Anlegerschutz: Erster Schritt

Beiträge: 2
Zugriffe: 542 / Heute: 1
Brummer:

Anlegerschutz: Erster Schritt

 
30.03.02 07:13
Das vierte Finanzmarktförderungsgesetz stärkt die Rechte von Aktienanlegern. Doch viele Reformen sind auf halbem Weg stecken geblieben.

Die Geschichte hat sich tausendfach am Neuen Markt so abgespielt: Im Sommer 2000 orderte der Programmierer Thomas Martin* 400 Aktien des TV-Produzenten Team Communications („Ruf der Wildnis“). Team hatte zuvor die Gewinnprognose von 4 Millionen auf 22 Millionen Dollar erhöht. „Scheinbar war die Aktie günstig bewertet,“ sagt Martin heute.

Scheinbar. Ein halbes Jahr später meldete Team „Wertberichtigungsbedarf“ und einen Verlust von „18 Millionen bis 19,5 Millionen“ Dollar. Die Meldung erschien zunächst nur in den USA – Team ist auch an der Nasdaq gelistet. Als sie am nächsten Morgen in Deutschland als Pflichtmitteilung ad hoc verbreitet wurde, hatte sich der Kurs bereits halbiert. „Die Zahlen haben hinten und vorne nicht gestimmt,“ sagt Martin. „Die haben ihre Anleger dreist betrogen.“ Er verkaufte die Aktien 70 Prozent unter Kaufpreis und versuchte, seine 1600 Euro Verlust zu vergessen.

Weil, wie in Börsenkreisen gespöttelt wird, „neuerdings auch SPD-Wähler Aktionäre sind,“ ließen die Erfahrungen Martins und seiner Leidensgenossen auch die Bundesregierung nicht kalt: „Im Gefolge des starken Anstiegs der Aktienkurse und des anfangs großen Erfolgs des Neuen Markts waren auch unerfahrene Anleger bereit, Aktien zu kaufen,“ heißt es im Regierungsentwurf zum vierten Finanzmarktförderungsgesetz. „Übersteigerungen und Manipulation an den Märkten“ machten es erforderlich „zu überprüfen, ob der Anlegerschutz im deutschen Kapitalmarktrecht ausreichend verankert ist.“ Er war es wohl nicht. Das Ergebnis dieser Überprüfung ist ein inklusive Begründung mehr als 400 Seiten dickes Gesetzeswerk zum Börsen-, Aktien- und Investmentrecht. Wenn der Bundesrat Ende April zustimmt, soll das Gesetz vom 1. Juli 2002 an gelten.

Anlegeranwälte und Aktionärsvertreter loben, das Gesetz enthalte einige Verbesserungen für Privatinvestoren. Den meisten Experten gehen die neuen Regeln aber nicht weit genug. Von einem „ersten Schritt zur fälligen Generalüberholung des Anlegerschutzrechts“ spricht Harald Petersen, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). Der Anlegerschutzmultifunktionär und Anwalt Klaus Nieding von der Konkurrenzorganisation DSW spricht von „Schritten in die richtige Richtung“ – allerdings, so Nieding „greift fast jeder Schritt zu kurz.“

Die Kritik gilt allerdings nicht für alle Änderungen. Geradezu revolutionär mutet die neue Schadensersatzpflicht der Unternehmen an. Wer in den gesetzlich vorgeschriebenen Ad-hoc-Mitteilungen lügt oder wichtige Tatsachen, die den Aktienkurs beeinflussen könnten, nicht unverzüglich meldet, haftet gegenüber seinen Aktionären für den Schaden. Unternehmen wie EM.TV, Infomatec, Metabox, Biodata oder Team wird genau dies vorgeworfen. Sie sollen mit nicht existierenden Aufträgen geprahlt, kommende Risiken verschwiegen oder schlicht schlampig zusammengeschusterte Bilanzen veröffentlicht haben. Team Communications etwa meldete noch Ende August 2000 eine Gewinnverdopplung für das erste Halbjahr 2000.

Nicht haften müssen Unternehmen jedoch, wenn Vorstände sich dumm stellen und behaupten, es nicht besser gewusst zu haben. Nur wenn das Gericht den Eindruck hat, die Manager hätten grob fahrlässig gehandelt, haftet die Firma. Zweite Bedingung für Schadensersatz: Der geschädigte Anleger muss nachweisen, dass er „im Vertrauen auf die Richtigkeit“ der Ad-hoc-Meldung gekauft hat. „Das nachzuweisen, ist in der Praxis schwierig,“ meint der Münchner Anwalt Klaus Rotter. Aktionäre müssen sich wohl Aktennotizen machen und von Zeugen unterschreiben lassen: „Heute Ad-hoc-Meldung über Gewinnsprung von EM.TV gesehen, famose Zahlen, 1000 Aktien gekauft.“

