Washingtons ehrgeizige Kriegsziele beunruhigen die Märkte. Ökonomen beschwören die Vietnam-Ära.
Am Montagnachmittag hüpfte der Dax plötzlich um 100 Punkte. Es waren nur wenige Minuten, ehe UN-Inspekteur Hans Blix seinen Irak-Bericht abgeben sollte. Da tauchten Gerüchte auf, Saddam Hussein habe Asyl im afrikanischen Dschibuti erhalten. Weil die Nachricht sich als Ente erwies, tauchte der Dax kurz darauf wieder ab. Bemerkenswert sind nicht solche Gerüchte, sondern dass sie geglaubt wurden. Bemerkenswerter noch ist die Reaktion der Aktienhändler.
Sie zeigt, wie sehr die Händler an den Finanzmärkten bemüht sind, auf jede Wendung des alles beherrschenden Kriegsthemas zu reagieren. Dass der Krieg kommen wird, steht nur dann in Frage, wenn der Regent in Bagdad weicht. Zu viel Aufwand, Geld und Prestige hat die Regierung Bush in den Irak-Feldzug investiert und zu viele Truppen in den Golf geschickt, als dass man noch etwas anderes erwarten kann.
An den Finanzmärkten, wo die Akteure noch zynischer sein müssen als in anderen Berufen, herrscht mittlerweile die Ansicht vor, der Krieg möge doch endlich gestartet werden, wenn er schon kommen muss. Zu den Kriegsschäden werde es ohnehin kommen. Aber bis es so weit ist, steigt der Ölpreis, rutscht der Dollar weiter ab und verschärft sich die Baisse bei den Aktien. So übel es klingt, man muss denen, die so räsonieren leider Recht geben. Die Kriegsfurcht-Preise an den Finanz- und Rohstoffmärkten haben schon seit Ende vergangenen Jahres die ohnehin schwache Konsum- und Investitionsnachfrage zusätzlich gedämpft.
Anlagestrategie für den Ernstfall
Aktienhändler wissen, dass politische Börsen kurze Beine haben. Das heißt, sie etablieren in der Regel keinen Trend. Das gilt auch für kleine Kriege. Sie stürzen die Welt nicht um, und nur selten fallen sie mit Wendepunkten zyklischer Art an den Finanzmärkten zusammen. Aber sie sorgen für turbulente Preisbewegungen. Da gilt es, die sich bietenden Gelegenheiten zu nutzen.
Jan Amrit Poser vom Basler Bankhaus Sarasin erinnert die Anleger an den Spruch "Sell on the rumour, buy on the facts", was in diesem Fall heißt, im Vorfeld des Krieges den Barbestand zu erhöhen, um dann, wenn der Angriff beginnt, bei der wahrscheinlich folgenden Rally dabei zu sein. Wenn die Unsicherheit weg ist, so kalkuliert Poser, sacken auch die Risikoprämien in sich zusammen, was dem Aktienmarkt einen Anstieg um bis zu 25 Prozent bescheren könnte. Dann allerdings folgt die ebenso kluge wie zurückhaltend formulierte Warnung: "Es könnte ratsam sein, in das Ende einer solchen Rally hinein wieder zu verkaufen."
Derlei Taktiken entheben auch die Investoren nicht der Pflicht, sich über den Kriegsverlauf und seine Folgen Gedanken zu machen. Angesichts der militärischen Überlegenheit der Vereinigten Staaten grenzt es an Albernheit anzunehmen, der Feldzug werde dieses Mal viel länger dauern und für die US-Truppen viel verlustreicher verlaufen als der "Wüstensturm" vor zwölf Jahren. Dennoch besteht auch bei großer Überlegenheit die Gefahr, dass etwas schief läuft.
Riskanter als 1991
Entscheidend aber ist, dass das Kriegsziel des heutigen Präsidenten Bush viel ehrgeiziger ist als das seines Vaters, der Saddam Hussein nur aus Kuwait vertreiben wollte und nicht aus Bagdad. Auch die Märkte erkennen, dass die Folgekosten des Krieges dieses Mal deutlich höher sein könnten als vor zwölf Jahren. Dieser Krieg könnte eben doch einen Trend etablieren - einen wenig erfreulichen.
