„Total überbezahlt“
Von Markus Zydra
1. Mai 2002 Verdienen Spitzenmanager das, was sie verdienen? Nicht immer. Mancher sieht es gar ein. Yoshikatsu Ota, Präsident bei Minolta, ließ sich das Grundgehalt um 40 Prozent kürzen - angesichts der Verluste bei dem japanischen Kamerahersteller eine einleuchtende Maßnahme mit Vorbildcharakter.
In Deutschland sieht die Sache anders aus. Raffgier in den Vorstandsetagen herrsche vor, so ist von empörten Aktionären zu hören. So will die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre der Führungsriege der Deutschen Telekom die Entlastung verweigern, wegen Missmanagements einerseits und zu hohen Vorstandsbezügen andererseits. Auf 17,4 Millionen Euro beliefen sich die Aufwendungen für Ron Sommer und die sieben Kollegen im Jahr 2001 - das entspricht einer Erhöhung um gut 90 Prozent. Angesichts des dramatischen Wertverfalls der T-Aktie im vergangenen Jahr tatsächlich ein starkes Stück.
Aktien fallen, Vorstandsaufwendungen steigen
FAZ.NET hat die Vorstandsbezüge der Jahre 2000 und 2001 in den Dax-30-Unternehmen untersucht und mit der Wertentwicklung der Aktie in Verbindung gesetzt, unter Berücksichtigung der Umsatz- und Ergebnisentwicklung. Fazit: Während Vorstandsaufwendungen mehrheitlich zunahmen, sind die Kurse in der Masse gefallen. Viele Manager, angetreten den Shareholder Value zu mehren, haben ihre Aufgabe nicht erfüllt - dennoch kostete ihre Arbeit in der Summe mehr Aktionärsvermögen als im Vorjahr.
Deutsche Telekom-Vorstände - Abkassierer?
Der T-Fall zementiert die größte Kluft zwischen Preis und Leistung. Während die Aktie im vergangenen Jahr um 38 Prozent einbrach, gingen die Vorstandsaufwendungen um 89 Prozent hoch. Auch die Commerzbank erhöhte trotz halbierter Marktkapitalisierung die Überweisungen an den Vorstand um 30 Prozent.
Ganz anders bei Infineon: Im Jahr 2000 kosteten die Vorstände um Ulrich Schumacher 28,3 Millionen Euro, 2001 fielen die Aufwendungen auf 1,1 Millionen Euro. Warum nicht, denn schließlich fiel der Aktienkurs in dieser Periode um mehr als Dreiviertel bei tiefroten Geschäftszahlen. Bei Infineon zeigen sich Fluch und Segen der Aktienoptionsprogramme am deutlichsten. Bei niedrigem Grundgehalt hängt der Geldsegen für die Vorstände hauptsächlich von der Kursentwicklung ab. Optionen fließen in aller Regel nur dann in die Aufwandsrechnung, wenn sie ausgeübt werden. Bezugsberechtigte erhalten entweder die Aktie oder einen Barausgleich.
Auch bei DaimlerChrysler halbierten sich so die Aufwendungen für die Konzernexekutive in der Summe nahezu, auch wenn man im Detail eben nicht weiß, ob Jürgen Schrempp nun mehr oder weniger verdient.
Vorstände legen Erfolgslatte immer niedriger
Gleichzeitig genehmigen sich die Chefetagen häufig neue, wertangepasste Optionen. Lag der Ausübungspreis für Optionen bei der Deutschen Telekom im Jahr 2000 bei 60,40 Euro, genehmigte der Aufsichtsrat für 2001 Optionen zum Ausübungspreis von 30 Euro bei einer Laufzeit bis 2011. Steigt die T-Aktie also innerhalb der nächsten neun Jahre über 30 Euro, was mehr als wahrscheinlich ist, dann rollt der Rubel für die Vorstände - und zwar nicht zu knapp.
