Amerikas Mr. No

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Amerikas Mr. No

 
26.07.01 14:39
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Amerikas Mr. No

Präsident Bush verprellt die besten Freunde

Von Theo Sommer



Wer erinnert sich noch an Andrej Gromyko? Die Welt kannte den grimmigen Sowjetdiplomaten als "Mr. Njet", weil er nein sagte zu allem: zur deutschen Wiedervereinigung, zur Abrüstung, zur Entspannung.

Gromyko ist seit zwölf Jahren tot, Europa wieder ganz und frei. In die Rolle des Mr. Njet ist mittlerweile ein anderer Akteur auf der Weltbühne geschlüpft: George W. Bush. Während seiner ersten sechs Monate hat er Mal um Mal nein gesagt: Mr. No.

Nein zum Kyoto-Protokoll über den Klimaschutz, das er kurzerhand als fehlerhaft und hinfällig vom Tisch wischt.

Nein zur Kontrolle der neuen Pest, des Kleinwaffenhandels - wegen des amerikanischen Bürgerrechts auf Waffenbesitz, aber auch, um sich die außenpolitische Option zu bewahren, Aufständische in aller Welt mit Waffen zu versorgen.

Nein zum ABM-Vertrag, der 1972 Raketenabwehrsysteme begrenzt hat, um ein aberwitziges Wettrüsten zu verhindern - Bush nennt ihn abfällig ein "Relikt der Vergangenheit".

Nein auch zu einem Vertragsprotokoll, das die Kontrolle über das Verbot der Produktion von biologischen Waffen gewährleisten soll - die Amerikaner wollen sich nicht in ihre Forschungslaboratorien blicken lassen.

"Amerika über alles"

Präsident Bush sagt nicht grimmig nein, sondern mit einem Lächeln. Aber dabei zeigt er Zähne. Er gibt nicht nach, er gibt nicht auf, er gibt nicht ab. Konsultationen bietet er rundum an, Partnern wie Rivalen; im Gespräch zu bleiben, verspricht er; von amerikanischen Alleingängen, beteuert er, könne deshalb nicht die Rede sein. Doch die Gespräche zielen auf die Bekehrung des Gegenübers: auf Konversion, nicht auf Kompromiss.

George W. Bush als Nabob des Negativismus - das wirft zwei Fragen auf.

Erstens: Wie will der US-Präsident eigentlich in einer aus dem Lot geratenen Welt führen können? Wenn er so weitermacht, könnte er sich bald in einer Lage sehen, in der niemand mehr da ist, der sich von ihm führen ließe. Dabei ist es offensichtlich, dass Amerika als vereinsamte Hypermacht nicht viel auszurichten vermag. Es braucht in jedem wichtigen Fall die Unterstützung anderer Mächte. "Amerika über alles", wie Josef Joffe es einmal in der New York Times formulierte, ist da der falsche Trommelwirbel.

Zweitens aber: Wie will der Präsident mit der aufstrebenden Europäischen Union zurechtkommen? Zwischen der EU und den Vereinigten Staaten wird viel gestritten: über Bananen, Hormonrinder, genmanipulierten Mais, Lärmschutzvorrichtungen für alternde Boeings, Subventionen für die Luftfahrtindustrie, das amerikanische Exportbesteuerungsgesetz - die Liste der Kontroversen ist lang.

Mit solchen Streitigkeiten lässt sich leben, solange die Handelsrivalität nicht in politische Entfremdung umschlägt. Was aber, wenn sich der Grundbestand politischer Gemeinsamkeit allmählich erschöpft? Wenn eine Nato, deren Endzweck immer mehr im Ungefähren verschwimmt, die Partner nicht mehr wirksam verklammern kann?

Manch einer sucht Trost in der Umkehrung des alten Palmerston-Satzes, wonach Staaten keine permanenten Freunde oder Feinde haben, sondern nur permanente Interessen. Umkehrung - das hieße: Streiten wir uns ruhig, der Freundschaft tun gegensätzliche Interessen keinen Abbruch. Wer aber möchte sich schon darauf verlassen? Besser wäre es schon, dem amerikanisch-europäischen Verhältnis gemeinsam einen neuen Boden einzuziehen. Auf ewiges "no" lässt sich die Zukunft ebenso wenig bauen wie einst auf Gromykos unbeugsames "njet".



(c) DIE ZEIT   31/2001    
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