Angriff auf Fort Knox

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Angriff auf Fort Knox

 
24.03.06 20:14

HANDELSBLATT, Freitag, 24. März 2006, 17:22 Uhr

Ökonomischen Wochenschau, Teil 12Angriff auf Fort Knox 2461293
Angriff auf Fort Knox Angriff auf Fort Knox 2461293
Von Norbert Häring Angriff auf Fort Knox 2461293
Als Amerika das Gold auszugehen droht, schafft Präsident Nixon das Weltwährungssystem von Bretton Woods ab. Und stürzt die deutsche Wirtschaft in große Sorgen.Angriff auf Fort Knox 2461293

FRANKFURT. Am 16. August 1971 blieben in Frankfurt und an anderen Finanzzentren die Devisenbörsen geschlossen. Bundeswirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller brach eine Ostblockreise ab und kehrte nach Bonn zurück. Der Internationale Währungsfonds kam in Washington zu einer kurzfristig anberaumten Krisensitzung zusammen. Der Grund: US-Präsident Richard Nixon war vor die Kameras getreten und hatte die Welt mit der Ankündigung überrascht, die Einlösegarantie von US-Dollar gegen Gold mit sofortiger Wirkung aufzuheben.

Es war der Anfang vom Ende des Festkurssystems von Bretton Woods. Es folgten 19 Monate mit aufgeregter Währungsdiplomatie, ehe die Devisenmärkte am 1. März 1973 nach massiver Kapitalflucht in die D-Mark und den Franken für 18 Tage geschlossen wurden und der Dollar seinen Status als Leitwährung für die gesamte westliche Welt einbüßte. Nur die Banken konnten unter sich und ohne Kursbindung tauschen. Als die Devisenmärkte am 19. März, also vor fast genau 33 Jahren, wieder öffneten, war Bretton Woods Geschichte.

Der Wechselkurs der D-Mark und der anderen wichtigen Währungen gegenüber dem Dollar durfte sich fortan mehr oder weniger frei am Markt bilden. Gleichzeitig schlug die Geburtsstunde der europäischen Währungsschlange, einer Vorstufe des Europäischen Währungssystems, das später in den Euro mündete.

Die eineinhalb Jahre, die seit der Aufkündigung der Goldeinlösegarantie vergangen waren, hatten gereicht, die Deutschen auf die neue Ära vorzubereiten. Die Aufregung hielt sich zunächst in Grenzen. Das galt selbst für die Devisenmärkte, als diese nach der Schließung wieder den Betrieb aufnahmen. Die Umsätze waren nicht außergewöhnlich hoch, der Dollar sank um drei Pfennig oder gut ein Prozent gegenüber Anfang März auf 2,815 D-Mark.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Das war im August 1971, nach dem „Nixon-Schock“ noch ganz anders befürchtet worden.

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Das war im August 1971, nach dem „Nixon-Schock“ noch ganz anders befürchtet worden. Carl-Ludwig Holtfrerich war gerade einen Monat als Referent in die Außenhandelsabteilung des BDI eingetreten. „Die Industriellen waren in heller Aufregung“, erinnert er sich heute. Nach 27 Jahren Festkurssystem befürchteten viele einen Rückfall in Abwertungswettläufe und Protektionismus. Nicht ohne Grund, war doch Bretton Woods gerade die Antwort auf die Erfahrung der großen Depression und ihrer politischen Folgen gewesen.

Der Hauptarchitekt von Bretton Woods, der amerikanische Unterhändler Harry Dexter White, hatte die Botschaft, die man gelernt habe, so beschrieben: „Das Fehlen eines hohen Grades an wirtschaftlicher Zusammenarbeit der führenden Nationen wird unweigerlich in ökonomischer Kriegsführung enden, die Vorspiel und Anstifter für militärische Kriegsführung sein wird.“

Der Wunsch, solche Erfahrungen nicht noch mal machen zu müssen, hatte erst die Kooperationsbereitschaft gebracht, die es ermöglichte, dass 44 Länder sich einem gemeinsamen Regelwerk unterwarfen.

Sollte nun Whites düstere Vorhersage wahr werden? Die USA gaben der Welt durchaus Anlass zu dieser Sorge, verkündete doch Nixon gleichzeitig mit dem Ende der Goldeinlösegarantie einen zehnprozentigen Zusatzzoll auf Einfuhren in die USA.