Fazit: Ron Sommers Mannen, neben anderen Dax-Vorständen wie DaimlerChrysler, legen sich selbst die Erfolgslatte immer tiefer. „Die Erholung auf ein normales Kursniveau wird bereits als Leistung belohnt“, kritisiert Lars Labryga von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre die Aufwendungsentwicklung bei DaimlerChrysler.
Intransparenz - keiner blickt durch
Man muss in diesem Zusammenhang von Aufwendungen sprechen, denn die Frage, ob die einzelnen Manager eine dickere Brieftasche haben, lässt aufgrund der mangelnden Transparenz der Konzernangaben kaum beantworten. Bislang erfährt der Aktionär zumeist nur die Gesamtsumme der Vorstandsaufwendungen - und dahinter kann sich vieles verbergen: Beispielsweise auch die Höhe der Abfindungen für ausgeschiedene Mitglieder - es ist zudem nicht klar, wie hoch das Grundgehalt der einzelnen ist, und wie viel die variable Komponente ausmacht.
Furcht vor Neiddebatte?
Gerne weisen die Unternehmen auch darauf hin, dass die Vorstandsaufwendungen über die Jahre nicht vergleichbar seien, weil sich die Anzahl der Mitglieder verändert habe. Bei der Allianz, die 2001 die Übernahme der Dresdner Bank konsolidiert hat, mag das zutreffen. Doch insgesamt gilt: Egal wie sich die Anzahl der Vorstände verändert - die Kosten für die Aktionäre sind das Entscheidende. Gleichwohl deutsche Manager bei der Gehaltsentwicklung in die USA schielen, halten sie doch am deutschen Modell der Intransparenz bei der Offenlegung der Gehälter fest - aus Angst vor einer Neiddebatte. Doch Neid erfährt in aller Regeln nur der, von dem man annimmt, dass er etwas nicht verdient habe. Was ist also los in Deutschlands Chefetagen?
Cromme fordert Offenlegung der Gehälter
Einzig Gerhard Cromme, Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp, macht Druck: „Die Einkommen der Manager müssen offengelegt werden“, so seine Forderung im Verhaltenskodex für Aktiengesellschaften. Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel hält einige seiner Kollegen für „total überbezahlt“ Und auch die Pensionsleistungen mit Dienstvilla, Auto und Fahrer nach dem Ausscheiden seien „daneben“ - Vorstandspensionen machen im Schnitt rund 50 Prozent der letzten Festbezüge aus.
Stille Aufsichtsräte
Bewilligt werden die Tantiemen von den Aufsichtsräten, und dort sitzt immer auch ein Gewerkschaftsvertreter. Aber irgendwie ist aus dem Kontrollgremium kein Murren zu vernehmen, obwohl deren eigene Bezüge seit 1960 im Schnitt gerade mal um 55 Prozent gestiegen sind, wie die Kienbaum Vergütungsberatung in einer Studie mit 1.700 Unternehmen berechnet hat, während die Vorstände seit damals 550 Prozent Gehaltszuwachs verzeichneten.
Das Spiel mit den Steuerungsgrößen
„Da wird der Aufsichtsrat beschwatzt, man setzt die Tantiemen an einer Ergebnisgröße an, die auf jeden Fall steigt, und schon steigen die Bezüge“, sagt Heinz Evers, Geschäftsführer der Kienbaum Vergütungsberatung. Das Ebitda (Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen) ist eine beliebte Steuerungsgröße, weil es gerne positiv ist, auch wenn insgesamt ein Jahresfehlbetrag anfällt, wie das Beispiel Deutsche Telekom zeigt. „In den Jahren 1998 bis 2000 sind die Bezüge der Vorstände um jährlich 30 Prozent gestiegen“, so Evers. Und die Entwicklung werde weitergehen, bis sich deutsche Gehälter an die hohen US-Niveaus angepasst hätten.
Vorbild Lufthansa
Nur die Lufthansa zieht Konsequenzen aus der schlechten Ertragslage und nimmt sich zumindest in Ansätzen ein Beispiel an der japanischen Minolta: Lufthansa-Vorstandschef Weber und weitere 1.000 Führungskräfte verzichten von Februar bis Juli 2002 auf zehn Prozent des Grundgehalts.