Wer vor Gericht gegen das Unternehmen gewinnt, gerät trotzdem in Gefahr, leer auszugehen. Schadensersatz müssen nämlich nicht die Manager leisten, sondern die Unternehmen. Bei denen ist im Extremfall nichts mehr zu holen. Die Firmen mit dubiosen Geschäftspraktiken sind beim Prozess meist pleite. „In fast allen Fällen hätte die neue Regel nichts gebracht,“ sagt Anwalt Rotter. Einzige Ausnahme ist EM.TV, die noch über Vermögenswerte verfügen. Mehr versprechen da schon die Aussichten, bei Unternehmen der Old Economy Schadensersatz zu holen.Rotter:„Wer Bayer-Aktien gekauft hat, als bereits Patienten an den folgen von Lipobay gestorben waren, wurde vom Unternehmen wohl kaum richtig informiert.“ Bayer bestreitet dies.

SdK-Vorstand Petersen moniert vor allem, dass nur gesetzliche Pflichtmitteilungen Basis für Schadensersatzklagen sein sollen. „Für den Anleger ist es völlig unerheblich, ob er in einer Ad-hoc-Meldung, in einer Pressemitteilung oder im Quartalsbericht belogen wurde.“ Noch unklar sind die Regeln zur Bekämpfung der Kursmanipulation. Das Gesetz verbietet Täuschungen, die darauf zielen, Kurse zu manipulieren. Petersen wollte, dass das Gesetz konkrete Fälle beschreibt, etwa „das Streuen falscher Gerüchte.“ Nach der jetzigen Gesetzesvorlage müssen Behörden und Gerichte festlegen, was Manipulation bedeutet.

„Der gesetzliche Rahmen ist in Ordnung. Interessant wird die Umsetzung im Detail,“ sagt Michael Zollweg, Chef der Handelsüberwachung an der Frankfurter Börse. Die Grenze zwischen der am Aktienmarkt fast alltäglichen „Kurspflege“, zum Beispiel vor einer Kapitalerhöhung, und der Kursmanipulation wirkt oft fließend. Bisher sollten die Überwachungsstellen der Börsen Kursmanipulation verfolgen: die Aufsichtsbehörden der Länder sowie – nach einer Strafanzeige – die Staatsanwaltschaften. Im Ergebnis war niemand so richtig verantwortlich, vor Gericht kamen Täter fast nie. Das neue Gesetz nimmt jetzt das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) in die Pflicht, das voraussichtlich vom Mai an Teil der neuen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wird.

Das neue Amt bekommt sehr viel mehr zu tun als das alte BAWe. So muss es künftig überwachen, ob die in Ad-hoc-Mitteilungen genannten Zahlen üblich und mit früher gemeldeten Zahlen vergleichbar sind. Wer nur Werbung verbreitet, aber die wichtigen Unternehmenszahlen verschweigt, soll genauso büßen wie Unternehmen, die versuchen, mit abstrusen Rechenmodellen aus Verlusten Scheingewinne herauszupressen. Auch die – immer noch lückenhafte – Meldepflicht privater Aktienverkäufe von Vorständen und Aufsichtsräten kontrolliert das Bundesamt. Anlegerschützer forderten vergeblich, dass die Manager ihre Deals vorab und nicht erst im Nachhinein melden müssen. Doch BAWe-Vizepräsident Georg Dreyling fürchtet, dass sich Vorstände bei Vorabmeldung selbst die Kurse kaputtmachen würden. Dies sei „niemandem zuzumuten“. SdK-Vorstand Petersen hält dagegen:„Wenn ein Vorstand seinen Aktienverkauf gut und schlüssig begründet, wird das auch keine Auswirkung auf den Kurs haben.“

Als „ganz großes Defizit“ des Gesetzes sieht Anwalt Rotter, dass Anleger immer noch keine Möglichkeit haben, mit Sammelklagen gegen Unternehmen vorzugehen. Jeder Geschädigte muss seine Ansprüche einzeln durchsetzen. Wegen tausend Euro Schaden lässt sich aber kaum jemand auf einen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang ein. Die Betrüger bleiben so ungeschoren.

Der vom Team-Communications-Management geschädigte Thomas Martin hat geklagt. „Nicht wegen 1600 Euro Schaden, sondern weil ich etwas gegen diese Leute unternehmen wollte.“ Bernd Jochem, einAnwalt aus Rotters Kanzlei, erzwang einen Vergleich – in den USA. Dort können Anleger per Sammelklagen das Management für falsche Bilanzen haftbar machen. Die Entschädigungssumme für alle Opfer, nach Abzug der Anwaltskosten bleiben zehn Millionen Dollar, liegt schon auf einem Treuhandkonto. „Bis so etwas bei uns möglich ist,“ sagt Rotter, „brauchen wir mindestens noch ein fünftes Finanzmarktförderungsgesetz.“ Die ehemaligen Team-Vorstände Drew Levine und Timothy Hill schmerzt auch die Entscheidung der US-Richter nicht:Ihre Haftpflichtversicherung zahlt.

