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Montag, 27. November 2000
Aktienempfehlungen
Das Orakel der Analysten
Dramatische Kurseinbrüche, panikartige Aktienorders, völlig verunsicherte Anleger. Im Zuge des diesjährigen Salamicrash fragen sich immer mehr Aktionäre, wem sie bei ihren Anlageentscheidungen noch vertrauen können. Selbst renommierte Analysten mussten inzwischen ihre katastrophalen Fehleinschätzungen von März diesen Jahres einsehen. Kaum eine Kaufempfehlung erfüllte sich seitdem. Doch trotz der zahlreichen Irrtümer haftet den Analystenstimmen weiterhin Prophetisches an. Immer noch kann eine Herabstufung von Lehman Brothers enorme Kursbewegungen auslösen. Außerdem fragen sich viele Anleger verzweifelt: Wer, wenn nicht diejenigen, die sich Tag für Tag professionell mit der Bewertung von Aktien beschäftigen, wird in den unruhigen Börsenzeiten die richtigen Tipps parat haben.
Doch wer sich auf Analysten verlässt, sollte zunächst deren Sprache verstehen. Im Grunde lassen sich auch fein abgestufte Empfehlungssystematiken auf die klassische Dreier-Systematik, bestehend aus Kaufen/Halten/Verkaufen, reduzieren:
Was verbirgt sich hinter den Analystenempfehlungen?
Kaufen:
Strong Buy, Recommended, Kaufen, Aufstocken, Akkumulieren, Outperformer, überdurchschnittlich, Trading Buy, Long-Term Buy
Halten:
Market Performer, Halten, neutral
Verkaufen:
Reduzieren, Market Underperformer, unterdurchschnittlich, Sell, Verkaufen
Häufig jedoch reicht es nicht aus, die aktuelle Empfehlung eines Analysten zu lesen. Mindestens ebenso wichtig zu wissen ist es, wie der selbe Analyst zuvor die Aktie einstufte. Wenn ein Analyst eine Aktie von “Strong Buy” auf “Buy” herunterstuft, so kann dies häufig schon als Verkaufsempfehlung gewertet werden. Die Crux ist immer dieselbe: zu vielen Kauf-Empfehlungen stehen zu wenig als Empfehlung zum Halten oder Akkumulieren getarnte Verkaufs-Empfehlungen gegenüber.
Für die fehlenden Verkaufsempfehlungen auf Analystenseite gibt es triftige Gründe – insbesondere, wenn diese größeren Banken angehören -. Ein genereller Vorwurf an die Analysten lautet, dass diese zu stark Eigeninteressen verfolgen würden, um wirklich objektive Empfehlungen abgeben zu können. Bekanntermaßen erzielen große Banken einen Großteil der Einnahmen durch Investmentbanking, der Beratung von Unternehmen bei Fusionen, Akquisitionen, Kapitalerhöhungen oder Neuemissionen. Damit steht der Analyst möglicherweise in einem Interessenkonflikt. Während der Anleger von ihm erwartet, dass er sich objektiv und ggf. auch negativ zu Unternehmen äußert, verlangt sein Arbeitgeber von ihm, dass er sich zurückhaltend gegenüber Firmenkunden äußert. Wenn eine Bank als Konsortialführer auftritt, wird es der hauseigene Analyst schwerlich wagen, dem Anleger von der Zeichnung des Titels abzuraten. Von Unabhängigkeit kann also keine Rede sein.
Ein weiterer Vorwurf an die Analysten lautet, sie würden mit ihren Empfehlungen im Strom schwimmen. So können sie sich im Falle von Fehleinschätzungen darauf berufen, dass ihre Kollegen auch nicht besser abgeschnitten haben als sie. Bei den meisten Analystenempfehlungen stellt sich in der Tat die Frage, ob diese nicht den Kursen hinterherlaufen: bewegen die Empfehlungen die Kurse oder verhält es sich umgekehrt? Wenige Analysten wagen es, entgegen der Analystenmehrheit Empfehlungen auszusprechen. Darüber hinaus kommt es selten vor, dass Analysten einmal gefällte Urteile bereits sind zu revidieren.
Andererseits wird das Geschäft für die Analysten härter. Vereinfacht gesagt, gibt es immer mehr Aktien zu beurteilen. Durch die Aktienflut steht den Analysten heute weniger Zeit für ihre Studien zur Verfügung haben als früher. Andererseits verlangen gerade die Wachstumsbranchen Spezialistentum. Zur Beurteilung der Wachstumschancen von Internet und Biotechnologie reicht das Wissen eines Finanzexperten allein nicht aus. Mindestens genauso wichtig sind die entsprechenden IT- und Biotechnologiekenntnisse.