Von Markus Zydra
1. Mai 2002 Verdienen Spitzenmanager das, was sie verdienen? Nicht immer. Mancher sieht es gar ein. Yoshikatsu Ota, Präsident bei Minolta, ließ sich das Grundgehalt um 40 Prozent kürzen - angesichts der Verluste bei dem japanischen Kamerahersteller eine einleuchtende Maßnahme mit Vorbildcharakter.
In Deutschland sieht die Sache anders aus. Raffgier in den Vorstandsetagen herrsche vor, so ist von empörten Aktionären zu hören. So will die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre der Führungsriege der Deutschen Telekom die Entlastung verweigern, wegen Missmanagements einerseits und zu hohen Vorstandsbezügen andererseits. Auf 17,4 Millionen Euro beliefen sich die Aufwendungen für Ron Sommer und die sieben Kollegen im Jahr 2001 - das entspricht einer Erhöhung um gut 90 Prozent. Angesichts des dramatischen Wertverfalls der T-Aktie im vergangenen Jahr tatsächlich ein starkes Stück.
Aktien fallen, Vorstandsaufwendungen steigen
FAZ.NET hat die Vorstandsbezüge der Jahre 2000 und 2001 in den Dax-30-Unternehmen untersucht und mit der Wertentwicklung der Aktie in Verbindung gesetzt, unter Berücksichtigung der Umsatz- und Ergebnisentwicklung. Fazit: Während Vorstandsaufwendungen mehrheitlich zunahmen, sind die Kurse in der Masse gefallen. Viele Manager, angetreten den Shareholder Value zu mehren, haben ihre Aufgabe nicht erfüllt - dennoch kostete ihre Arbeit in der Summe mehr Aktionärsvermögen als im Vorjahr.
Deutsche Telekom-Vorstände - Abkassierer?
Der T-Fall zementiert die größte Kluft zwischen Preis und Leistung. Während die Aktie im vergangenen Jahr um 38 Prozent einbrach, gingen die Vorstandsaufwendungen um 89 Prozent hoch. Auch die Commerzbank erhöhte trotz halbierter Marktkapitalisierung die Überweisungen an den Vorstand um 30 Prozent.
Ganz anders bei Infineon: Im Jahr 2000 kosteten die Vorstände um Ulrich Schumacher 28,3 Millionen Euro, 2001 fielen die Aufwendungen auf 1,1 Millionen Euro. Warum nicht, denn schließlich fiel der Aktienkurs in dieser Periode um mehr als Dreiviertel bei tiefroten Geschäftszahlen. Bei Infineon zeigen sich Fluch und Segen der Aktienoptionsprogramme am deutlichsten. Bei niedrigem Grundgehalt hängt der Geldsegen für die Vorstände hauptsächlich von der Kursentwicklung ab. Optionen fließen in aller Regel nur dann in die Aufwandsrechnung, wenn sie ausgeübt werden. Bezugsberechtigte erhalten entweder die Aktie oder einen Barausgleich.
Auch bei DaimlerChrysler halbierten sich so die Aufwendungen für die Konzernexekutive in der Summe nahezu, auch wenn man im Detail eben nicht weiß, ob Jürgen Schrempp nun mehr oder weniger verdient.
Vorstände legen Erfolgslatte immer niedriger
Gleichzeitig genehmigen sich die Chefetagen häufig neue, wertangepasste Optionen. Lag der Ausübungspreis für Optionen bei der Deutschen Telekom im Jahr 2000 bei 60,40 Euro, genehmigte der Aufsichtsrat für 2001 Optionen zum Ausübungspreis von 30 Euro bei einer Laufzeit bis 2011. Steigt die T-Aktie also innerhalb der nächsten neun Jahre über 30 Euro, was mehr als wahrscheinlich ist, dann rollt der Rubel für die Vorstände - und zwar nicht zu knapp.
Fazit: Ron Sommers Mannen, neben anderen Dax-Vorständen wie DaimlerChrysler, legen sich selbst die Erfolgslatte immer tiefer. „Die Erholung auf ein normales Kursniveau wird bereits als Leistung belohnt“, kritisiert Lars Labryga von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre die Aufwendungsentwicklung bei DaimlerChrysler.
