Amerika: Das Pfeifen im Walde ...

Beitrag: 1
Zugriffe: 606 / Heute: 1
Digedag:

Amerika: Das Pfeifen im Walde ...

 
29.04.02 23:15
EuroTower:  Das Dollar-Risiko zeigt nach unten
- von vwd Finanzkorrespondent Hans Hutter -

Frankfurt (vwd) - Der neue Sprung des Euro-Wechselkurses auf 0,90 USD
folgt wohl einem Lehrbuch, das Marktökonomen als überholt und
US-Finanzminister Paul O'Neill als falsch bezeichnen: Das
US-Leistungsbilanzdefizit, das zur Deckung börsentäglich zwei Mrd USD
Kapitalimport benötigt, scheint nun nicht mehr so gesichert wie in den
Vorjahren. Der IWF hat dieses Defizit im Word Economic Outlook - zusammen
mit der Überschuldung der privaten Haushalte und Unternehmen - als ernstes
Risiko für die Weltwirtschaft benannt - wenn Konjunktur und Börse nicht dem
optimalen Drehbuch folgen. Auf den ersten Blick kam die Entwicklung
überraschend und erfordert eine Erklärung von O'Neill.

Der US-Finanzminister hatte bekanntlich solche Hinweise als falschen
Denkansatz zurückgewiesen. Und wie O'Neill seine Gelassenheit begründet, so
urteilen auch schon Bankvolkswirte in Deutschland: Das
US-Leistungsbilanzdefizit wird lediglich als Spiegelbild der überschüssigen
US-Kapitalbilanz und damit des massiven privaten Kapitalzuflusses gesehen,
sagt beispielsweise Michael Hüther von der DGZ-DekaBank. Das aber überzeugt
nicht mehr.

Der IWF führt die Risiken für einen tragfähigen Aufschwung der Konjunktur
in den USA und weltweit mit dem US-Defizit, das zusammen mit einem wieder
defizitären Staatsbudget zum legendären Zwillingsdefizit werden könnte,
deutlich auf und analysiert zugleich zwei konträre Szenarien: Wenn die
US-Konjunktur zu schnell und stark anspringt, und weit schneller und früher
als in den anderen Industriestaaten, dann schwillt das Außenwirtschaftsminus

so stark an, dass es eben bald nicht mehr reibungslos finanziert werden
kann. Und wenn die US-Konjunktur enttäuscht, dann werden die privaten
Kapitalströme schnell enttäuscht und ebben ab.

Wenn man dieses Risiko in dem auf Dauer nicht tragfähigen Defizit der
Leistungsbilanz noch bündelt, wie es der IWF tut, mit dem Hinweis auf einen
"überbewerteten Dollar" und einen "unterbewertete Euro" sowie mit hohen
US-Aktienkursen, dann reicht das für Nervosität in einer unklaren
Konjunkturlage. Denn auch Wall Street jubelte am Freitag nicht über das
rasante US-BIP-Wachstum im ersten Quartal von annualisisert 5,8 Prozent,
nicht aus Angst wegen Überhitzung, sondern wohl eher wegen der Schwäche der
Unternehmens- und Lagerinvestitionen.

EZB-Präsident Wim Duisenberg zeigt auf die gesunden Euro-Fundamentaldaten
mit ausgeglichener Leistungsbilanz sowie ohne eine Überschuldung von
Unternehmen und Privathaushalten: "Der Euro hat Kurs-Potenzial". Aber
Duisenbergs Zuversicht auf die Binnenkonjunktur im Euroraum ist noch nicht
gesichert; eine Dollar-Baisse wäre auch für Europa mehr als unerwünscht, für
die Weltwirtschaft erst recht. Die Märkte sind nun gespannt, ob Paul O'Neill
am Mittwoch in seiner Rede auf Capitol Hill bei seiner Gelassenheit
hinsichtlich der Schwachstellen der US-Wirtschaft bleibt - und ob die gute
alte Politik des starken Dollar in diese unsicheren Zeiten passt.

vwd/29.4.2002/hu/ptr
29.04.2002 - 20:00 Uhr
Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--