Bevor sich der Anleger in seiner Entscheidung dem Analysten anvertraut, sollte er sich über dessen Bewertungskriterien im klaren werden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen technischen und fundamentalen Analysten. Erstere vertrauen bei ihrer Analyse der Charttechnik, letztere interessieren sich für betriebswirtschaftliche Fakten des jeweiligen Unternehmens. Die bekannteste Analysemethode ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV).
Reinhart Schmidt, Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der Universität Halle-Wittenberg, untersucht regelmäßig, wie gut oder schlecht Bankenanalysten mit ihren Empfehlungen liegen. Insgesamt 10.798 Kauf- und Verkaufsempfehlungen für den Zeitraum von Julie 1998 bis Juni 1999 liegen der zuletzt veröffentlichten Studie zugrunde. Die Anlagetipps wurden nach Rendite und Risiko bewertet und zu einem Score zusammengefasst. Den nach Dax, Neuer Markt und Stoxx-50 unterteilten Empfehlungen liegt ein konservativer Anleger zugrunde. Das Ergebnis dürfte gerade die bekannten Analystenhäuser wenig erfreuen. Mit der Haspa (Hamburger Sparkasse) und der LB Rheinland Pfalz schneiden regionale Institute gut ab. Die Analysten der großen Banken hingegen tauchen eher am hinteren Ende der Rangliste auf. Dabei mag die oben beschriebene Befangenheit eine Rolle spielen.
Die Top-5 der Analysten
Dax:
1. Hamburger Sparkasse
2. LB Rheinland Pfalz
3. HSBC Trinkhaus
4. Dresdner Kleinwort Benson
5. DG Bank Research
Neuer Markt:
1. Dresdner Kleinwort Benson
2. BHF-Bank
3. DG Bank Research
4. M. M. Warburg & Co.
5. West LB
Stoxx 50:
1. BHF-Bank
2. LB Rheinland-Pfalz
3. Hamburger Sparkasse
4. LB Schleswig Holstein
5. Deutsche Bank
Montag, 27. November 2000
Aktienempfehlungen
Das Orakel der Analysten
Dramatische Kurseinbrüche, panikartige Aktienorders, völlig verunsicherte Anleger. Im Zuge des diesjährigen Salamicrash fragen sich immer mehr Aktionäre, wem sie bei ihren Anlageentscheidungen noch vertrauen können. Selbst renommierte Analysten mussten inzwischen ihre katastrophalen Fehleinschätzungen von März diesen Jahres einsehen. Kaum eine Kaufempfehlung erfüllte sich seitdem. Doch trotz der zahlreichen Irrtümer haftet den Analystenstimmen weiterhin Prophetisches an. Immer noch kann eine Herabstufung von Lehman Brothers enorme Kursbewegungen auslösen. Außerdem fragen sich viele Anleger verzweifelt: Wer, wenn nicht diejenigen, die sich Tag für Tag professionell mit der Bewertung von Aktien beschäftigen, wird in den unruhigen Börsenzeiten die richtigen Tipps parat haben.
Doch wer sich auf Analysten verlässt, sollte zunächst deren Sprache verstehen. Im Grunde lassen sich auch fein abgestufte Empfehlungssystematiken auf die klassische Dreier-Systematik, bestehend aus Kaufen/Halten/Verkaufen, reduzieren:
Was verbirgt sich hinter den Analystenempfehlungen?
Kaufen:
Strong Buy, Recommended, Kaufen, Aufstocken, Akkumulieren, Outperformer, überdurchschnittlich, Trading Buy, Long-Term Buy
Halten:
Market Performer, Halten, neutral
Verkaufen:
Reduzieren, Market Underperformer, unterdurchschnittlich, Sell, Verkaufen
Häufig jedoch reicht es nicht aus, die aktuelle Empfehlung eines Analysten zu lesen. Mindestens ebenso wichtig zu wissen ist es, wie der selbe Analyst zuvor die Aktie einstufte. Wenn ein Analyst eine Aktie von “Strong Buy” auf “Buy” herunterstuft, so kann dies häufig schon als Verkaufsempfehlung gewertet werden. Die Crux ist immer dieselbe: zu vielen Kauf-Empfehlungen stehen zu wenig als Empfehlung zum Halten oder Akkumulieren getarnte Verkaufs-Empfehlungen gegenüber.