Intransparenz - keiner blickt durch
Man muss in diesem Zusammenhang von Aufwendungen sprechen, denn die Frage, ob die einzelnen Manager eine dickere Brieftasche haben, lässt aufgrund der mangelnden Transparenz der Konzernangaben kaum beantworten. Bislang erfährt der Aktionär zumeist nur die Gesamtsumme der Vorstandsaufwendungen - und dahinter kann sich vieles verbergen: Beispielsweise auch die Höhe der Abfindungen für ausgeschiedene Mitglieder - es ist zudem nicht klar, wie hoch das Grundgehalt der einzelnen ist, und wie viel die variable Komponente ausmacht.
Furcht vor Neiddebatte?
Gerne weisen die Unternehmen auch darauf hin, dass die Vorstandsaufwendungen über die Jahre nicht vergleichbar seien, weil sich die Anzahl der Mitglieder verändert habe. Bei der Allianz, die 2001 die Übernahme der Dresdner Bank konsolidiert hat, mag das zutreffen. Doch insgesamt gilt: Egal wie sich die Anzahl der Vorstände verändert - die Kosten für die Aktionäre sind das Entscheidende. Gleichwohl deutsche Manager bei der Gehaltsentwicklung in die USA schielen, halten sie doch am deutschen Modell der Intransparenz bei der Offenlegung der Gehälter fest - aus Angst vor einer Neiddebatte. Doch Neid erfährt in aller Regeln nur der, von dem man annimmt, dass er etwas nicht verdient habe. Was ist also los in Deutschlands Chefetagen?
Cromme fordert Offenlegung der Gehälter
Einzig Gerhard Cromme, Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp, macht Druck: „Die Einkommen der Manager müssen offengelegt werden“, so seine Forderung im Verhaltenskodex für Aktiengesellschaften. Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel hält einige seiner Kollegen für „total überbezahlt“ Und auch die Pensionsleistungen mit Dienstvilla, Auto und Fahrer nach dem Ausscheiden seien „daneben“ - Vorstandspensionen machen im Schnitt rund 50 Prozent der letzten Festbezüge aus.
Stille Aufsichtsräte
Bewilligt werden die Tantiemen von den Aufsichtsräten, und dort sitzt immer auch ein Gewerkschaftsvertreter. Aber irgendwie ist aus dem Kontrollgremium kein Murren zu vernehmen, obwohl deren eigene Bezüge seit 1960 im Schnitt gerade mal um 55 Prozent gestiegen sind, wie die Kienbaum Vergütungsberatung in einer Studie mit 1.700 Unternehmen berechnet hat, während die Vorstände seit damals 550 Prozent Gehaltszuwachs verzeichneten.
Das Spiel mit den Steuerungsgrößen
„Da wird der Aufsichtsrat beschwatzt, man setzt die Tantiemen an einer Ergebnisgröße an, die auf jeden Fall steigt, und schon steigen die Bezüge“, sagt Heinz Evers, Geschäftsführer der Kienbaum Vergütungsberatung. Das Ebitda (Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen) ist eine beliebte Steuerungsgröße, weil es gerne positiv ist, auch wenn insgesamt ein Jahresfehlbetrag anfällt, wie das Beispiel Deutsche Telekom zeigt. „In den Jahren 1998 bis 2000 sind die Bezüge der Vorstände um jährlich 30 Prozent gestiegen“, so Evers. Und die Entwicklung werde weitergehen, bis sich deutsche Gehälter an die hohen US-Niveaus angepasst hätten.
Vorbild Lufthansa
Nur die Lufthansa zieht Konsequenzen aus der schlechten Ertragslage und nimmt sich zumindest in Ansätzen ein Beispiel an der japanischen Minolta: Lufthansa-Vorstandschef Weber und weitere 1.000 Führungskräfte verzichten von Februar bis Juli 2002 auf zehn Prozent des Grundgehalts.