Aus der FTD vom 23.9.2002
Das Kapital: Anschnallen für die Winterrally
Durchatmen. Die nächsten Wochen könnten noch happig werden. Das Risiko ist groß, dass die US-Märkte ihre Juli-Tiefs testen, wenn nicht gehörig unterschreiten. Erfahrungsgemäß ist neben dem September auch der Oktober geradezu prädestiniert für Börsenstürme.
Was das für den Dax bedeutete, will man lieber nicht quantifizieren - schon gar nicht nach dem hauchdünnen Wahlausgang. Dass die Dividendenrendite in Europa mittlerweile über den Geldmarktzinsen liegt, ist nur ein kleiner Trost. Der alte Kontinent wird bekanntlich zurzeit mit Bezugsrechten überschwemmt. HSBC schätzt, dass sie 2002 knapp zwei Prozent der Marktkapitalisierung absorbieren könnten.
Und während die europäischen Börsen nunmehr bezahlbar sind, ist das für die US-Märkte nicht gesagt - auch wenn die meisten Strategen das behaupten und nun sogar wieder auf die Schwergewichte setzen. Wer sich den Spaß macht, einen Blick auf die Umsatzbewertung der 20 größten US-Aktien zu werfen, kann da nur schmunzeln.
Aber jedes Risiko birgt auch Chancen. Die Wahrscheinlichkeit für eine stramme Winterrally ist gar nicht schlecht. Es gibt gleich mehrere Faktoren, die dafür sprechen. Erstens setzen die purzelnden langfristigen Zinsen enorme Mittel frei. So nutzen die US-Haushalte die steigenden Häuserpreise, um ihre Immobilien noch höher zu beleihen - zu besseren Konditionen. Die zusätzlichen Kredite werden teilweise auf 250 bis 300 Mrd. $ geschätzt, nach 150 Mrd. $ im Vorjahr.
Typischerweise fließt mehr als die Hälfte davon in den Konsum. Und das Gros der Refinanzierung wird für das dritte Quartal erwartet. Morgan Stanley meint zwar, dass die Banken jetzt eher 90 als 30 Tage brauchen, bis die Gelder ausgezahlt werden. Trotzdem ist der Konsum bereits angesprungen, wie auch die wöchentlichen Einzelhandelszahlen zeigen.
Der zweite wichtige Faktor ist die Bank von Japan (BoJ). Natürlich zeugt der Schritt, den taumelnden Banken Aktien abzukaufen, von Verzweiflung. Auch ist es richtig, dass damit das Problem der notleidenden Kredite und die generelle strukturelle Schwäche Japans nicht beseitigt werden. Auf ein Gesamtpaket gegen die Deflation wartet man vergebens.
Immerhin verspricht die Rhetorik der BoJ neues Geld - trotz der gescheiterten Auktion von Staatsanleihen. Die Notenbank will so viel Liquidität bereitstellen, wie es auch immer notwendig ist. Das deutet darauf hin, dass sie die Aktienkäufe nicht sterilisieren will, das heißt, durch gegenläufige Geschäfte wieder einsammelt. Wenn dem so ist - und jede Yen-Schwäche wäre ein guter Indikator dafür - erinnerte das stark an die Zeit vom September 2001 bis April 2002, als die japanische monetäre Basis um 26 Prozent gestiegen ist. An die damaligen Aktien-Charts wird sich jeder liebend gerne erinnern wollen.
Drittens, ganz banal: Aktien nähern sich schon jetzt überverkauftem Terrain, vor allem in Europa. Und vielleicht hilft die EZB nach den deutschen Wahlen ja endlich nach.
Die Schwierigkeit liegt natürlich in der zeitlichen Abstimmung, und durch die geopolitischen Risiken (Öl) wird sie noch erschwert. Aber dieses Spiel wird beherrschen lernen müssen, wer sich in den nächsten Jahren an der Börse engagiert. Denn die letzten Blasen sind noch längst nicht geplatzt. Als nächste sind die Immobilien-, Schulden- und Konsumblasen in den USA an der Reihe.