Die längerfristigen Aspekte dieses Krieges sind es denn auch, die die Finanzmärkte stärker beunruhigen. So ist es nicht sicher, dass sich der Ölpreis nach einer erfolgreichen Kampagne wieder auf ein tragbares Niveau von 28 $ je Barrel zurückbildet. Und Goldman Sachs rechnet vor, dass ein um zehn Prozent höherer Rohölpreis das Wachstum der sieben führenden Industrienationen zwölf Monate später um 0,3 Prozent schwächt.
Irritierend aber sind die weitergehenden Ziele Washingtons. Das unterscheidet die heutige Situation so grundlegend von der 1991. Der Anspruch von George Bush senior, eine neue Weltordnung zu schaffen, wirkte nicht aggressiv, weil er dem Zusammenbruch der Sowjetunion folgte, deren Nachfolgestaaten sich noch nicht konsolidiert hatten. Der Golfkrieg 1991 wurde nicht geführt, um diese Weltordnung unter amerikanischer Hegemonie durchzusetzen. Es wirkte eher zufällig, dass damals Saddam Hussein Kuwait überfiel und, im Einklang mit dem Völkerrecht, aus dem Scheichtum vertrieben wurde.
Das ist heute anders. "Die Ereignisse der nächsten Jahre scheinen eher der Vietnamkriegsperiode zu ähneln mit ihren andauernden militärischen Auseinandersetzungen in verschiedenen Teilen der Welt - ohne klare Lösung." Das schreibt Gail Fosler, Chefökonomin des Conference Board, einer nicht gerade amerikafeindlichen Institution. Kritischere Stimmen fügen hinzu, dass sich die USA im Vietnamkrieg militärisch und ökonomisch verhoben haben.
Es liegt nahe zu glauben, dass der Irak-Krieg der Auftakt zu einer Phase der Selbstüberschätzung der USA wird. Daran ist schon der frühere US-Präsident Lyndon B. Johnson gescheitert. Wenn der heutige Präsident meint, er könne beides haben - Krieg und Wohlstand zu Hause - übernimmt er sich.
So long,
Calexa
www.investorweb.de
Am Montagnachmittag hüpfte der Dax plötzlich um 100 Punkte. Es waren nur wenige Minuten, ehe UN-Inspekteur Hans Blix seinen Irak-Bericht abgeben sollte. Da tauchten Gerüchte auf, Saddam Hussein habe Asyl im afrikanischen Dschibuti erhalten. Weil die Nachricht sich als Ente erwies, tauchte der Dax kurz darauf wieder ab. Bemerkenswert sind nicht solche Gerüchte, sondern dass sie geglaubt wurden. Bemerkenswerter noch ist die Reaktion der Aktienhändler.
Sie zeigt, wie sehr die Händler an den Finanzmärkten bemüht sind, auf jede Wendung des alles beherrschenden Kriegsthemas zu reagieren. Dass der Krieg kommen wird, steht nur dann in Frage, wenn der Regent in Bagdad weicht. Zu viel Aufwand, Geld und Prestige hat die Regierung Bush in den Irak-Feldzug investiert und zu viele Truppen in den Golf geschickt, als dass man noch etwas anderes erwarten kann.
An den Finanzmärkten, wo die Akteure noch zynischer sein müssen als in anderen Berufen, herrscht mittlerweile die Ansicht vor, der Krieg möge doch endlich gestartet werden, wenn er schon kommen muss. Zu den Kriegsschäden werde es ohnehin kommen. Aber bis es so weit ist, steigt der Ölpreis, rutscht der Dollar weiter ab und verschärft sich die Baisse bei den Aktien. So übel es klingt, man muss denen, die so räsonieren leider Recht geben. Die Kriegsfurcht-Preise an den Finanz- und Rohstoffmärkten haben schon seit Ende vergangenen Jahres die ohnehin schwache Konsum- und Investitionsnachfrage zusätzlich gedämpft.
