Amerikas Wirtschaft steckt bereits in der Rezession
Von Christian Schütte, Hamburg, und Nicola Liebert, New York
Erstmals seit Anfang 1993 ist die Wirtschaftsleistung in den USA im dritten Quartal 2001 geschrumpft. Auf ein volles Jahr hochgerechnet sank das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,4 Prozent.
Auch für das vierte Quartal erwarten Volkswirte einhellig ein weiteres Schrumpfen des BIP. Die USA stecken daher bereits in einer Rezession, die formal als zwei Quartale mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung definiert wird. "Wir haben schon eine Rezession", sagte Mickey Levy, Chefökonom der Bank of America.
Volkswirte hatten für das dritte Quartal sogar eine Minusrate von knapp einem Prozent vorhergesagt. Dass der Rückgang schwächer ausfiel, gab den Aktienmärkten zunächst Auftrieb. Die Kurse fielen aber später wieder zurück.
Durch die US-Praxis, Veränderungen zur Vorperiode jeweils auf ein ganzes Jahr hochzurechnen, wird die Abweichung zwischen Prognose und tatsächlichem Wert überzeichnet. Im direkten Quartalsvergleich, wie er in Europa üblich ist, sank das reale US-BIP um rund 0,1 Prozent, während die Analysten ein Minus von knapp 0,25 Prozent vorhergesagt hatten.
Bush übt Druck auf den Kongress aus
Der private Konsum, der zuletzt die Wirtschaft gestützt hatte, legte zwar auch im dritten Quartal noch zu. Die Wachstumsrate halbierte sich aber zum Vorquartal auf 1,2 Prozent. Investitionen und Exporte brachen mit Raten von minus 11 beziehungsweise 17 Prozent weiter deutlich ein.
Offiziell werden Rezessionen in den USA vom National Bureau of Economic Research festgestellt. Es orientiert sich nicht an BIP-Daten, sondern an Indikatoren wie Industrieproduktion, Beschäftigung und Einkommen. Da Letztere noch leicht wachsen, dürfte die Rezession erst in einigen Monaten offiziell bestätigt werden.
US-Präsident George W. Bush forderte am Mittwoch den Kongress nochmals öffentlich auf, das geplante Konjunkturpaket bis Ende November zu verabschieden. Auskunft über die kurzfristige Wirtschaftsdynamik in der Industrie gibt am Donnerstag der nationale Einkaufsmanagerindex vom Oktober. Der Index für die Region Chicago ist im Oktober leicht von 46,6 auf 46,2 Punkte gesunken.