In einer Stellungnahme des Deutschen Industrie-Instituts, des Vorläufers des Instituts der deutschen Wirtschaft, hieß es: „Das bedeutet den Ruin des Amerika-Exports.“

Die damalige Generation kannte nur Depression, Protektion, Weltkrieg und als bis dahin einzige Alternative – Bretton Woods. Kein Wunder, dass man sich große Sorgen machte. Und doch versuchte Holtfrerich, heute Professor für Volkswirtschaft und Wirtschaftsgeschichte an der FU Berlin, die Industriellen zu beruhigen. „Ich stellte heraus, dass das Ende des Festkurssystems auch Vorteile haben würde, dass staatliche Dirigismen wie zum Beispiel Devisenbewirtschaftung unnötig würden.“

Der Ökonom sollte Recht behalten. Deutschlands Wirtschaft entging dem Ruin und setzte seine Export-Erfolgsstory ungeschmälert fort. Und das, obwohl es nach dem Ende von Bretton Woods zu enormen Wechselkursschwankungen kam, wie sie sich damals in den schlimmsten Schreckensszenarien nur wenige ausmalten. Der Dollar-Kurs, der Anfang 1971 noch bei 3,63 D-Mark gestanden hatte, sank bis 1982 auf 1,72 D-Mark, um dann in nur drei Jahren wieder auf das Doppelte zu steigen, und bis 1995 wieder auf 1,35 D-Mark zu fallen. Das lief nicht ohne Schmerzen ab, aber die deutsche Wirtschaft kam bemerkenswert gut ohne Bretton Woods zurecht.

Lesen Sie weiter auf Seite 3:Das System verdankt seinen Namen einer Kleinstadt in New Hampshire.

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Das System verdankt seinen Namen einer Kleinstadt in New Hampshire, wo 1944 in den ersten drei JuliWochen 760 Delegierte aus 44 Nationen das erste zwischen souveränen Staaten ausgehandelte Weltwährungssystem festklopften. Wirklich verhandelt wurde aber nur zwischen den Abgesandten Großbritanniens und den USA, zwischen der alten und der neuen Weltmacht. Der Kampf war ungleich: Das vom Krieg verwüstete Großbritannien war von amerikanischen Krediten abhängig.

Der Plan, den der britische Unterhändler John Maynard Keynes vorlegte, sah vor, dass im Falle von größeren Außenhandelsungleichgewichten sowohl die Überschussländer als auch die Defizitländer ihre Politik ändern mussten. Notfalls wären die Defizitländer zu protektionistischen Maßnahmen gegenüber den Überschussländern ermächtigt worden, um etwa eine Aufwertung von deren Währung zu erzwingen. Eine internationale Zentralbank sollte dafür sorgen, dass genügend Liquidität vorhanden war.

Für die USA, die absehbar hohe Überschüsse erzielen würden, war das nicht attraktiv. Sie setzen den White-Plane durch, der die Anpassungslast allein den Defizitländern auferlegte. Der Internationale Währungsfonds (IWF) bekam die Aufgabe, für die Anpassung zu sorgen. Länder, die Devisenkredite in Anspruch nehmen mussten, wurden unter IWF-Aufsicht gestellt und gehalten, durch striktes Sparen die Defizite zurückzuführen. Seiner Grundphilosophie blieb der IWF auch noch Jahrzehnte nach dem Ende von Bretton Woods treu, und auch am dominanten Einfluss der USA änderte sich bis heute nichts.

Die Aufgabe der Versorgung mit Liquidität übernahmen die USA. Die US-Regierung gab eine Garantie, Dollar zum Kurs von 35 Dollar je Feinunze in Gold umzutauschen. Das war der Anker des Systems. Für die anderen Währungen wurde ein Referenzpreis für Gold festgelegt, im Kern handelte es sich aber um feste Austauschverhältnisse zum Dollar. Zunächst war die Liquiditätsbereitstellung keine leichte Aufgabe für die USA. In den Nachkriegsjahren herrschte akute Dollar-Knappheit. Amerika hatte einen hohen und wachsenden Überschuss im Außenhandel, so dass die Dollar- und Goldreserven in der übrigen Welt schrumpften. Abhilfe schuf der Marshall-Plan, in dessen Folge die USA 16 europäischen Länder ab 1949 über 13 Milliarden Dollar schenkten, mit dem Ziel, den Einfluss der Sowjetunion zu begrenzen. Das System funktionierte lange gut, weil jeder das bekam, was er am meisten wollte. Die USA erhielten politische Dominanz, die Europäer die Chance, sich zu entwickeln.

Die Deutschen nutzen diese Möglichkeit in Europa am besten. Wirtschaftshistoriker Holtfrerich führt den deutschen Erfolg auf eine bewusste Strategie der Bank Deutscher Länder zurück, des Vorläufers der Bundesbank. Unter dem Motto „Wir müssen stabiler sein als die anderen“ habe deren erster Direktoriumspräsident Wilhelm Vocke die Strategie der realen Abwertung verfochten. Denn, wenn die Wechselkurse sich nicht ändern, gewinnt das Land, das die niedrigste Inflationsrate hat, laufend an Wettbewerbsfähigkeit.