Anlagestrategie für den Ernstfall
Aktienhändler wissen, dass politische Börsen kurze Beine haben. Das heißt, sie etablieren in der Regel keinen Trend. Das gilt auch für kleine Kriege. Sie stürzen die Welt nicht um, und nur selten fallen sie mit Wendepunkten zyklischer Art an den Finanzmärkten zusammen. Aber sie sorgen für turbulente Preisbewegungen. Da gilt es, die sich bietenden Gelegenheiten zu nutzen.
Jan Amrit Poser vom Basler Bankhaus Sarasin erinnert die Anleger an den Spruch "Sell on the rumour, buy on the facts", was in diesem Fall heißt, im Vorfeld des Krieges den Barbestand zu erhöhen, um dann, wenn der Angriff beginnt, bei der wahrscheinlich folgenden Rally dabei zu sein. Wenn die Unsicherheit weg ist, so kalkuliert Poser, sacken auch die Risikoprämien in sich zusammen, was dem Aktienmarkt einen Anstieg um bis zu 25 Prozent bescheren könnte. Dann allerdings folgt die ebenso kluge wie zurückhaltend formulierte Warnung: "Es könnte ratsam sein, in das Ende einer solchen Rally hinein wieder zu verkaufen."
Derlei Taktiken entheben auch die Investoren nicht der Pflicht, sich über den Kriegsverlauf und seine Folgen Gedanken zu machen. Angesichts der militärischen Überlegenheit der Vereinigten Staaten grenzt es an Albernheit anzunehmen, der Feldzug werde dieses Mal viel länger dauern und für die US-Truppen viel verlustreicher verlaufen als der "Wüstensturm" vor zwölf Jahren. Dennoch besteht auch bei großer Überlegenheit die Gefahr, dass etwas schief läuft.
Riskanter als 1991
Entscheidend aber ist, dass das Kriegsziel des heutigen Präsidenten Bush viel ehrgeiziger ist als das seines Vaters, der Saddam Hussein nur aus Kuwait vertreiben wollte und nicht aus Bagdad. Auch die Märkte erkennen, dass die Folgekosten des Krieges dieses Mal deutlich höher sein könnten als vor zwölf Jahren. Dieser Krieg könnte eben doch einen Trend etablieren - einen wenig erfreulichen.
Die längerfristigen Aspekte dieses Krieges sind es denn auch, die die Finanzmärkte stärker beunruhigen. So ist es nicht sicher, dass sich der Ölpreis nach einer erfolgreichen Kampagne wieder auf ein tragbares Niveau von 28 $ je Barrel zurückbildet. Und Goldman Sachs rechnet vor, dass ein um zehn Prozent höherer Rohölpreis das Wachstum der sieben führenden Industrienationen zwölf Monate später um 0,3 Prozent schwächt.
Irritierend aber sind die weitergehenden Ziele Washingtons. Das unterscheidet die heutige Situation so grundlegend von der 1991. Der Anspruch von George Bush senior, eine neue Weltordnung zu schaffen, wirkte nicht aggressiv, weil er dem Zusammenbruch der Sowjetunion folgte, deren Nachfolgestaaten sich noch nicht konsolidiert hatten. Der Golfkrieg 1991 wurde nicht geführt, um diese Weltordnung unter amerikanischer Hegemonie durchzusetzen. Es wirkte eher zufällig, dass damals Saddam Hussein Kuwait überfiel und, im Einklang mit dem Völkerrecht, aus dem Scheichtum vertrieben wurde.
Das ist heute anders. "Die Ereignisse der nächsten Jahre scheinen eher der Vietnamkriegsperiode zu ähneln mit ihren andauernden militärischen Auseinandersetzungen in verschiedenen Teilen der Welt - ohne klare Lösung." Das schreibt Gail Fosler, Chefökonomin des Conference Board, einer nicht gerade amerikafeindlichen Institution. Kritischere Stimmen fügen hinzu, dass sich die USA im Vietnamkrieg militärisch und ökonomisch verhoben haben.
Es liegt nahe zu glauben, dass der Irak-Krieg der Auftakt zu einer Phase der Selbstüberschätzung der USA wird. Daran ist schon der frühere US-Präsident Lyndon B. Johnson gescheitert. Wenn der heutige Präsident meint, er könne beides haben - Krieg und Wohlstand zu Hause - übernimmt er sich.
So long,
Calexa
www.investorweb.de