Das Kapital: Anschnallen für die Winterrally
Durchatmen. Die nächsten Wochen könnten noch happig werden. Das Risiko ist groß, dass die US-Märkte ihre Juli-Tiefs testen, wenn nicht gehörig unterschreiten. Erfahrungsgemäß ist neben dem September auch der Oktober geradezu prädestiniert für Börsenstürme.
Was das für den Dax bedeutete, will man lieber nicht quantifizieren - schon gar nicht nach dem hauchdünnen Wahlausgang. Dass die Dividendenrendite in Europa mittlerweile über den Geldmarktzinsen liegt, ist nur ein kleiner Trost. Der alte Kontinent wird bekanntlich zurzeit mit Bezugsrechten überschwemmt. HSBC schätzt, dass sie 2002 knapp zwei Prozent der Marktkapitalisierung absorbieren könnten.
Und während die europäischen Börsen nunmehr bezahlbar sind, ist das für die US-Märkte nicht gesagt - auch wenn die meisten Strategen das behaupten und nun sogar wieder auf die Schwergewichte setzen. Wer sich den Spaß macht, einen Blick auf die Umsatzbewertung der 20 größten US-Aktien zu werfen, kann da nur schmunzeln.
Aber jedes Risiko birgt auch Chancen. Die Wahrscheinlichkeit für eine stramme Winterrally ist gar nicht schlecht. Es gibt gleich mehrere Faktoren, die dafür sprechen. Erstens setzen die purzelnden langfristigen Zinsen enorme Mittel frei. So nutzen die US-Haushalte die steigenden Häuserpreise, um ihre Immobilien noch höher zu beleihen - zu besseren Konditionen. Die zusätzlichen Kredite werden teilweise auf 250 bis 300 Mrd. $ geschätzt, nach 150 Mrd. $ im Vorjahr.
Typischerweise fließt mehr als die Hälfte davon in den Konsum. Und das Gros der Refinanzierung wird für das dritte Quartal erwartet. Morgan Stanley meint zwar, dass die Banken jetzt eher 90 als 30 Tage brauchen, bis die Gelder ausgezahlt werden. Trotzdem ist der Konsum bereits angesprungen, wie auch die wöchentlichen Einzelhandelszahlen zeigen.
Der zweite wichtige Faktor ist die Bank von Japan (BoJ). Natürlich zeugt der Schritt, den taumelnden Banken Aktien abzukaufen, von Verzweiflung. Auch ist es richtig, dass damit das Problem der notleidenden Kredite und die generelle strukturelle Schwäche Japans nicht beseitigt werden. Auf ein Gesamtpaket gegen die Deflation wartet man vergebens.
Immerhin verspricht die Rhetorik der BoJ neues Geld - trotz der gescheiterten Auktion von Staatsanleihen. Die Notenbank will so viel Liquidität bereitstellen, wie es auch immer notwendig ist. Das deutet darauf hin, dass sie die Aktienkäufe nicht sterilisieren will, das heißt, durch gegenläufige Geschäfte wieder einsammelt. Wenn dem so ist - und jede Yen-Schwäche wäre ein guter Indikator dafür - erinnerte das stark an die Zeit vom September 2001 bis April 2002, als die japanische monetäre Basis um 26 Prozent gestiegen ist. An die damaligen Aktien-Charts wird sich jeder liebend gerne erinnern wollen.
Drittens, ganz banal: Aktien nähern sich schon jetzt überverkauftem Terrain, vor allem in Europa. Und vielleicht hilft die EZB nach den deutschen Wahlen ja endlich nach.
Die Schwierigkeit liegt natürlich in der zeitlichen Abstimmung, und durch die geopolitischen Risiken (Öl) wird sie noch erschwert. Aber dieses Spiel wird beherrschen lernen müssen, wer sich in den nächsten Jahren an der Börse engagiert. Denn die letzten Blasen sind noch längst nicht geplatzt. Als nächste sind die Immobilien-, Schulden- und Konsumblasen in den USA an der Reihe.