Quelle: wiwo.de / Hauke Reimer
Brummer:

Wertpapieraufsicht: "Schrauben stärker anziehen"

 
30.03.02 07:15
Wertpapieraufseher Georg Dreyling über den Kampf gegen Insiderhandel und Kursmanipulation.
 
Herr Dreyling, die Erfolgsbilanz Ihres Amts und der deutschen Justiz in der Verfolgung von Insidern ist bescheiden. Wird sich das mit dem neuen Finanzmarktgesetz ändern?

So bescheiden ist die Bilanz nicht. Auch wenn Staatsanwälte leider immer noch zu viele Verfahren ohne Geldauflage einstellen, tragen wir doch zu mehr Fairness im Markt bei, indem wir potenzielle Täter abschrecken. Ermittlungen werden aber einfacher, präziser und sehr fokussiert ablaufen.

Wie das?

Bisher mussten wir bei Insiderverdacht jede einzelne Transaktion in einer Aktie prüfen und dann bei den Banken nachfragen, wer dahinter steht. In Zukunft bekommen wir Depotdaten, sodass wir schneller verdächtige Geschäfte erkennen können.

Sie sollen künftig auch Kursmanipulation verfolgen. Werden Sie damit nicht überfordert?

Sicher muss man ein gewisses Gespür dafür entwickeln, welches Spielchen die Profis im Handel jetzt gerade treiben. Dazu arbeiten wir mit der Handelsüberwachung an der Börse zusammen. Außerdem hoffen wir auf neue Stellen.

Werden Sie jetzt auch Täter verfolgen, die mit Falschmeldungen im Internet manipulieren?

Ja, wir werden hier mehr tun können, weil wir bald eindeutig für die Verfolgung von Kursmanipulation zuständig sind.

Sie wollten kleinere Insiderdelikte als Ordnungswidrigkeiten selbst ahnden, anstatt sie an die Staatsanwaltschaft abzugeben. Das hätte Ihnen mehr Ermittlungskompetenzen gebracht. Warum kam das nicht ins Gesetz?

Es wird eben nicht immer der ganze Wunschzettel erfüllt. Es war zu schwierig, die Delikte voneinander abzugrenzen.

Was fehlt Ihnen sonst noch von Ihrem Wunschzettel?

Schön wäre eine Generalklausel gewesen, dass wir das Recht bekämen, in Insidersachen die notwendigen Untersuchungen durchzuführen und alle zu befragen, die damit etwas zu tun haben. So aber müssen wir wie bisher um jeden einzelnen Schritt kämpfen, muss der Gesetzgeber die Schrauben bei jedem Detail immer stärker anziehen. Generalklauseln begegnen eben verständlicherweise rechtlichen Bedenken.

Sie sollen künftig private Aktiengeschäfte von Aufsichtsräten und Vorständen kontrollieren. Wenn ein Vorstand seine Aktien aber in eine Vermögensverwaltung einbringt, muss er nicht melden. Was wollen Sie da noch kontrollieren?

Nach dem Wortlaut des Gesetzes nichts. Ich würde aber versuchen, ihm nachzuweisen, dass er das Gesetz umgehen wollte.

Sie bekommen das doch gar nicht mit.

Dessen sollte man sich nicht so sicher sein. Es gibt immer mal jemanden, der redet, jemanden anschwärzt.

Finden Sie es in Ordnung, dass Vorstände Geschäfte erst im Nachhinein melden müssen?

Ja. Es ist niemandem zuzumuten, dass er sich durch eine Verkaufsankündigung den Kurs kaputt macht.

Dafür macht er anderen den Kurs kaputt.

Aber er hat doch ein Eigeninteresse, seine Aktien so behutsam abzugeben, dass der Kurs nicht leidet.

Wie wollen Sie Analysten kontrollieren?

Dass ein Analyst nicht sorgfältig gearbeitet hat, werden wir nur in krassen Ausnahmefällen nachweisen können. Wichtiger ist, dass Interessenkonflikte offen gelegt werden. Wer eine Aktie empfiehlt, darf nicht verschweigen, dass seine Bank das Unternehmen an die Börse gebracht oder einen großen Bestand in der Aktie hat.

Dann werden Analysten künftig unter ihre Studien pauschale Warnhinweise über alle nur denkbaren Konflikte kleben.

Das werden wir im Zweifel nicht akzeptieren.

Quelle: wiwo.de / hr

Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--