Für die fehlenden Verkaufsempfehlungen auf Analystenseite gibt es triftige Gründe – insbesondere, wenn diese größeren Banken angehören -. Ein genereller Vorwurf an die Analysten lautet, dass diese zu stark Eigeninteressen verfolgen würden, um wirklich objektive Empfehlungen abgeben zu können. Bekanntermaßen erzielen große Banken einen Großteil der Einnahmen durch Investmentbanking, der Beratung von Unternehmen bei Fusionen, Akquisitionen, Kapitalerhöhungen oder Neuemissionen. Damit steht der Analyst möglicherweise in einem Interessenkonflikt. Während der Anleger von ihm erwartet, dass er sich objektiv und ggf. auch negativ zu Unternehmen äußert, verlangt sein Arbeitgeber von ihm, dass er sich zurückhaltend gegenüber Firmenkunden äußert. Wenn eine Bank als Konsortialführer auftritt, wird es der hauseigene Analyst schwerlich wagen, dem Anleger von der Zeichnung des Titels abzuraten. Von Unabhängigkeit kann also keine Rede sein.
Ein weiterer Vorwurf an die Analysten lautet, sie würden mit ihren Empfehlungen im Strom schwimmen. So können sie sich im Falle von Fehleinschätzungen darauf berufen, dass ihre Kollegen auch nicht besser abgeschnitten haben als sie. Bei den meisten Analystenempfehlungen stellt sich in der Tat die Frage, ob diese nicht den Kursen hinterherlaufen: bewegen die Empfehlungen die Kurse oder verhält es sich umgekehrt? Wenige Analysten wagen es, entgegen der Analystenmehrheit Empfehlungen auszusprechen. Darüber hinaus kommt es selten vor, dass Analysten einmal gefällte Urteile bereits sind zu revidieren.
Andererseits wird das Geschäft für die Analysten härter. Vereinfacht gesagt, gibt es immer mehr Aktien zu beurteilen. Durch die Aktienflut steht den Analysten heute weniger Zeit für ihre Studien zur Verfügung haben als früher. Andererseits verlangen gerade die Wachstumsbranchen Spezialistentum. Zur Beurteilung der Wachstumschancen von Internet und Biotechnologie reicht das Wissen eines Finanzexperten allein nicht aus. Mindestens genauso wichtig sind die entsprechenden IT- und Biotechnologiekenntnisse.
Bevor sich der Anleger in seiner Entscheidung dem Analysten anvertraut, sollte er sich über dessen Bewertungskriterien im klaren werden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen technischen und fundamentalen Analysten. Erstere vertrauen bei ihrer Analyse der Charttechnik, letztere interessieren sich für betriebswirtschaftliche Fakten des jeweiligen Unternehmens. Die bekannteste Analysemethode ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV).
Reinhart Schmidt, Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der Universität Halle-Wittenberg, untersucht regelmäßig, wie gut oder schlecht Bankenanalysten mit ihren Empfehlungen liegen. Insgesamt 10.798 Kauf- und Verkaufsempfehlungen für den Zeitraum von Julie 1998 bis Juni 1999 liegen der zuletzt veröffentlichten Studie zugrunde. Die Anlagetipps wurden nach Rendite und Risiko bewertet und zu einem Score zusammengefasst. Den nach Dax, Neuer Markt und Stoxx-50 unterteilten Empfehlungen liegt ein konservativer Anleger zugrunde. Das Ergebnis dürfte gerade die bekannten Analystenhäuser wenig erfreuen. Mit der Haspa (Hamburger Sparkasse) und der LB Rheinland Pfalz schneiden regionale Institute gut ab. Die Analysten der großen Banken hingegen tauchen eher am hinteren Ende der Rangliste auf. Dabei mag die oben beschriebene Befangenheit eine Rolle spielen.
Die Top-5 der Analysten
Dax:
1. Hamburger Sparkasse
2. LB Rheinland Pfalz
3. HSBC Trinkhaus
4. Dresdner Kleinwort Benson
5. DG Bank Research
Neuer Markt:
1. Dresdner Kleinwort Benson
2. BHF-Bank
3. DG Bank Research
4. M. M. Warburg & Co.
5. West LB
Stoxx 50:
1. BHF-Bank
2. LB Rheinland-Pfalz
3. Hamburger Sparkasse
4. LB Schleswig Holstein
5. Deutsche Bank