In den 60er-Jahren aber wurde aus der Dollar-Knappheit eine Dollar-Flut, und die Interessen der USA und ihrer Alliierten drifteten auseinander. Europa und Japan holten auf. Entsprechend schrumpfte nicht nur die wirtschaftliche Dominanz der USA, sondern auch ihr Handelsbilanzüberschuss, kurz vor dem Ende von Bretton Woods kehrte es sich sogar zu einem Defizit um.

Lesen Sie weiter auf Seite 4: Gleichzeitig hielten die USA hohe finanzielle Hilfe an verbündete Staaten aufrecht.

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Gleichzeitig hielten die USA hohe finanzielle Hilfe an verbündete Staaten aufrecht. Die auf diese Weise in die Welt gepumpten Dollar waren von den schrumpfenden Goldreserven der USA irgendwann nur noch zu Bruchteilen gedeckt. Während die Bundesbank auf die Ausübung ihres Rechts verzichtete, ihre Dollar in Gold einzutauschen, zeigte Frankreich diese Zurückhaltung nicht – Amerika musste handeln, ehe Fort Knox leer war, und kündigte die Goldeinlösegarantie auf.

„Hätten sie das System beibehalten wollen, hätten die USA ihre Finanzpolitik ändern müssen, dazu waren sie aber nicht bereit“, beschreibt der Wirtschaftshistoriker Holtfrerich die Gründe des Scheiterns. Ironischerweise wendeten die USA, zum Defizitland geworden, de facto nun den Keynes-Plan an, den sie bei der Gründung von Bretton Woods noch abgeschmettert hatten. Mit der zehnprozentigen Einfuhrabgabe zwang das Defizitland die übrigen Länder an den Verhandlungstisch.

Als diese dann in eine Aufwertung gegenüber dem Dollar in durchschnittlich gleicher Größenordnung eingewilligt hatten, wurde die Einfuhrabgabe wieder gestrichen.

Warum soll das, was damals gegenüber dem Rest der westlichen Welt funktionierte, nicht auch gegenüber China funktionieren, denkt man sich in Washington. Und so droht auch heute wieder der Kongress dem Handelspartner drakonische Einfuhrzölle an, um ihn zu einer Währungsaufwertung zu zwingen und das eigene Handelsdefizit zu schmälern.


Die Themen der 12. Kalenderwoche 1973

Finanzpolitik: Die CDU-Opposition in Bonn hat Widerstand angekündigt gegen das „stabilitätspolitische Sofortprogramm“ der SPD-Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt. Mit Erhöhungen mehrerer Steuern wie der für Mineralöl will die Regierung die Inflation bekämpfen. Als Anführer der Regierungsgegner profiliert sich der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Dr. Helmut Kohl.

Direktinvestitionen: Mitte 1972 war das Ausland nominal mit 27,5 Milliarden Mark an deutschen Unternehmen beteiligt. Die Hälfte davon stammt aus Nordamerika. Seit Anfang 1971 investierten Ausländer sechs Milliarden Mark in Deutschland.

Deutsche Bank: Ihre erste Filiale in Moskau hat die Deutsche Bank eröffnet. Vorstandssprecher Franz Heinrich Ulrich sagte, das Geschäft mit der UdSSR sei ausbaufähig. Besonders Mittelständlern will die Bank den Einstieg in den sowjetischen Markt erleichtern.

Geburtenrate:Die Bevölkerung Westdeutschlands wird bis zum Jahr 2000 von 61,5 auf 57 Millionen sinken. Grund dafür seien neue Verhütungsmittel sowie der gewachsene Wohlstand, hat das „Demographic Yearbook“ der USA ermittelt. Mit 12,8 Geburten pro 1 000 Einwohner hat die Bundesrepublik die geringste Geburtenrate aller Industrieländer.

Thyssen/Rheinstahl:Die August Thyssen Hütte AG hat 60,5 Prozent an Rheinstahl für 284 Millionen Mark gekauft. Die Bundesregierung will aber ungewöhnliche Kursbewegungen im Zuge der Übernahme überprüfen.

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Krisen hat es an den Märkten immer gegeben

 
24.03.06 20:18
und wird es auch immer geben. Wie man in der historischen Betrachtung sehen kann ist am Ende doch nichts so schlimm gewesen wie es zum Eintrittszeitpunkt der Ereignisse empfunden wurde.

Alles ist eben doch nur relativ.

gruss und einen schönen Abend

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