erlebt. Auch die scheinbar gigantischen Sparpotenziale, die mit Personalabbau zu erzielen seien, sind bei näherem Hinsehen gar nicht so beachtlich, im Gegenteil: Vorruhestand oder Abfindungen kosten erst einmal eine Menge Geld.
Effizientere Spar-Konzepte
Die Dresdner Bank muss 1,37 Milliarden Mark aufbringen, um 5500 Stellen bis Ende 2003 abzubauen: rund 250 000 Mark pro Kopf. Bis also die Spareffekte überhaupt Wirkung entfalten, könnte sich die Konjunktur schon so weit erholt haben, dass die Bank wieder Mitarbeiter einstellt und sich damit neue Kosten auflädt - am Ende womöglich ein Nullsummenspiel.
Dabei ließe sich tatsächlich einiges an Kosten sparen, wenn sich die Spitzenmanager die Mühe machten, viele kleine Hebel in Bewegung zu setzen. Wenn sie etwa Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter ernst nähmen: 2,1 Milliarden Mark haben laut einer Studie 441 befragte Firmen auf diese Weise sparen können. Oder wenn sie selbst mit gutem Beispiel vorangingen wie der Lufthansa-Vorstand, der auf zehn Prozent seiner Bezüge verzichtet. Doch es ist ja unendlich viel einfacher und effektvoller, vierstellige Zahlen zu präsentieren.
Die Börse jedenfalls lässt sich davon nicht mehr so leicht beeindrucken. Die simple Gleichung "weniger Personal, niedrigere Kosten, mehr Gewinn" zieht nicht mehr. Als die Commerzbank ihren geplanten Stellenabbau bekannt gab, wurde das Unternehmen prompt bestraft und zum Tagesverlierer im Dax: minus 6,6 Prozent.
Quelle: Spiegel